In 2019 sind auf einigen Betrieben unabhängig voneinander Grassilagen des ersten Schnitts im Silo weggerutscht. Für die Glücklichen, die das noch nicht erlebt haben: Im Flachsilo schiebt sich das Silo einige Zeit nach dem Einsilieren nach links und rechts auseinander. Im schlechtesten Fall entsteht ein tiefer Riss über die gesamte Silolänge. In Fahrsilos rutscht die Silage nach vorne. Je nach Silohöhe kommt es zu Abbrüchen über mehrere Meter.
Derartige Fälle ziehen hohe Futterverluste nach sich und gefährden die Tiergesundheit. Denn es ist kaum möglich, alle Schimmelnester aus den Abbrüchen im Silo vor dem Füttern zu entfernen. Alles in allem ein teurer „Silierunfall“, den es zu verhindern gilt.
Die uns hierzu bekannten Silagen hatten einen Trockensubstanz (TS)-Gehalt von nur rund 27% – auf den ersten Eindruck sagt man: Zu wenig angewelkt! Doch in diesen Fällen sind mehrere Faktoren zusammengekommen. Wir haben uns bei Betroffenen und Experten für Silomanagement und Grasernte nach möglichen Parallelen in den Ursachen erkundigt.
Als Besonderheiten zur Ernte der besagten Silagen nannten die betroffenen Landwirte Folgendes:
- Ein sehr früher Schnitt. Überdurchschnittliche Energie- und Eiweißgehalte; unterdurchschnittliche Werte in den Faserfraktionen NDF und ADF. Klebriges Häckselgut deutete auf hohe Zuckergehalte hin.
- Das Ziel kürzerer theoretischer Häcksellängen (tHL) von 8 bis 10 mm bis 20 mm.
- Beides teils in Kombination mit einer schnellen Ernte (10 h, aufgrund von plötzlichem Regen) und dem Aufsilieren auf einen vorausgegangenen Schnitt bzw. einer flächenbedingt mehrtägigen Ernte.
- Alle Betriebe hatten nicht den Eindruck, dass das angewelkte Schnittgut erheblich zu nass war, also unter 30% TS lag. Beim Festfahren gab es keine Probleme, die Silagen gerieten erst nach oder während des Silierprozesses ins Rutschen.
Zu den Ursachen waren sich alle Befragten einig, dass es sich um eine unglückliche Verkettung mehrerer Faktoren handelte. Diskutiert wurden die Zusammenhänge wie folgt:
Kürzere Häcksellängen bei Grassilage, die hinsichtlich ihrer geringeren Selektierbarkeit in Mischrationen empfohlen werden, reichen bis zu einem extremen Minimum von 10 mm tHL bei Kompakt-TMR. 12 bis 40 mm tHL werden heute in klassischer TMR angestrebt.
Bei allem Bestreben darf aber nicht vergessen werden, dass es das angewelkte Schnittgut ist, das durch TS-Gehalt und Altersstruktur die Häcksellänge bestimmt!
- Das Optimum (Schnitt zu Beginn Ähren-/Rispenschieben mit 22% Rohfaser; Anwelken auf 30 bis 40% TS, 24 h-Stunden-Silage), bei dem kurze Häcksellängen leicht möglich sind, geht im Konflikt zwischen Witterung und Terminfindung selten auf. Schnell ist das Material zu jung, zu nass, zu alt und/oder zu trocken.
Über die passende Häcksellänge für eine gute Verdichtung und physikalische Stabilität im Silo bestimmen daher situationsbedingt immer noch die „alten“ Grundsätze:
- Je trockener und älter das Gras geschnitten wird, desto kürzer muss es gehäckselt werden (z.B. 40% TS, 25% XF, dann 10 mm tHL). Kurze Häcksellängen vergrößern den Saft- und Zuckeraustritt und erleichtern somit das Verdichten.
- Wiederum je nasser und je jünger, desto länger sollte die Häcksellänge gewählt werden (z.B. 28% TS, dann 20 mm tHL).
Neben dem Reduzieren des Saftaustritts geht es zudem um „Grip“: Sehr jungem Gras fehlt es durch den niedrigen Fasergehalt (kaum Lignin, hoch verdaulich) an Griffigkeit.
Um im Fall eines sehr jungen und nassen Materials dennoch Halt in das Silo zu bekommen, ist neben dem Einfahren in gleichmäßigen, dünnen, waagerechten Schichten, eine tHL von über 20 mm nötig. Längere Partikel in dünnen Lagen schaffen mehr Verbund als kurze, homogene Partikel.
Ein keilförmiges Einlagern in Drei-Seiten-Fahrsilos oder das Aufsilieren eines nassen Aufwuchses auf einen vorherigen Schnitt, kann ein Rutschen dagegen begünstigen. Gerade wenn Pausen beim Einfahren eintreten und intensiv weitergewalzt wird, entstehen leicht Schmierschichten. Die nächste Partie Gras kann sich nicht (genug) mit der unteren Schicht verhaken.
Fazit: TS-Gehalt und „Grip“ vom Material zu Beginn und während der Ernte einzuschätzen, ist ein Muss, um die Häcksellänge (und/oder Flächenfolge) anpassen zu können.
Da die Feldhäcksler zum Gras selten mit NIRS-Sensor ausgestattet sind (höherer Verschleiß der Linse), muss man sich auf das Gefühl verlassen. Das Häckselgut in der Faust zu pressen gibt Orientierung: Spürt man Saft zwischen den Fingern, liegt der TS im Bereich ≤30%. Erfahrene Häckslerfahrer verfügen über ein feines Gefühl für das Material – Vertrauen und Kommunikation sind hier angesagt.