In manchen Betrieben sind die Ausbildungsplätze bereits Jahre im Voraus besetzt, während andere Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Auszubildenden für das nächste Lehrjahr zu finden. Was sind die Gründe, die die Suche nach Auszubildenden so erschweren?
Kompakt:
Die Rekrutierung von Azubis ist kein Selbstläufer mehr. Betriebe müssen sich aktiv um Auszubildende bemühen.
Neben fairer Entlohnung und freien Wochenenden hat die Wertschätzung einen hohen Stellenwert bei den Azubis.
Betriebe, die früh Kontakt suchen und einen gepflegten Web-Auftritt haben, haben prinzipiell eine bessere Chance wahrgenommen zu werden.
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In manchen Betrieben sind die Ausbildungsplätze bereits Jahre im Voraus besetzt, während andere Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Auszubildenden für das nächste Lehrjahr zu finden. Was sind die Gründe, die die Suche nach Auszubildenden so erschweren?
Kompakt:
Die Rekrutierung von Azubis ist kein Selbstläufer mehr. Betriebe müssen sich aktiv um Auszubildende bemühen.
Neben fairer Entlohnung und freien Wochenenden hat die Wertschätzung einen hohen Stellenwert bei den Azubis.
Betriebe, die früh Kontakt suchen und einen gepflegten Web-Auftritt haben, haben prinzipiell eine bessere Chance wahrgenommen zu werden.
Harter Wettbewerb
Das Interesse an einer Ausbildung in der Landwirtschaft ist gering. Trotz durchschnittlicher Ausbildungsvergütungen im Vergleich zu anderen Branchen, wie z. B. im Handwerk, werden laut aktueller Statistik der Bundesagentur für Arbeit nur 2,8 % der Ausbildungsverträge in der Landwirtschaft neu abgeschlossen (Stand 2023). Es besteht also nicht nur ein Wettbewerb der landwirtschaftlichen Betriebe untereinander, sondern auch ein Wettbewerb mit anderen Branchen. Insbesondere abgelegene Höfe kämpfen zusätzlich mit infrastrukturellen Herausforderungen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Jugendlichen, die nach der Schule auf den Arbeitsmarkt drängen, stetig sinkt.
Gleichzeitig steigt der Wunsch, eine akademische Laufbahn einzuschlagen“, weiß Reimer Bülk, Ausbildungsberater bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH). Bei Arbeitszeiten und Arbeitsbelastung schneidet die Landwirtschaft vergleichsweise schlecht ab und schreckt potenzielle Auszubildende ab. Sie fordern zunehmend geregelte Arbeitszeiten, feste freie Wochenenden und mehr Urlaub. „Betriebe, die diese Trends frühzeitig erkennen und entsprechend reagieren, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil“, sagt Reimer Bülk.
Reimer Bülk
Ausbildungsberater bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein
Das fordern die Azubis
Auszubildende wollen längst nicht mehr nur als „billige Arbeitskraft“ gesehen werden. Für sie stehen Wertschätzung und Anerkennung seitens des Arbeitgebers im Mittelpunkt ihrer Erwartungen. Dem schließt sich auch die 23-jährige Johanna Eckstein an. Sie absolviert derzeit ein duales Studium in der Landwirtschaft. „Es ist wichtig, den Auszubildenden als wichtigen Mitarbeiter anzuerkennen. Verantwortung übertragen zu bekommen und Arbeitsbereiche selbstständig erledigen zu dürfen, hat einen sehr großen Mehrwert in der Ausbildung.“ Zudem sind Auszubildende auf der Suche nach Arbeitgebern, die Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung bieten.
Johanna Eckstein
Studentin
Sarina Petersen, Landwirtin aus dem schleswig-holsteinischen Bollingstedt, bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Schwiegervater einen Milchkuhbetrieb mit 200 Melkenden. Seit Mitte der 1960er-Jahre wird auf dem Hof der Familie Petersen ausgebildet. Die jahrelange Erfahrung ist ein Grund, warum junge Leute bei der Familie Petersen in die Lehre wollen. Zwei bis vier Auszubildende sind bei der Familie Petersen durchgängig beschäftigt. Aufgrund der Größe des Teams müssen die Auszubildenden nur jedes dritte Wochenende arbeiten. Außerdem hat die Familie Petersen den Vorteil, von den Auszubildenden wertvolle Impulse zu erhalten. „Sie bringen Wissen aus der Berufsschule oder aus früheren Ausbildungsbetrieben mit. Manchmal ist das auch eine kleine Hilfe gegen Betriebsblindheit“, erzählt Sarina Petersen. Sie stellt zusätzlich fest, dass sich die Auszubildenden mehr und mehr externe Wissensvermittlung wünschen: „Unsere Azubis können gerne Fortbildungen besuchen und auch einen Eigenbestandsbesamer-Kurs machen. Im Gegenzug erwarten wir aber, dass das Engagement stimmt.“
Sarina Petersen
Landwirtin
Doch Auszubildende sind längst nicht nur auf der Suche nach Betrieben, die nur eine angemessene Wertschätzung bieten, sondern auch Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung ermöglichen.
