Ein Nachteil eines zwei- bis dreimal jährlich erfolgenden Herdenschnitts zur Routineklauenpflege ist, dass dabei nicht alle Kühe zum optimalen Zeitpunkt erwischt werden: Für einige Kühe kommt der Korrekturschnitt zu spät und für einige zu früh. Stellen sich die Klauenpfleger dabei nicht gekonnt auf jedes Einzeltier ein, können Lahmheiten auftreten, die es ohne die „Pflege“ vielleicht nicht gegeben hätte. Etwa wenn zu viel Horn abgetragen wurde. Dann kann eine Brunstaktivität kurz nach dem Termin reichen, um die Kuh lahm gehen zu lassen. Das kann vorkommen, muss aber nicht.
Tierarzt Falk Mühe ist überzeugt, dass es für die Klauengesundheit besser ist, die Routinepflege an den Laktationsphasen und damit am Bedarf jeder Kuh orientiert durchzuführen.
Die drei großen Vorteile
Falk Mühe sieht drei große Vorteile in einer am Laktationstag orientierten Routinekontrolle:
- Die Kühe bekommen ihren Korrekturschnitt, wenn sie ihn benötigen. Klauenerkrankungen können so besser vorgebeugt und früher erkannt werden.
- Die damit verbundenen, abhängig von der Herdengröße im 1- bis 6-Wochen-Rhythmus erfolgenden Termine mit kleineren Kuhzahlen erleichtern es, die Klauenpflege stressarm für Kühe und Menschen zu gestalten. Die nach einem Herdenschnitt oft typische Depression in der Milchleistung entfällt bzw. wird nicht an der Tankmilchmenge bemerkbar.
- Die monatlichen Termine samt Dokumentation erlauben es objektiv zu überblicken, wie sich die Klauengesundheit in einer Herde entwickelt. Das schärft das Bewusstsein für Lahmheit. „Die Akzeptanz von lahmen Kühen sinkt schnell bei den Landwirten, die mit uns ihre Klauenpflege umstellen”, berichtet Falk Mühe.
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Der richtige Zeitpunkt
Wie organisiert man eine laktationstags-abhängige Klauenpflege für eine Herde? Hier geht Falk Mühe zunächst von einem Oberziel aus. Dieses lautet, dass jede Kuh dreimal jährlich im Stand kontrolliert wird und hier bei Bedarf eine funktionelle Klauenpflege oder tierärztliche Behandlung erhält. Die sich danach ergebenden Termine pro Kuh und Jahr werden nach folgendem Grundsatz über die Laktation eingeteilt:
- Kein Stress um die Abkalbung herum!
Ein Termin findet daher kurz vor dem Trockenstellen statt. Der nächste nach der Frischabkalberphase und eine dritte Pflege dazwischen.
In seiner Praxistätigkeit vereinbart Falk Mühe Termine in einem Vier-bis-sechs-Wochen-Rhythmus mit den Kunden. Bei jedem Termin werden zusätzlich immer auch alle Kühe mit aktueller Lahmheit vorgestellt.
In einem Sechs-Wochen-Intervall würden sich demnach folgende Kühe aus einer Gesamtherde pro Termin ergeben:
- Lahme und sehr lahme Kühe und Färsen (Lahmheitsscore 2 und 3; eingestuft mithilfe der App „Locomotion Score“, die von der Universität Wisconsin entwickelt wurde).
- Alle Kühe vom 21. bis 63. Laktationstag (nach derFrischkalberphase).
- Alle Kühe vom 147. bis 189. Laktationstag (in derLaktationsmitte).
- Alle Kühe vom 220. bis 242. Trächtigkeitstag (vordem Trockenstellen).
- Kühe zwischen dem 273. und 315. Laktationstag, die weniger als 80 Tage tragend sind (späte Trächtigkeit).
- Sowie ggf. auch Färsen vom 219. bis 275. Trächtigkeitstag und damit im letzten Trächtigkeitsdrittel (vor Erstabkalbung).
