Molkereikongress 2013

„Umdenken, sonst verpassen wir den Anschluss!“

Die Herausforderungen, mit denen sich die Molkereibranche konfrontiert sieht, sind nicht neu – konkrete Antworten und Lösungsvorschläge sind in vielen Unternehmen aber immer noch nicht vorhanden. Eindrücke vom deutschen Molkereikongress 2013 aus Wiesbaden.

"Setzen Sie nicht weiter auf Volumen, das ist der falsche Weg“, mit diesen Worten rüttelte gleich zu Beginn der Veranstaltung Steven Brechelmacher, Marketing Manger Mopro bei der GfK, die anwesenden Molkereivertreter auf. In Deutschland gebe es immer weniger Haushalte mit Kindern (nur noch 23 %), die aber sorgen für den Volumenumsatz bei Frischeprodukten. Hinzu kommt, dass mittlerweile fast alle Verbraucher (95 %) beim Discounter einkaufen, jeder zweite sogar regelmäßig. Deutschland ist ein Discount-Land!
Zudem verwies der Marktforscher auf die veränderte Lebensweise und das sich ändernde Ernährungsverhalten (immer unterwegs). Dies habe dazu geführt, dass immer weniger Milchprodukte konsumiert werden: Seit dem Jahr 2004 ist ein 15 %iger Rückgang zu beobachten (von 157,5 kg in 2004 auf 133,5 kg/Person/Jahr in 2012; weiße Linie). Hätten früher viele Menschen einfach mal so ein Glas Milch getrunken, griffen die meisten heute zum Fruchtsaft oder anderen Mischgetränken. Für den „Einbruch“ des Milchkonsums sei aber auch die Branche in gewisser Weise selbst verantwortlich, so sei mit Wegfall der CMA auch die Werbung für den Milchkonsum eingestellt worden. Die CMA hatte zur besten TV-Sendezeit Spots vor der Sportschau („die Milch macht’s“) ausstrahlen lassen.

Laktosefrei und Bio auf der Überholspur

Weiterhin deutlich auf der Überholspur sind die Bio- und laktosefreien Milchprodukte. In 2012 haben 41,9 % der deutschen Konsumenten Biomilchprodukte gekauft. Die Biokäufer sitzen vor allem im Süden. Unter dem Strich nehmen Bioprodukte bei der weißen Linie mit einem Marktanteil von 5,4 % aber immer noch Nische ein.
Kräftig im Aufwind sind laktosefreie Produkte. In den letzten drei Jahren hat sich die Tonnage ebenso wie die Anzahl der Käuferhaushalte verdoppelt. Seit 2004 hat sich die Käuferzahl nahezu verdoppelt. In 2012 haben 7.075 Haushalte 101.451 Tonnen laktosefreie Milchprodukte im Wert von 122.306 € abgenommen.
Zu den Wachstumssegmenten gehören auch die Mischfette (Kergarden und Kerrygold extra). Trotz im Vergleich zu Butter doppelt so hohem Preis greifen hier bereits 30 % aller Haushalte zu. Der Marktanteil dieser Streichfette liegt bereits bei 8 % (Butter).
Eine hohe Wertschöpfung lässt sich nach Aussage Brechelmachers auch bei Convenience-Produkten (Käsesnacks, Mozarella) realisieren. Hier scheint der Verbraucher nicht auf den Preis zu achten.

Risikomanagement: Fluch oder Segen?

Sascha Siegel, Eurex Frankfurt AG, verwies auf die Möglichkeiten der Preisabsicherung an der Börse, die seit 2010 möglich sei. Dass die deutschen Molkereien diese Möglichkeit des Risikomanagements bislang kaum nutzen, begründete er mit fehlendem Verständnis und nicht vorhandenem Know-How in den Unternehmen. Was passiert, wenn man sich verspekuliert oder falsch liegt, zeigt das Besipiel Omira. Die schwäbische Molkerei hat nach Angaben mehrerer Branchenvertreter angeblich größere Mengen Pulver zu niedrig abgesichert. Obwohl die Pulverpreise angezogen haben, muss Omira auch weiterhin günstig verkaufen. Ergebnis: Der Milchpreis bleibt im Keller, jetzt besteht sogar die Gefahr, dass das Unternehmen zerbricht! Etwa ein Drittel der Rohstoffmenge soll gekündigt worden sein.

