Hat das Exterieur einer Jungkuh Einfluss auf ihre Produktivität? Ja – das zeigt eine Studie aus den Niederlanden. Höher eingestufte Färsen benötigen im Durchschnitt weniger Zeit, um 100.000 kg Milch oder 10.000 kg Fett und Eiweiß zu produzieren, als niedrig eingestufte Färsen. Der Unterschied zwischen sehr niedrig und sehr hoch eingestuften Erstlaktierenden beträgt bis zu 354 Tage und damit mehr als eine Laktation.
Lebensleistungskühe aus Iden: Mutter Albe und ihre Tochter Almros haben beide jeweils über 10.000 kg Fett und Eiweiß produziert.
(Bildquelle: RinderAllianz )
Die Studie:
Die Studie wurde vom Rinderzuchtunternehmen CRV in den Niederlanden durchgeführt. Gerbrand van Burgsteden, Herdbuch-Geschäftsführer, hat untersucht, wie lange eine Kuh im Durchschnitt für die Produktion von 100.000 kg Milch oder 10.000 kg Fett und Eiweiß benötigt, ob es einen Zusammenhang zwischen Gesamtnote und Lebensleistung gibt und was die Einzelmerkmale hoher Lebensleistungskühe zeigen.
In dieser Studie wurden alle Holsteinkühe in den Niederlanden berücksichtigt, die zwischen Januar 2010 und Dezember 2019 die 100.000 kg Milch- oder 10.000 kg Fett und Eiweiß-Grenze überschritten haben und als Färsen eingestuft wurden. Diese Selektion ergab schließlich 12.421 100.000 kg-Kühe und 1.355 Kühe mit über 10.000 kg Fett und Eiweiß.
Höher eingestufte Färsen benötigen weniger Produktionstage
Vergleicht man also Färseneinstufung und spätere Lebensleistung, zeigen sich folgende Ergebnisse:
Die ausgewählten Kühe dieser Studie benötigten im Mittel 3.135 Tage, um den Meilenstein „100.000 kg Milch“ und 3.971 Tage, um den Meilenstein „10.000 kg Fett und Eiweiß“ zu erreichen.
Die späteren 100.000 Liter-Kühe erhielten als Färsen durchschnittlich 81,9 Punkte, die Zehntonner 82,4 Punkten. Die Euternote lag im Mittel bei 82,2 bzw. 82,8 Punkten.
Kühe, die als Färse mit 80 Punkten eingestuft wurden, erreichten 100.000 kg Milch im Schnitt nach 3.185 Tagen. Kühe mit einer Gesamtnote von 85 Punkten benötigten nur 3.050 Tage. Der Unterschied zwischen 76 Punkte- und 87 Punkte-Färsen lag im Mittel bei 323 Tagen, also mehr als einer Laktation.
10.000 kg Fett und Eiweiß erreichten Kühe, die als Färse mit 80 Punkten eingestuft wurden, im Mittel nach 4.023 Tagen. 85 Punkte-Färsen schafften das bereits nach 3.940 Tagen. Zwischen Kühen mit einer Färsen-Einstufung von 76 und 87 Punkten lag mit 354 Tagen ebenfalls mehr als eine Laktation.
Fazit: Anhand der Ergebnisse reduziert ein zusätzlicher Punkt in der Gesamtnote als Färse die Anzahl an benötigten Produktionstagen im Mittel um 25 Tage (100.000 kg Milch) bzw. 30 Tage (10.000 kg Fett und Eiweiß).
„Die Zahlen zeigen, dass eine höhere Einstufung nicht nur „schön“, sondern auch funktional ist. Natürlich ist das Exterieur nicht der einzige Schlüssel zum Erfolg, aber es trägt sicher entscheidend zur Nutzungsdauer und Lebensleistung bei“, sagt van Burgsteden.
Abbildung 1: Benötigte Produktionstage in Relation zur Färsen-Einstufung
Die Euterqualität ist ausschlaggebend!
