Hauke und Thies Tramsen haben die Kälberaufzucht bestens im Griff. Ihr Erfolgsrezept: Die Kälber intensiv tränken, trocken betten und sonst möglichst in Ruhe lassen.
Hauke Tramsen wiegt das Milchpulver exakt mit der Waage ab. Sein Bruder Thies holt derweil das Milchtaxi aus dem piekfein aufgeräumten und sauberen ehemaligen Tankraum. Er rührt das Milchpulver mit dem warmen Wasser zur Tränke an. Das Milchtaxi fährt vor den ersten Stall. Die Kälber spitzen die Ohren und springen auf. Sie rennen zur Milchbar. Jedes Kalb will das erste sein, um genug Milch abzubekommen.
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Hauke Tramsen wiegt das Milchpulver exakt mit der Waage ab. Sein Bruder Thies holt derweil das Milchtaxi aus dem piekfein aufgeräumten und sauberen ehemaligen Tankraum. Er rührt das Milchpulver mit dem warmen Wasser zur Tränke an. Das Milchtaxi fährt vor den ersten Stall. Die Kälber spitzen die Ohren und springen auf. Sie rennen zur Milchbar. Jedes Kalb will das erste sein, um genug Milch abzubekommen.
Familie Tramsen melkt an der Wurster Nordseeküste 270 Milchkühe auf dem Lietherhof. Dabei sind die Arbeitsbereiche und Aufgaben auf dem Betrieb klar voneinander getrennt: Thies (27 Jahre) erstellt die Futtermischungen und bewirtschaftet die 220 ha Flächen, Hauke (24 Jahre) kümmert sich um die Kühe und alles im Stall, Vater Dirk organisiert das Büro und Mutter Gertrud den Haushalt. Eine Auszubildende und zwei 450€-Kräfte unterstützen die Familie unter anderem beim Melken. Jede Person übernimmt die Verantwortung für ihren Bereich und kann dort dann auch Entscheidungen treffen.
Die Frischgeborenen werden aus dem mit Stroh eingestreuten Abkalbestall in ein gereinigtes Einzeliglu gebracht. Dort erhalten sie 4l Kolostrum von der eigenen Kuh, auch gedrencht. Hauke bezeichnet das als Lebensversicherung für das Kalb. Die Kälberversorgung läuft gut, obwohl Hauke sie minimalistisch hält: kein Impfen, kein Wiegen der Geburtsgewichte, kein Kontrollieren der Biestmilchqualität und kein Nabel desinfizieren. Ab der zweiten Mahlzeit wird dem Kalb ein Nuckeleimer mit 4l Biestmilch vor das Iglu gehängt, zweimal täglich.
Für vierzehn Tage bleiben die Kälber im Einzeliglu, danach werden die männlichen verkauft und die weiblichen in die Gruppenhaltung umgestallt. Hauke reinigt die Einzeliglus nach jeder Belegung mit dem Hochdruckreiniger plus Schaum. Wenn die Ohrmarken eingezogen werden, notiert der Landwirt den Monat und das Jahr der Geburt auf der Rückseite der Ohrmarke. „So kann ich bei der Belegung direkt das Alter der Rinder erfassen“, sagt Hauke Tramsen.
Optima Klima Stall statt Holsteiner Kälberstall
Vor drei Jahren bauten die beiden Brüder einen neuen Kälberstall. Geplant war eigentlich ein Holsteiner Kälberstall mit Tränkeautomat. Die Betonplatte war sogar bereits gegossen, da erhielten die beiden einen Tipp von Berater Johan Hoogendoorn zum Optima Klima Stall (Dairytop). Die Brüder fuhren nach Mecklenburg und machten sich bei einem Kälbermäster ein eigenes Bild von dem Stallsystem. Den Optima Klima Stall (OKS) muss man sich wie eine Reihe Garagen vorstellen. Sie sind zu drei Seiten geschlossen und vorne offen. Das OKS ermöglicht ein Rein-Raus-Verfahren. Das Material ist UV-resistenter Kunststoff und vereinfacht das Reinigen und Desinfizieren nach jedem Durchgang.
Die handwerklich geschickten Brüder optimierten den Optima Klima Stall noch vor dem Bau. Sie planten den Stall so, dass zwei Buchten als Lagerräume für Stroh und Kälber-TMR genutzt werden und ein bis zwei Abteile immer leer stehen. Zudem gossen sie 15cm hohe Aufkantungen aus Beton, auf den die Kunststoffelemente aufgeschraubt wurden. Thies erklärt: „So können wir mit dem Radlader ausmisten und den Mist gegen die Wände schieben, ohne sie zu zerstören. Außerdem hat der betonierte Boden ein Gefälle von 5% zur Stallrückseite. Dort ist ein Abfluss installiert. Urin und andere Flüssigkeiten laufen so in eine Sammelgrube, die von einer Pumpe in den Güllekeller des Kuhstalls geleitet wird. Nervige Fliegen haben keine Chance.“ Die Buchten werden wetterabhängig alle zwei bis drei Tage nachgestreut.
Ein weiterer Clou sind die in jeder Bucht angebrachten Strom- und Wasseranschlüsse zum Enthornen und Reinigen der Buchten mit dem Hochdruckreiniger. Jede Bucht ist nummeriert. So finden auch Mitarbeiter und Auszubildende ohne Probleme direkt die passenden Tiere.
Der OKS ist einfach auszumisten sowie gut mit dem Kärcher zu reinigen und enthält Strom- und Wasseranschlüsse.
(Bildquelle: Veauthier)
Keine kranken Lungen mehr
Die Kälber liegen gerne zusammen im hinteren Stallbereich. Dort fühlen sie sich wohl und geschützt. Das Dach der Gruppenställe besteht aus Dachplatten mit 40mm dicken, isolierten Sandwichpaneelen. Sie schützen sie im Winter vor der Kälte und im Sommer vor Hitze. Im Herbst bildet sich kein Tropfwasser. Die weiblichen Kälber bleiben in einer festen Gruppe mit sechs bis sieben Tieren von der zweiten bis zur vierzehnten Lebenswoche im OKS. Sie haben kaum Sozialstress, wenn ein Kalb erkrankt, dann bleibt es in der Gruppe. Früher wurden die Kälber ab dem 14.Tag auf die Tenne des 1854er-Friesischen Bauernhauses, direkt neben den Trockenstehern, aufgestallt. Gerade wenn selten ausgemistet wurde, litten sie häufiger an Lungenerkrankungen. „Damit ist jetzt Schluss“, sagt Hauke Tramsen bestimmt. Die Kälbergesundheit hat sich durch das gute Klima in den OKS verbessert. Heute werden, wenn überhaupt, nur erkrankte Einzeltiere behandelt. Die Kälbersterblichkeit liegt bei 4%.
900g Zunahmen in der Tränkephase
Die Sonne sucht sich ihren Weg über den sauber aufgeräumten Lietherhof. So wie das Erscheinungsbild des Hofes ist, wird auch in der Aufzucht großen Wert auf Sauberkeit und Hygiene gelegt. Denn das Erfolgskonzept ist, die Routinen und standardisierten Abläufe immer gleich abzuarbeiten. Kühe mögen Langeweile! Diese Konstanz führt zu hohen Aufzuchtleistungen. Dairytop Beraterin Bärbel Achelpöhler wog die Kälber zwischendurch und stellte Tageszunahmen von Ø 850 bis 950g fest.
Das entspricht einem Absetzgewicht von 115 bis 130kg. Mit acht Wochen sind 800g Tageszunahmen (Gewicht etwa 85 bis 90kg), mit 12 Wochen 1.000g angestrebt (Gewicht ca. 125kg). Und das bei Erkrankungsraten von etwa 5%. „Ich führe keine prophylaktischen Maßnahmen bei den Kälbern durch. Wenn eines Durchfall hat, wird es mit Elektrolyten getränkt“, erläutert Hauke Tramsen sein Vorgehen.
Milchbar statt Tränkeautomat
Im OKS werden die Kälber neben dem Milchaustauscher (zweimal täglich vier Liter pro Kalb mit 1,25kg TS) mit einer vorgemischten Kälber TMR (Strohhäcksel, Melasse, Mineralstoffe, Kälberkorn) gefüttert. Ab der achten Woche wird die Kälber-TMR mit der Kuh-TMR verschnitten. Wasser steht ihnen zur freien Verfügung. Der Rundlauf garantiert Frostfreiheit, auch im kalten, windigen Winter. Hauke rührt den Milchaustauscher im Milchtaxi an und versorgt dann Gruppe für Gruppe.
Sein Tipp für die Milchbars ist, immer mehr Nuckel an diesen anzubringen, als Kälber in der Gruppe sind. Denn wenn rangniedere Kälber verdrängt werden, finden sie schnell einen neuen Nuckel und trinken weiter. Die Milchbars werden zweimal wöchentlich mit dem Hochdruckreiniger gereinigt und mit gechlortem Wasser desinfiziert. Jede Milchbar ist nummeriert, damit sie nach dem Waschen wieder der richtigen Gruppe zugeordnet werden kann. Beim Tränken und Streuen beobachtet Hauke die Tiere: „Die Kälberaufzucht ist günstiger, wenn sie intensiv erfolgt. Denn Geld wird erst verdient, wenn die Färse kalbt und Milch gibt. Dafür muss die Aufzucht top laufen.”
Seine wichtigsten Punkte für die Kälberaufzucht sind:
Das frischgeborene Kalb in den ersten 24h zweimal mit je vier Litern Kolostrum versorgen.
Milchaustauscher mit passender Konzentration füttern.
Intensiver Tränkeplan.
Die Nuckel in den Nuckeleimern und Milchbars regelmäßig desinfizieren und wechseln.
Hygiene: Den Stall nach jedem Durchgang reinigen, waschen und desinfizieren.
Sechs Mal ziehen Rinder um
Im Alter von zwölf Wochen werden die Kälber von der Milch abgesetzt. Sie bleiben jedoch noch für zwei Wochen in der Gruppenbucht, damit der Stress des Absetzens und Umstallens nicht zusammen fällt. Im Alter von 14 Wochen ziehen sie auf die Tenne um und erhalten die Kuh-TMR mit zusätzlichem 18/3er-Kraftfutter. Danach, mit etwa vier bis fünf Monaten, geht es in den Tiefstreustall in eine historische, sehr lichtdurchflutete Scheune. Diese Gruppe hat zusätzlichen Zugang zu Auslauf und Weide und viel Platz zum Laufen und Spielen. Sie ist mit 40Kälbern die größte Gruppe in der Aufzucht, was zu Stress führen kann. Hauke Tramsen berichtet, dass hier ab und zu Kokzidien und Flechte auftreten und er Einzeltiere behandeln muss.
Ab dem siebten Lebensmonat werden die Rinder energetisch knapper versorgt, sie erhalten die Reste der Kuhmischung und zusätzlich Grassilage von extensiven Flächen. Vom Tiefstreustall aus gehen die Rinder in einen Laufstall mit Boxen, wo ihnen ein Heatime-Halsband zur Brunsterkennung angezogen wird. Abhängig vom Gewicht und von der Körperentwicklung besamt Hauke die Rinder im Alter von 12 bis 15 Monaten: „Wir müssen durch die intensiven Kälberaufzucht so früh besamen, damit die Rinder nicht zu stark verfetten.“
Nachdem der Tierarzt die Rinder zweimal positiv auf die Trächtigkeit untersucht hat, dürfen die trächtigen Rinder nach draußen auf die Weiden zwischen dem Deich und der Nordsee. Dort läuft noch ein Bulle mit, um mögliche umrindernde Tiere zu decken. Mit diesem Handling erreichen die Färsen eine Einstiegsleistung von 31 bis 33l Milch in ihrer ersten Laktation.
Hier sind die Kälberställe von oben gut zu erkennen.
(Bildquelle: Tramsen)
Nicht mehr als 300 Kühe
Der Wind von der Nordsee frischt auf. Die Flut und das Wasser kommen zurück. Vom Lietherhof blickt man direkt auf den Deich in einem Kilometer Entfernung. „Nach Feierabend fahren wir ab und zu zum Strand und schauen uns den Sonnenuntergang und unsere dort weidenden Rinder an. Das ist pure Erholung“, verraten uns Hauke und Thies Tramsen.
Gefragt nach ihren Zielen berichten die Brüder mit Blick auf eine Skizze, dass sie ein fest installiertes Klauenbad im Treibgang hinter dem Melkstand bauen wollen. Zuerst hatten sie verschiedene Angebote eingeholt und wollten ein fertiges Klauenbad kaufen. Doch der Wille zum Handwerk kam in ihnen durch: Sie können das auch individuell selbst und sogar zu geringeren Kosten bauen.
Die 300 Kuhplätze im Stall sollen aus eigener Nachzucht aufgefüllt werden, danach ist kein Wachstum angestrebt. „Wir möchten in Zukunft als Familienbetrieb wirtschaften und nicht auf Fremdarbeitskräfte angewiesen sein. So wie es läuft, läuft es gut“, erzählt Thies Tramsen. Sein Bruder ergänzt: „Ich wünsche mir leistungsfähige und langlebige Kühe und möchte die Milchleistung der Herde steigern.“