Bauernverband fordert DMK zu weiterem Wachstum auf

Wie bei jedem Branchentreffen wurden natürlich auch diesmal wieder intensiv die Auswirkungen des Auslaufens der Milchquote in 2015 auf die Rohstoffmenge diskutiert. Der deutsche Branchenprimus DMK erwartet in der EU bis zum Jahr 2021 rund18 Mrd. kg mehr Milch, für das eigene Unternehmen aber nur + 1% mehr. Bei Arla schätzt man den Milchanstieg etwas vorsichtiger ein, hier erwartet man nur eine Zunahme von 10 Mrd. kg Milch, 1,4 Mrd. davon würden im eigenen Unternehmen landen. Einig waren sich die Molkereimanager darin, dass die zusätzlich erzeugte Milch exportiert werden müsse.
Neue Unternehmensstrategien wusste oder wollte DMK-Direktor (Logistik/Einkauf) Sönke Voss nicht zu vermelden, vielmehr verwies er auf die fortschreitende Konsolidierung des Unternehmens, die in den kommenden Jahren überdurchschnittliche Milchpreise erlauben soll. Weitere Wachstumsschritte wollte er zwar nicht ausschließen, es scheint aber so, als würde man beim DMK derzeit keine Übernahmegespräche führen zu wollen – und das, obwohl Milchpräsident Udo Folgart in seinem Vortrag eindringlich darauf hinwies, dass man sich beim Bauernverband eine genossenschaftlich organisierte Molkerei wünsche, die mindestens 40 % der in Deutschland produzierten Milch erfasse.

„Umdenken, sonst verpassen wir den Anschluss!“

Mehrere Unternehmensberater legten den anwesenden Molkereimanagern eindrücklich nahe, nicht nur auf Größe und Volumen zu setzen, sondern starke Marken aufzubauen. „Solange ich mengengetrieben bin, sage ich am Ende immer, ja, ja, ja …“, erklärte Thomas Capune, CSP Consultans. Wer nicht investiert, sich auf Jammern über den „ach so bösen Handel“ verlege, der verlerne letztlich die Kunst des Nein-Sagens. (Nein sagen, das wolle man künftig öfter mal tun, erklärte Arla Geschäftsführer Tim Ørting Jørgensen. Sobald im Sommer der neue Pulverturm im Pronsfeld in Betrieb gehe, könne man größere Rohstoffmengen auch mal verschieben.)
In Folge einer mangelnden Differenzierung würden dann die Unternehmsmarken bestenfalls zu B-Marke abgestuft, wenn sie nicht sogar ganz austauschbar würden. Die Folgen einer derartigen Unternehmenspolitik kann sich jeder leicht ausmalen. Molkereien sollten Deckungsbeitrags schwache Produkte auslisten und mehr Geld in Forschung und Innnovationen stecken.
Starke Marken seien aber nötig, denn kein Mensch brauche heute so viel Joghurts, Milchmarken und Milcherzeugnisse, wie sie in den oftmals 30 bis 60 m langen Kühltheken angeboten werden. „Der moderne Konsument ist misstrauisch und optisch anspruchsvoll, er möchte, dass das Produkt ihn anplaudert und ehrenwerte Absichten hat“, weiss Peter Maesching, Design for Buisiness Markengestaltung.

Regional und nachhaltig

Zwei Begriffe, die derzeit auch immer wieder für Schlagzeilen sorgen, sind Regionalität und Nachhaltigkeit. Noch ist unklar, ob nachhaltige Produktionskonzepte monetär erfolgreich sind, aber anscheinend führt daran kein Weg mehr vorbei, denn Regionalität und Nachhaltigkeit sind beim Verbraucher ein wesentlicher Entscheidungsfaktor. Dass man dieses Thema ernst nehmen muss, darauf verwies Dr. Johannes Simons von der Universität Bonn. So wüssten beispielsweise nach eigenen Angaben nur wenige Verbraucher (12 %)  über die Tierhaltung in Deutschland Bescheid, 78 % seien aber der Meinung dass der Tierschutz verbesserungsbedürftig sei,

Während Bio per se nachhaltige Produktion beinhaltet, müssen konventionell produzierende Molkereiunternehmen noch daran arbeiten. Dass man dazu einen langen Atem benötigt und dass dies nicht immer einfach ist, davon wusste Christa Langen von Beemester-Cono Kaasmakers zu berichten. Die in den niederländischen Poldern gelegene Molkerei setzt bereits seit dem Jahr 2008 mit dem Konzept Caring Dairy auf eine nachhaltige Milchproduktion. Das implementiert, dass die Kühe Weidegang haben und der Käse in natürlich handwerklicher Art hergestellt wird. Vermarktet wird der Käse unter anderem in den deutschen HIT-Supermärkten. Laut Langen sei es gar nicht so einfch die Milcherzeuger von den zusätzlichen Auflagen zu überzeugen, obwohl diese einen Zuschlag von 1,25 Cent pro Liter erhielten. Ohne konkrete Nachweise (Dairy Caring-Betriebe müssen u.a. 2 x jährlich einen Kuhkompass erstellen) leide die Glaubwürdigkeit.