Sarina Petersen, Landwirtin aus dem schleswig-holsteinischen Bollingstedt, bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Schwiegervater einen Milchkuhbetrieb mit 200 Melkenden. Seit Mitte der 1960er Jahre wird auf dem Betrieb der Familie Petersen ausgebildet. Sarina Petersen stellt fest, dass sich die Auszubildenden im Laufe der Jahre mehr externe Wissensvermittlung wünschen „Unsere Azubis können gerne Fortbildungen besuchen und auch einen EBB-Kurs machen. Dafür muss aber auch das Engagement stimmen.“ Zwei bis vier Auszubildende sind auf dem Betrieb der Familie Petersen durchgängig beschäftigt. Das hat den Vorteil, dass man im besten Fall mit einem jungen, motivierten Team arbeitet und von den Auszubildenden gute Impulse bekommt. „Sie bringen Wissen aus der Berufsschule oder von vorherigen Ausbildungsbetrieben mit. Manchmal ist es auch eine kleine Hilfe gegen Betriebsblindheit“, erklärt Sarina Petersen.
Aufgaben wie die Pflege der Kälber eignen sich sehr gut, um den Auszubildenden Verantwortung zu übertragen.
(Bildquelle: Mühlinghaus)
Nicht nach „Schema F“ vorgehen
Die Ausbildungsbetriebe müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Ausbildung, die Landwirtschaft und die Ansprüche der jungen Generation in einem ständigen Wandel sind. Auszubildende wollen längst nicht nur nach dem alten Lehrplan lernen. Dr. Gernod Bilke, Referatsleiter der Abteilung Berufliche Bildung des Landesamtes für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung in Brandenburg (LELF) ergänzt: „Die Lehre muss abwechslungsreich sein.“ Die zunehmende Technisierung und Automatisierung ist längst in der Milchkuhhaltung angekommen und ermöglicht zusätzlich flexible und zukunftsorientierte Arbeitsmodelle. „Andere und neue Technologien stoßen auf großes Interesse bei den Azubis“, erklärt Dr. Gernod Bilke. Die Automatisierung birgt aber auch Risiken. „Die Auszubildenden werden in ihrer Ausbildung mit verschiedenen Techniken konfrontiert, die für alle Beteiligten neu sind. Es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis sich hier Standards in der Technik herauskristallisiert haben“, erklärt Reimer Bülk. Die Ausbilder sollten sich dessen bewusst sein und Verständnis haben, dass der Wissensstand hier bei vielen jungen Leuten noch gering ist.
Gernod Bilke
Referatsleiter der Abteilung Berufliche Bildung des Landesamtes für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung in Brandenburg
Früh für die Landwirtschaft begeistern
Um gut vorbereitet zu sein, empfiehlt es sich, frühzeitig den Kontakt zu Jugendlichen zu suchen. Die Nutzung von Social-Media-Plattformen wie Instagram und Facebook bietet die Möglichkeit, potenzielle Auszubildende gezielt anzusprechen und auf sich aufmerksam zu machen. „Die sozialen Medien bieten eine Fülle von Möglichkeiten“, so Reimer Bülk. Erfolgreiche Ausbildungsbetriebe nutzen die digitale Kommunikation, um junge Menschen dort abzuholen, wo sie sich aufhalten, und ihnen einen authentischen Einblick in den Betriebsalltag zu geben. Diese Erfahrung hat auch Sarina Petersen gemacht: „Wir haben für unseren Betrieb ein Instagram-Profil erstellt. Wir hoffen damit vor allem junge Leute anzusprechen, die dann vielleicht Lust haben, bei uns zu lernen.“ Dr. Gernod Bilke merkt an: „Neben den digitalen Kanälen ist auch der direkte Kontakt zu potenziellen Auszubildenden – zum Beispiel durch Schulbesuche, Exkursionen oder Tage der offenen Tür – ein effektiver Weg, um Auszubildende zu finden und zu gewinnen.“ Wenn es dann zum persönlichen Kennenlernen kommt, ist der erste Eindruck entscheidend. Er legt den Grundstein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Die 16-jährige Marie Althoff aus Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen ist im ersten Lehrjahr zur Landwirtin. Sie erzählt: „Der erste Eindruck des Ausbilders und die Erfahrungen ehemaliger Azubis waren für mich sehr wichtig.“
Mehrere Auszubildende in einem Team sind von Vorteil, da sie voneinander lernen und sich austauschen können.
(Bildquelle: Thiemann)
Azubis haben die Wahl
Festzuhalten ist, dass die Betriebe Zeit in die Rekrutierung neuer Auszubildender investieren müssen. Das Angebot ist höher als die Nachfrage und die Jugendlichen können sich ihren Ausbildungsbetrieb aussuchen. Wer frühzeitig aktiv wird, sich um die Auszubildenden bemüht und ihnen z. B. bei Arbeitszeiten entgegenkommt und auch etwas Geduld mitbringt, ist auf dem richtigen Weg, gute Auszubildende für sich zu gewinnen.