Florian Pützer kurbelt, während der Fuß der Schwarzbunten langsam wieder Richtung Boden sinkt und die Gurte des Klauenpflegestands locker auf den Boden schwingen. Er öffnet das vordere Gitter und erleichtert läuft die alte, aber vollgefressene Kuh mit geradem Rücken zurück in die Gruppe. Florian notiert die Behandlung auf seiner abgegriffenen Liste aus Papier.
„Einmal im Monat übertrage ich die Diagnosen dann in unser Herdenmanagementprogramm. So bekomme ich alle Kühe automatisch zur Wiedervorstellung angezeigt“, erklärt der 21-Jährige, der seit Abschluss der Ausbildung die Klauenpflege übernimmt.
Hellenthal (Eifel, NRW)
90 Kühe plus Nachzucht
13.258 kg Milch, Abgangsleistung 78.300 kg
135 ha extensives Grünland
1,5 AK
Vater, Sohn und 90 Kühe
Alle 130 bis 140 Tage plus einmal zum Trockenstellen bitten Pützers ihre Kühe zur Pediküre. Heinzbert und sein Sohn Florian kümmern sich zu zweit um die etwa 90-köpfige Herde, die beeindruckende Zahlen aufweist: Derzeit 13.258 kg Herdenschnitt, 78.300 kg Abgangsleistung, schon 31 Hunderttausend-Liter-Kühe. Und das in einem Stall von 2001, mit Weidegang und bei (außer in Dürre-Jahren) ausschließlich grasbasierter Fütterung.
Die Kühe müssen fit auf den Beinen in die Laktation starten.
Heinzbert Pützer
„Uns ist wichtig, dass die Kühe fit auf den Beinen in die Laktation starten“, erklärt Heinzbert Pützer. Dieser Überzeugung ist er nicht nur, weil er seit elf Jahren automatisch melkt. Auch ein Erlebnis wenige Jahre nach Bezug des neuen Stalles hat ihn geprägt: „Damals war die Bodengestaltung nicht gut. Wir haben Gussasphalt eingebaut, weil der ursprüngliche Boden zu glatt war. Doch ohne Frostschutz wurde dieser schnell viel zu rau: Stehen und Gehen tat den Kühen weh, die Zellen gingen hoch, in einem Jahr habe ich bei damals 60 Kühen 150 Klötze geklebt. 2005 haben wir dann im gesamten Stall Gummimatten verlegt – da wurde es sofort viel besser.“
Das helfe auch heute, um langlebigere Kühe zu erhalten, ist Pützer überzeugt.
Roboterdaten und Kalbesensoren unterstützen im Herdenmanagement
Eine Lampe im Büro leuchtet auf, gleichzeitig vibriert Florians Handy. Rasch macht er sich auf den Weg zur Abkalbebox. Ein Blick ins tiefe Stroh, aber die rotbunte Kuh scheint ihr viertes Kalb ohne Hilfe zur Welt zu bringen. Beiläufig sammelt er die blaue Plastikspange auf, die er ihr rund zehn Tage vorher in die Scheide eingesetzt hatte. „Sobald der Sensor draußen ist, dauert es meist noch 30 Minuten, bis das Kalb tatsächlich da ist.“
Den Beginn der Kalbung binnen 24 Stunden hatte die Software ebenfalls gemeldet, was Pützers genutzt haben, die Kuh umzustallen. Eine lohnende Investition (sechs Stück mit Antenne für 2.000 €), findet Florian – „Wieder etwas, bei dem Sensoren uns unterstützen können.“
Am Ball bleiben mit den Daten des Roboters und ein Auge für die Kuh
Heinzbert Pützer
Wenn die beiden morgens in den Stall kommen, kontrollieren sie den Futtertisch, lassen einen ersten Blick über die Kühe schweifen und starten dann mit der Routine eines AMS-Betriebs: Liegeboxen machen, Kühe nachtreiben, Kälber füttern.
