Die eigenen Kennzahlen mit denen anderer Betriebe zu vergleichen, kann sehr nützlich sein. Es kann einen Motivationsschub auslösen, der den entscheidenen Anstoß gibt, Verbesserungen in Angriff zu nehmen. Denn keiner gehört gerne zu den schlechtesten 25 %.
Dabei muss es nicht immer nur der klassische betriebswirtschaftliche Vergleich mit Berufskollegen sein (Benchmarking). Mittlerweile gibt es einige Projekte, die gezielt auf der Produktionsebene „benchmarken“. Und das mit wenigen, aber dafür sehr aussagekräftigen Parametern. Der Vorteil ist, dass sich Ursachen für vorhandene Probleme viel direkter erkennen lassen. Damit kann es eine Option sein, die ökonomische Betriebszweigsauswertung zu vertiefen.
In kleinen Schritten zu mehr Erfolg
Wie eine solches produktionstechnisches Benchmarking funktionieren und welche Effekte es auslösen kann, zeigt beispielhaft eine neue Studie. Das Animal Welfare Program-Team um die Tierwohlexpertin Prof. Marina von Keyserlingk (Universität British Columbia), hat ein Benchmarking in der Kälberaufzucht durchgeführt (Atkinson et al. 2017). Insgesamt wurden 18 Milchviehbetriebe mit je über 100 Holstein-Kühen miteinander verglichen.
Untersucht wurde, wie erfolgreich die Kolostrumversorgung und die Tränkephase für die Kälber in den ausgewählten Betrieben über einen Zeitraum von sieben Wochen verlief. Dafür wurde jeweils nur ein „Indikator-Parameter“ erhoben:
- Als Indikator für den Erfolg der Kolostrumversorgung: Die totale Proteinkonzentration im Blutserum von Kälbern im Alter vom 1. bis 7. Lebenstag (LT).
- Und als Indikator für die Aufzucht bzw. Tränkestrategie: Die mittleren Tageszunahmen der Kälber im Alter vom 1. bis 70. Lebenstag.
Die totale Proteinkonzentration im Serum wurde mit einem digitalen Refraktometer gemessen. Als gescheitert wurde der entsprechend erforderliche passive Immuntransfer bewertet, wenn der Grenzwert 5,2 g/dl unterschritt (= Maßstab).
Das Körpergewicht wurde mit einem dafür vorgesehenen Maßband über den Brustumfang ermittelt. Daraus wurden die mittleren Tageszunahmen für die Aufzuchtphasen „früh“, 1. bis 35. Lebenstag, und „spät“, 35. bis 70. Lebenstag, berechnet.
Die Daten wurden von wissenschaftlichen Mitarbeitern/Studenten in den Kälberställen erfasst. Innerhalb von vier Wochen nach Abschluss der Datenerfassung wurde den Teilnehmern der Benchmark-Report durch ihren Hoftierarzt vorgestellt. Beteiligt waren an diesem Präsentationstermin immer der Betriebsinhaber, die Herdenmanager und das gesamte Personal in der Kälberaufzucht. Außerdem nahm je einer der Wissenschaftler daran teil.
Die wichtigsten Ergebnisse:
- Die Rate der gescheiterten passiven Immuntransfere (= schlechte Kolostrumversorgung) lag im Mittel bei 16%. Die Spanne reichte von 3% bis 39%.
- Die Tageszunahmen lagen im Mittel der Tränkephase und aller Betriebe bei 680 g/Tag und Kalb. Sie variierten zwischen 540 g und 880 g.
Die Betriebseigentümer und die Mitarbeiter durften, nachdem ihnen ihre Ergebnisse vorgestellt wurden, Fragen stellen. Der bestandsbetreuende Tierarzt sowie der anwesende Wissenschaftler lieferten entsprechende Informationen. Ob die Betriebe, ausgehend von ihrem Abschneiden im Benchmarking, etwas in ihrer Kälberaufzuchtstrategie verändern wollten, war ihnen freigestellt.
Und wer wollte sich verbessern?
Alle 18 Betriebe waren dazu bereit, rund ein Jahr später an einer zweiten Benchmarking-Runde teilzunehmen. Die Ergebnisse:
- 15 der 18 Betriebe (83%) haben nach der ersten Benchmarkingrunde von sich aus mindestens eine Maßnahme in der Kolostrumversorgung und/oder der Tränkestrategie verändert. Dazu gehörten bei der Kolostrumversorgung im Wesentlichen eine erhöhte Menge an Erstkolostrum, eine frühere Versorgung damit direkt nach der Geburt und das Testen der Kolostrumqualität. Bei der Strategie der weiterführenden Tränke wurden ebenfalls vor allem die Tränkemengen (zu Beginn und im Maximum) erhöht sowie ein schonenderes Abtränken eingeführt.