Wichtig ist, dass die Kühe immer entsprechend der oben erläuterten Planung vorgestellt werden. Also auch, wenn sie zum anstehenden Termin im Stall im Bewegungsverhalten und Gangbild eigentlich absolut unauffällig sind. Dann werden die Klauen eben nur kontrolliert und die Hohlkehlung aufgefrischt. Das ist Prophylaxe!
Bei einer Herdengröße von beispielsweise 150 Kühen sind das etwa 30 Kühe pro Besuch (schwankend, je nach Verteilung der Abkalbungen). Diese Tierzahl passt zu der Empfehlung, dass ein Klauenpfleger nur eine begrenzte Kuhzahl pro Tag schneiden sollte. Sind es zu viele, steigt das Risiko von Fehlern aufgrund sinkender menschlicher Konzentrationsleistung.
Stressfreies Zu- und Abführen
Wohin im Stall die gefragten Kühe am Termin aus der Herde heraussortiert werden, planen Falk Mühe und seine Kollegen stets gemeinsam mit dem Landwirt in einem Vorbesuch auf dem Betrieb. Damit das Zuführen der Kühe zum Klauenstand möglichst ruhig und stressfrei ablaufen kann, arbeitet Falk Mühe gerne mit leichten Panel-Zaunelementen. Damit lassen sich einfach klare Wege einrichten, die die Kühe leiten, ohne dass diese groß überlegen müssten, wohin sie überall hin ausweichen könnten.
Kühe, die den Klauenstand fertig gepflegt verlassen, müssen direkt wieder Zugang zu Wasser, Futtertisch und Liegeboxen haben, also in den normalen Stallbereich zurückkehren können.
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Eine übersichtliche Dokumentation
Zu einem zeitgemäßen Management der Klauengesundheit gehört für das Klauenpflegeteam der Tierarztpraxis Ottersberg heute auch eine praktische und gut nutzbare Dokumentation. So notieren Falk Mühe und seine Kollegen sofort die Befunde von jeder Kuh, die sie kontrollieren, schneiden und behandeln, für jeden Fuß. Das geschieht über ein am Klauenpflegestand installiertes Tablet (Programm: dsp-Klaue).
So können sie dem Kunden sofort im Anschluss an den Termin eine Übersicht über ihre Leistung (Anzahl Kühe, Verbände, Klötze etc.) und den Zustand der Klauengesundheit geben. Zudem erhält der Milchkuhhalter eine Liste der Kühe, bei denen in drei Tagen die Verbände abzunehmen sind bzw. die zur Nachbehandlung anstehen.
Die erfassten Daten dienen auch der Nachvollziehbarkeit der Abrechnung sowie der Auswertung darüber, wie sich die Klauengesundheit beim Einzeltier und in der Herde entwickelt. Dass sie digital erfolgt, hat gegenüber Papier den großen Vorteil, dass sehr schnell auf die Daten zugegriffen werden kann.
Die Klauenbefunde sind in den Augen von Falk Mühe ein Puzzleteil für die ganzheitliche Beratung, die die Tierärzte in der Bestandsbetreuung leisten müssen. So bespricht er mit seinen Kunden auch die Einflüsse von Fütterung, Lüftung, Stallhygiene und ggf. Arbeitsabläufen auf die Klauengesundheit, und ist bestrebt, gemeinsam mit ihnen Ansätze zur Verbesserung zu entwickeln.
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Einen Klauenpfleger finden ist schwer
Für Milchkuhhalter, die sich für die an der Laktationsphase orientierten Routinepflege interessieren, kann es eine Herausforderung werden, einen Klauenpfleger zu finden, der sich auf dieses System einlässt.
Denn neben dem Mangel an professionellen Klauenpflegern seien die Termine mit wenigen Kühen pro Betrieb für die meisten Dienstleister bislang nicht besonders interessant. Gründe dafür dürften die – bei kleineren Herden im Verhältnis zur Arbeitszeit – lange Anfahrt sowie Zeit für die ordnungsgemäße Reinigung und Desinfektion von Klauenpflegestand und Werkzeugen/Utensilien sein.
Falk Mühe hofft hier auf ein Umdenken. Die stetig wachsenden durchschnittlichen Herdengrößen könnten dem entgegen kommen, denkt er.