Eine intensive Datenkontrolle ist ein weiterer Baustein im Herdenmanagement der Pützers. Wiederkauen und Leitfähigkeit sind wichtige Parameter, mit denen Heinzbert Pützer seine Kühe kontrolliert. „Sobald das nachgibt, schaue ich mir die Kuh genau an. Man sieht ja, ob sie frisst oder nicht.“
Auch direkt nach der Kalbung müsse die Wiederkauaktivität ansteigen und hoch bleiben, findet Pützer. Klappt das nicht, treibt er die Kuh auf, bringt sie zum Fressgitter und versucht, sie zum Fressen zu animieren. Aus der Strohbox kommt eine Kuh erst dann heraus, wenn sie dynamisch wiederkaut.
„Wir machen bei den Kühen viel übers ‚Auge‘ – wie präsentiert sie sich, wie geht sie zum Roboter, … Man sieht einfach, wie sie dran sind“, versucht der ältere Mann sein gutes Gefühl fürs Tier irgendwie in Worte zu fassen. „Florian hat einen richtig guten Blick für die Füße“, lobt Heinzbert Pützer lieber schnell seinen Sohn, „wenn er eine Veränderung sieht, bringen wir diese Kuh so schnell wie möglich in den Klauenstand.“
Weidegang fürs Wohlbefinden und geringe Auslastung am Melkroboter
Im Sommer dürfen die Kühe tagsüber auf die Weide. Das kostet zwar etwas Milch, doch es tue ihnen gut, meint Heinzbert Pützer. Eine technische Lösung wie Selektionstore für die Weide gibt es nicht, denn die beiden Lely-Melkroboter (A4) laufen mit einer geringen Auslastung (24 % freie Zeit). „So müssen die Kühe nicht um die Melkbox kämpfen. Die Roboter könnten sicherlich mehr, aber der Stall ist voll.“
Die Auslastung unserer Roboter ist mit 24% freier Zeit gering – doch so müssen die Kühe nicht kämpfen, um zum Melken zu kommen.
Heinzbert Pützer
Zucht auf ausgeglichene Kühe
Pützers haben ein entspanntes Verhältnis zu Fruchtbarkeitskennzahlen, obwohl zum Beispiel die Zwischenkalbezeit mit 414 Tagen im Schnitt trotzdem gut passt. „Unsere Kühe werden nicht unbedingt sofort tragend, aber wenn sie ihre Milch geben, dürfen die auch einmal mehr besamt werden“, beschreibt Florian das Vorgehen. „Sie müssen alt werden und nicht in der ersten Laktation sofort durchstarten“, ergänzt sein Vater, auch wenn die Erstlaktierenden es durchaus auf 10.500 kg Milch bringen. Bei der Bullenauswahl achtet er schon lange auf Nutzungsdauer, auch Gesundheitsmerkmale wie die Mortellaro-Anfälligkeit sind ihm wichtig. Er mag ausgeglichene Bullen (nicht zu steile Beine, ansteigende Becken) mit guten Inhaltsstoffen und setzt auf genomische Vererber. Pützer nimmt seit Beginn bei Kuhvision teil und wählt Vererber nach Anpaarungsprogramm aus.
Circa 30 % der Kühe werden mit weißblauen Belgiern belegt. Heinzbert Pützer lächelt etwas gequält: „Das tut schon manchmal ein bisschen weh bei den guten Kühen, aber wir können sie nicht alle behalten.“
Futterernte vollkommen eigenmechanisiert
Derzeit ist noch etwas Mais in der Ration, weil die vergangenen Dürre-Sommer auch an den Wiesen der Eifel nicht spurlos vorbeigegangen sind. Ab Juli ist das zugekaufte Futter jedoch voraussichtlich aufgebraucht und die Ration besteht wieder wie gehabt aus Grassilage, Pressschnitzeln, Kraft- und Mineralfutter.
Alle melkenden Kühe erhalten die gleiche Ration, ausgelegt auf 26 kg Milch. Färsen bekommen bis zu 6 kg, Kühe bis zu 8 kg Kraftfutter zusätzlich am AMS. Um so viel Milch nur mit Gras zu melken, ist eine hohe Futteraufnahme nötig (ca. 21 kg am Trog). „Die müssen am Wiederkauen bleiben!“, ist Heinzbert Pützer überzeugt. Gefüttert wird abends und so, dass der Futtertisch nie ganz leer wird.