Das hat sich verändert:
- Die Rate der gescheiterten passiven Immuntransfers reduzierte sich bei den 11 Betrieben, die ihre Kolostrumversorgung optimierten, von 21% auf 11%.
- In der Tränkephase veränderten 10 Betriebe, ausgehend von ihrem Benchmark-Report, etwas in ihrer Strategie. Hier verbesserten sich die täglichen Zunahmen von 660 g auf 720 g. Der Anstieg der Zunahmen war dabei in der frühen Aufzuchtphase am größten (+130 g/Tag bei 35. LT).
- Bei den Betrieben, die nach dem ersten Benchmarking nichts verändert hatten, verbesserten sich die Leistungen in der zweiten Runde nicht!
Welche Rolle spielen die „Fremden“?
Im Vorfeld der Studie haben die Wissenschaftler vermutet, dass das Benchmarking einige Milchviehhalter dazu motivieren wird, ihre Strategien zu verbessern und damit auch ihre Ergebnisse. Diese Vermutung hat sich bestätigt. Eine wichtige Frage blieb jedoch offen: Welche Bedeutung kam der Anwesenheit der wissenschaftlichen Mitarbeiter auf den Betrieben für den Effekt des Benchmarkings zu?
Das Animal Welfare Team kann sich vorstellen, dass ihre Anwesenheit das Interesse und Management der Personen auf dem Betrieb mit beeinflusst hat. Vielleicht verändert es den Blickwinkel der Menschen auf dem Hof, wenn plötzliche über mehrere Tage fremde, neutrale Personen im eigenen Kälberstall Arbeiten durchführen? Vielleicht wird dadurch auch Druck aufgebaut, Dinge gründlicher zu machen? Oder etablierte Standards tatsächlich mal zu hinterfragen?
Wichtig zu erwähnen ist dazu, dass die 15 Betriebe, die nach dem ersten Durchgang etwas änderten, dies in Zusammenarbeit mit ihrem Tierarzt taten. Also wiederum mit einer neutralen, „außenstehenden“ Person.
Dass das Projektteam die Kennzahlen in den Kälberställen gemessen hat, hatte sicherlich auch einen Vorführeffekt. Es wurde vorgemacht, dass es nur ein geringer Aufwand ist, die Gewichte der Kälber mit dem Maßband zu erfassen oder stichprobenartig Blutproben zu ziehen. Alle Milcherzeuger waren sehr interessiert daran, ihre Daten zu bekommen. Daher besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie im Anschluss an die Studie, dazu übergegangen sind, selbstorganisiert diese Kennzahlen zu erfassen.
Wie in die Praxis umsetzen?
Das Prinzip Benchmarking eignet sich als Werkzeug, um Produktionsbereiche zu optimieren. Aber wie kann ein Milchviehbetrieb es unabhängig von derartigen Studien im Alltag nutzen? Regeln gibt es keine, verschiedenste Varianten sind möglich. Führt man sich die Überlegungen zum Einfluss von zusätzlich anwesenden „fremden“ Personen nochmal vor Augen, wird deutlich, dass es auch eine Typ-Frage ist.
Ob jemand eine Art Benchmarking erfolgreich umsetzen kann, hängt mit davon ab, ob man über genügend Selbstdisziplin verfügt oder eher „Gruppenzwang“ benötigt, um solche „Zusatzaufgaben“ anzugehen. Dann braucht es neutrale, „fremde“ Personen mit dem nötigen Fachwissen, die bei der Organisation, der Datenerfassung (siehe auch Kasten rechts), dem Vergleich, der Ursachenforschung und dem Umsetzen von Lösungen unterstützen. Ein paar Ideen:
- Sich an bereits organisierte Angebote, z.B. im Gesundheitsmonitoring, anschließen. Hier muss man sich über vorhandene Programme von Interesse informieren und einen Platz finden.
- Eine weitere Option könnte es sein, ein produktionstechnisches Benchmarking, als z.B. jährliches Projekt, im eigenen Arbeitskreis Milch einzuführen.
- Personen mit hoher Selbstdisziplin kommen stattdessen vielleicht auch mit einer Eigenkontrolle an anerkannten Richtwerten aus. Berater oder Tierärzte, mit denen der Betrieb zusammenarbeitet, könnten den Prozess durch Gespräche mit ihrem Wissen und ihrer Neutralität unterstützen.
K. Berkemeier