Farmtour

Växa, Schweden! – Ein Land im Strukturwandel

Växa bedeutet auf schwedisch „Wachstum“. Und das trifft es ziemlich gut: Um die hohen Kosten in den Griff zu bekommen, fahren viele Schweden eine „High Input, High Output“-Strategie. In Zeiten steigender Kraftfutterpreise eine wagemutige Variante. Wir haben anlässlich des EDF-Kongresses vier schwedische Milchviehhalter besucht (inkl. Bildergalerie).

Die schwedische Milchwirtschaft konzentriert sich im südlichen Teil des Landes. Hier werden rund 73 % der ermolkenen Menge produziert. Die Bedingungen sind gut: 9,4 °C Durchschnittstemperatur lassen die Gegend beinahe norddeutsch anmuten, während rund 1.500 km weiter nördlich im Nordteil des Landes schattige -0,2 °C Jahresdurchschnittstemperatur Landwirtschaft nahezu unmöglich machen.
Arbeitskomfort ist den Schweden wichtig: Rund 40 % der Laufställe werden als Warmställe gebaut. Oft soll Automatisierung die Arbeit erleichtern. Weiter nördlich sind weite Wege und zerklüftete, kleine Flächen an der Tagesordnung. Hohe Tierwohl- und Qualitätsstandards verteuern die Produktion zusätzlich. Beispielsweise müssen GVO-freies Futter verfüttert und die Tiere im Sommer 4 (im Süden) bzw. 2 (im Norden) Monate auf die Weide getrieben werden. Es dürfen maximal 22 kg Phosphor je Hektar ausgebracht werden und Antibiotika der vierten Generation sind im Tierbereich verboten. In Schweden herrscht ein hohes Lohnniveau.
Haltungssysteme

(Bildquelle: Elite Magazin)

Daher war die Milchproduktion in den vergangenen Jahren in Schweden rückläufig. Viele Milcherzeuger überlegen, ob und wie sie den Betrieb in den kommenden Jahren aufstellen. Gab es bis ungefähr zum Jahr 2000 eine Quotenausnutzung von rund 100 %, lag diese 2012 erstmals unter 80 %. Allgemein liegt der Selbstversorgungsgrad an Lebensmitteln in Schweden lediglich bei etwa 50 %. Während in Deutschland in der Nachkriegszeit die flächendeckende Nahrungsmittelproduktion intensiv gefördert wurde, bestand in Schweden dazu keinerlei Notwendigkeit. Das Land hat 200 Jahre keinen Krieg geführt und konnte günstige Lebensmittels stets importieren.
So verwundert es nicht, dass die Produktionskosten je kg Milch bei durchschnittlich 44,1 Cent liegen. Während die besten 25 % der Milcherzeuger mit 34,7 ct/kg Milch auskommen, müssten die weniger erfolgreichen Betriebe bis zu 56,3 Cent erhalten, um wirtschaftlich Milch erzeugen zu können. 2012 lag der Milchpreis bei rund 37,7 Cent/kg Milch. Im Vergleich zu den EDF-Betrieben im Rest Europas bekommen die Schweden damit zwar ungefähr 3 Cent mehr. Die EDF-Betriebe aus anderen Ländern können jedoch derzeit den Liter Milch schon für 38,8 Cent produzieren.
Kostenvergleich

(Bildquelle: Elite Magazin)

Allein 21,4 ct/kg Milch sind Kosten für Arbeit, darum versucht man, die Lohnkosten durch höhere Effizienz zu verbessern. Viele Betriebsleiter investieren in Beratungskonzepte wie LEAN oder Farmboard. Diese Initiativen beinhalten einen mehrjährigen Beratungs- und Weiterbildungskanon und helfen dabei, Arbeitsroutinen zu verbessern und Standards zu installieren.
Das führt dazu, dass viele Milcherzeuger auf eine „High Input, High Output“-Strategie setzen. Hohe Herdenleistungen werden mit intensiven Ressourceneinsatz erreicht. Bis zu 17 kg Kraftfutter pro Tier und Tag sind da keine Seltenheit. Steigende Kraftfutterkosten treiben die Kosten zusätzlich in die Höhe.
Aber nicht nur Kraftfutter sorgt für hohe Leistungen. Durch intensive Betreuung herrscht eine gute Gesundheitssituation in den schwedischen Betrieben. Beliebte Rassen wie schwedische Rote sind robuster als Holsteins.
Milchleistung

(Bildquelle: Elite Magazin)

Die Leistungs- und Gesundheitsdaten einer jeden Herde werden in einem Gesundheitsmanagementsystem gesammelt. Diese Informationen kann der Tierhalter gezielt Beratern oder dem Tierarzt zur Verfügung stellen. So besteht eine enge Überwachung und die Möglichkeit, bei Problemen rasch zu reagieren. Die Zucht ist schon seit vielen Jahren vermehrt auf die funktionalen Merkmale ausgerichtet. Neben Leistungsinformationen fließen außerdem Eigenschaften wie Klauengesundheit, Langlebigkeit, Krankheitsanfälligkeit oder Temperament in den sogenannten Nordic Total Merit-Index (NTM) ein.
Verbesserungsbedarf besteht allerdings noch in der Nutzungsdauer der Tiere. Remontierungsraten von 40 % sind keine Seltenheit! Das liegt daran, dass es in Schweden so gut wie keinen Markt für Lebendvieh gibt. Die Schlachtpreise sind gut und den Tierarzt rufen extrem teuer.
Zellzahlen

(Bildquelle: Elite Magazin)

Los geht's zum Betriebsbesuch!