Grundration Frühjahr 2023
Melkende bekommen 15,5 kg 1. Schnitt, 10,0 kg 2. Schnitt, 7,0 kg Pressschnitzel, 6,5 kg Maissilage, 4,0 kg Biertreber, 1,7 kg Mais/Weizenmehl, 1,8 kg Eiweißfutter, 1,2 kg Heu geschnitten.
Trockensteher erhalten eine Ration aus Grassilage, Heu, Stroh, Pressschnitzel sowie Ausgleichsfutter.
Pützers „gönnen“ sich eine vollständige Eigenmechanisierung ihres Futterbaus, denn Heinzbert Pützer ist Schlagkraft wichtig: „Das Gras muss 24 Stunden nach dem Mähen unter der Folie sein!“ So besitzen sie sechs Trecker zwischen 80 und 165 PS, einen Radlader, mehrere Mähkombinationen, zwei Wender, zwei Schwader, zwei Ladewagen und eine eigene Presse samt Wickelgerät. Auch Gülle fahren sie selbst und greifen bei allen Außenarbeiten auf Aushilfen zurück.
Unsere Eigenmechanisierung ist genauso teuer, wie ein Lohnunternehmer wäre. Und ein ungünstiger Schnittzeitpunkt würde auch sofort mehrere Tausend Euro Kraftfutter kosten!
Florian Pützer
„Letztlich ist unser Fuhrpark genauso teuer, als würden wir einen Lohnunternehmer beauftragen. Die Maschinen laufen wenig und halten gut, damit haben wir einen hohen Wiederverkaufswert. Dazu kommt: Ein ungünstiger Schnittzeitpunkt, weil der Lohnunternehmer keine Zeit hat, kostet sofort Kraftfutter für mehrere Tausend Euro“, rechnet Florian Pützer vor.
Futtertischsanierung mit Industrie-Vinyl
Auch, wenn den beiden ein kompletter Stallneubau derzeit zu teuer ist, investieren sie stetig in ihre Gebäude. Neben Ventilatoren war es in den vergangenen Jahren auch eine Futtertischsanierung mit Industrie-Vinyl-Platten, die den Kühen gut getan hat. Die Platten seien zwar schnittempfindlich und ein Futterschieber müsse aus Gummi sein, doch man könne jede Platte einzeln wechseln und es gebe 25 Jahre Garantie, zählt Heinzbert Pützer die Vorteile des Materials auf. „Es war erstaunlich, wie viel vorher in den Lücken hing“, meint er, „das Futter erwärmt sich jetzt weniger.“
Als nächstes wollen die Betriebsleiter in eine neue Fahrsiloanlage investieren.
Ziel: Leistung halten, Kuhkomfort verbessern
Beiläufig berührt Florian Pützer einige Kühe, während er konzentriert vor den Liegeboxen entlangläuft. Er besucht derzeit die Fachschule und unterstützt seinen Vater nachmittags und am Wochenende. Beide könnten die tägliche Arbeit auch alleine wuppen, aber: „Für eine Person ist es viel. Es ist gut, wenn wir zu zweit sind.“
Durch die alten Gebäude und ohne Separation dauern viele Aufgaben länger. Feierabend ist dann, wenn alles erledigt ist. Das macht Heinzbert Pützer aber nichts aus. „Ich arbeite gerne in Ruhe meine Aufgaben ab und mag die Abwechslung im Umgang mit den Kühen. Durch die Roboter macht es nichts, wenn wir etwas früher oder später mit der Stallarbeit beginnen. Feste Uhrzeiten sind nicht so unsers“, sagt er und muss schmunzeln.
Dann wird er wieder ernst. „Natürlich träumen wir davon, eines Tages einen neuen Kuhstall bauen zu können: breitere Laufgänge, etwas breitere Liegeboxen, eine separate Abkalbe- und Strohbox, ein Klauenstand mit Tierseparation … Am allerwichtigsten ist uns aber, dass die Herde gesund bleibt. Dann kommt die Leistung von ganz allein!“
Ein Rundgang durch den Stall