Betrachtet man die Einzelmerkmale der eingestuften Färsen, fällt auf, dass sich spätere 100.000 Liter-Kühe besonders in den Euter- und Bewegungsmerkmalen als überdurchschnittlich gegenüber der Population ausweisen. Hoch und fest aufgehängte Euter mit starkem Zentralband und Strichen, die vor allem hinten tendenziell weiter innen platziert sind sowie parallel stehende Hinterbeine und eine gute Bewegung stellen demnach die Grundlage für eine hohe Lebensleistung.
Folgende Exterieur-Merkmalen erweisen sich als besonders wichtig:
Zentralband (stark)
Eutertiefe (hoch)
Hintereuterhöhe (hoch)
Vordereuteraufhängung (fest)
Strichplatzierung hinten (innen)
Hinterbeinstellung (parallel)
Bewegung (gut)
Die Körpermerkmale der untersuchten Färsen zeigen einen mittleren Rahmen und Jugendlichkeit. Dass Größe und Breite eine weniger wichtige Rolle spielen und spätere 100.000 Liter-Kühe häufig als durchschnittliche, mittelrahmige Färsen starten, hat bereits eine ähnliche niederländische Studie im Jahr 2001 ergeben.
Die Euterqualität (als Färse) hat großen Einfluss auf die Produktivität und Nutzungsdauer der Kühe.
(Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)
Immer häufiger und immer schneller 100.000 kg Milch
Ein Blick auf die letzten 30 Jahre zeigt, dass immer mehr niederländische Kühe immer schneller die Grenze von 100.000 kg Milch überschreiten. Im Jahr 1991 benötigten sie durchschnittlich 3.690 Tage, um 100.000 Liter Milch zu produzieren, in 2019 nur noch 3.071 Tage. Das ergibt einen Unterschied von über 500 Tagen bzw. rund anderthalb Jahren.
Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den Zehntonnern – in 2000 erreichten Kühe die 10.000 kg Fett und Eiweiß-Marke in 4.287 Tagen, im Jahr 2019 dagegen schon in 3.954 Tagen. Von 167 Kühen in 1991 auf rund 2.400 in 2019 ist auch die Anzahl an 100.000 kg-Kühen in den Niederlanden deutlich gewachsen.
Abbildung 2: Entwicklung der benötigten Produktionstage
Aktuell: Im Milchkontrolljahr 2019/2020 produzierten niederländische MLP-Kühe durchschnittlich 9.203 kg Milch mit 4,40% Fett und 3,60% Eiweiß. Die Lebensleistung ist gegenüber dem Vorjahr um fast 2.500 kg auf 34.000 kg Milch gestiegen. Damit haben niederländische Kühe zum zweiten Mal in Folge einen Lebensleistungsrekord erzielt. Die Zahlen stammen aus der jährlichen MLP-Statistik von CRV für das Geschäftsjahr 2018-2019.
Auch deutsche Milcherzeuger melken immer mehr Dauerleistungskühe. Auswertungen vom Bundesverband Rind und Schwein e.V. zeigen, dass es in 2019 knapp 900 mehr 100.000 kg-Kühe gab als im Vorjahr. Über 7.000 aktuell noch lebende Kühe haben die 100.000 kg Marke inzwischen überschritten.
Sowohl die LLG Iden (erste 200.000 kg-Kuh in Deutschland) als auch die Meutes GbR (rund 50 100.000 kg-Kühe seit 2005) beeindrucken durch hohe Leistungen und besonders viele alte Kühe. Die Erfolgsrezepte und die Bedeutung von Zucht in beiden Betrieben.
Rund 370 Kühe, über 13.000 kg Milch im Herdenschnitt und aktuell acht lebende 100.000 kg-Kühe im Stall von Familie Meutes in Rommersheim. Nicht nur die Leidenschaft für schöne Kühe, auch die Zucht auf funktionale, gesunde und leistungsstarke Kühe trägt zum Erfolg bei. Zudem sorgen exterieur- und leistungsstarke Färsen für gute Erlöse auf Zuchtviehauktionen.