Embryonaler Frühtod

Warum bloß werden die Kühe nicht tragend?

Die Trächtigkeitsrate ging in den letzten Jahrzehnten jährlich um 0,5 bis 1 % zurück (USA und Großbritannien), wie verschiedene Studien zeigten. Ursache war nicht ein Rückgang der Befruchtungsrate, sondern der frühe Fruchttod.

Die Befruchtungsraten sollen – bei ordnungsgemäß durchgeführter Besamung und guter Spermaqualität – nahezu gleichbleibend bei 80 bis 90 % liegen. Bei 30 bis 40 % (!) der Kühe hingegen kommt es zum frühen Fruchttod innerhalb der ersten drei Wochen nach der Besamung.

Negative Energiebilanz ist schuld

Bei Kühen, die in den ersten Wochen nach der Geburt ein hohes Energiedefizit aufweisen, findet der erste Eisprung später statt als bei Tieren, bei denen die Energiebilanz ausgewogener ist. Aber warum ist das so? Das Geheimnis liegt in dem Hormon IGF-1 (Insuline-like Growth Factor 1) verborgen. Die Konzentration dieses Stoffwechselhormons bestimmt quasi den Zeitpunkt der ersten Ovulation.
IGF-1 wird in der Leber gebildet, und da die Leber als zentrales Stoffwechselorgan in den ersten Wochen nach der Kalbung wegen der Körperfettmobilisation besonders stark beansprucht ist, steht IGF-1 nicht jedem Tier in ausreichender Menge für die Reifung von Eiblasen zur Verfügung. Eine negative Energiebilanz hat aber auch negative Einflüsse auf die Eizellqualität. Schädlich wirkende Fettsäuren, die aus abgebautem Körperfett entstehen, lassen sich nicht nur im Blut, sondern auch in der Eiblasenflüssigkeit nachweisen!

Bei Hochleistungskühen erste Brunst auslassen

Eine Hochleistungskuh, die ohnehin ihr Zyklusgeschehen nach der Kalbung verspätet aufnimmt, lässt man ungerne „laufen“, wenn sie in Brunst ist. Aber gerade bei solchen Tieren fallen die Trächtigkeitsraten schlecht aus, da die Gebärmutterschleimhaut für die Aufnahme einer Frucht noch nicht ausreichend ausgebildet ist. Ein vor der Besamung ablaufender Zyklus mit anschließend gut ausgebildetem Gelbkörper (d.h. hohem Progesteronspiegel) ist dabei für die Regeneration der Gebärmutterschleimhaut sowie die optimale Reifung und Qualität der Eizelle verantwortlich. Zwar kann es auch mit Eizellen schlechter Qualität zur Befruchtung kommen, die sich daraus entwickelnde Frucht stirbt aber häufig ab.

Hoher Leberstoffwechsel mitverantwortlich

Ist die Milchleistung hoch, so läuft auch die Leber als zentrales Stoffwechselorgan auf Hochtouren. Ihre Durchblutung ist erhöht, damit werden dort nicht nur vermehrt Nährstoffe verstoffwechselt, sondern auch das Brunsthormon Östrogen und  das Trächtigkeit erhaltende Progesteron! Das tritt eine Lawine los: Ein niedriger Östrogenspiegel sorgt für undeutliche Brunstsymptome und eine kurze Brunstdauer. Da Östrogene aber auch die Reifung der Eiblase beeinflussen, weisen Kühe mit schwachen Brunstsymptomen auch eine geringe Trächtigkeitsrate auf. Weiter fördert Progesteron das Wachstum des Embryos in der frühen Phase der Trächtigkeit, so haben Kühe mit niedrigem Progesteronspiegel deutlich kleinere Embryonen. Das konnte in einer experimentellen Studie nachgewiesen werden.

Entzündungen spielen erhebliche Rolle

Bei entzündlichen Erkrankungen, z.B. des Euters und der Gebärmutter, werden vermehrt Prostaglandine freigesetzt, die zu einer Auflösung des Gelbkörpers und damit zum Abbruch der Trächtigkeit führen. Eine bakterielle Entzündung führt außerdem zur Bildung von Toxinen, die den Hormonhaushalt stören. Das erklärt auch, warum Kühe mit Gebärmutterentzündung häufiger Ovarzysten haben, als gesunde Tiere. Toxine werden genauso wie schädlich wirkende Fettsäuren in die Flüssigkeit der Eiblase eingelagert und schädigen die Eizelle.
Die energetisch bedarfsgerechte Fütterung einer Kuh um den Zeitpunkt der Geburt hat großen Einfluss auf ihre Reproduktionsleistung. In den letzten Jahren werden vermehrt Futtermittel mit Omega-3-Fettsäuren angeboten, die die entzündungsbedingte Ausschüttung von Prostaglandinen hemmt und damit einem frühen Fruchttod vorbeugen sollen.

Hormonprogramme sind kein Allheilmittel

Hormonprogramme erzielen bekanntermaßen schlechte Trächtigkeitsraten (30 bis 40 %) und sollten nicht zum generellen Einsatz und Lösen aller Probleme werden. Es lassen sich mit Progesterongaben (z.B. Spirale) höhere Trächtigkeitsraten von 10 % erreichen. Solch eine Behandlung macht Sinn bei Tieren mit Progesteronmangel, also bei Kühen mit hoher Milchleistung.

Empfehlung:

Grundsätzlich sollte möglichst früh eine Trächtigkeitsuntersuchung erfolgen (Ultraschall, denn bei manueller Untersuchung liegt die Fehlerquote bei ca. 15 %), um entsprechend reagieren zu können und um die Güstzeit nicht unnötig zu verlängern.
Quelle: Dr. Heinrich Bollwein. Bollwein, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover