Tierschutz: Eigenkontrollen sind jetzt Pflicht

Seit einiger Zeit ist das neue Tierschutzgesetz in Kraft. Milchviehhalter sind verpflichtet, Eigenkontrollen zum Thema Tierschutz durchzuführen. Doch bisher gibt es dazu keinerlei Vorgaben – wie geht es jetzt weiter?

Dr. Jörg Fritzemeier leitet das Veterinäramt in Osnabrück und hat Verständnis dafür, dass manche Landwirte beim Thema Tierschutz genervt die Augen verdrehen. Einseitig recherchierte Medienberichte, Horrorbilder im Fernsehen und Anschuldigungen durch Tierschützer machen es bemühten Milcherzeugern nicht leicht, sich aktiv und selbstkritisch mit dem Tierschutz auseinanderzusetzen. Das neu überarbeitete Tierschutzgesetz verpflichtet sie nun dazu: Tierhalter müssen regelmäßig betriebliche Eigenkontrollen durchführen. Bisher wissen jedoch weder Veterinärbehörden noch Landwirte, was genau das bedeutet. Dr. Jörg Fritzemeier hat uns im Rahmen des Fachforums Rind in Oldenburg aufgeklärt.

Warum sind die bestehenden Regeln nicht mehr gut genug? Werden die Tiere empfindlicher?

Das nicht. Aber welche Regeln in ein Gesetz gegossen werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Nicht nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse wandeln sich, auch die öffentliche Meinung fließt in die Diskussion mit ein. In einer Wohlstandsgesellschaft, in der viele Menschen keinen direkten Kontakt mehr zur Landwirtschaft und gleichzeitig eine enge Beziehung zum Haustier haben, kommt der Art und Weise der Nutztierhaltung eine größere Bedeutung zu. Das zeigt sich eben auch in den Gesetzen – Politiker nehmen Rücksicht auf die Äußerungen.

Woher kommen die Kriterien, die ich demnächst befolgen muss?

Die Tierhalter müssen laut Gesetz regelmäßig betriebliche Eigenkontrollen zum Tierschutz durchführen und diese bei einer Kontrolle dem Veterinäramt vorlegen. Dazu benötigen beide Seiten einheitliche Kriterien oder eine Checkliste. Da es solche Kriterien oder auch „Tierwohlindikatoren“ noch nicht gibt, haben die Bundesländer Ausschüsse ins Leben gerufen, die sich um die Erarbeitung dieser Indikatoren kümmern.
In Niedersachsen gibt es den „Tierschutzplan Niedersachsen“. Mitglieder aus Landwirtschaft, Tierschutzorganisationen, Wissenschaft, Wirtschaft und Kirche diskutieren gemeinsam die Bedingungen in der modernen Nutzierhaltung. Ziel ist es, Empfehlungen für gesellschaftlich akzeptierte und vom Tierhalter leistbare Haltungsbedingungen zu entwickeln. Sie sollen Tierwohl belegbar sicherstellen und das Verbrauchervertrauen stärken.
„Wir möchten keine Bedingungen diktieren, sondern herausfinden, wie die Besten arbeiten und davon Empfehlungen ableiten“, sagt Dr. Fritzemeier vom Veterinärarmt Osnabrück. Bis jedoch endgültig Ergebnisse vorliegen, wird es noch mehrere Jahre dauern.

Wie werde ich dem Gesetz gerecht, obwohl es noch keine Vorgaben gibt?

Das Gesetz gilt trotzdem. Milchviehhalter sind bis zur Einführung von Vorgaben zur Eigenkontrolle auf der sicheren Seite, wenn sie die Gesundheitsdaten ihrer Herde aufschreiben. Dokumentieren Sie, welche Schlüsse Sie aus den Auswertungen ziehen. Wichtig ist, dass ein systematisches Vorgehen erkennbar wird.
Es eignen sich Analysen wie diese: Wie viele Kälber kommen auf meinem Betrieb tot zur Welt? Wie hoch sind die Kälberverluste, wie viele Kühe gehen in den ersten 100 Tagen „unfreiwillig“ ab? Wie viele Tiere sind lahm, wie viele zeigen Liegebeulen oder dicke Sprunggelenke? Auswertungen aus einem Herdenmanagementprogramm bilden eine gute Grundlage. Zusätzlich sollten Sie jedoch aufschreiben, was Sie aufgrund der Zahlen verändern möchten, z.B. einen Beratungstermin beim Tierarzt vereinbaren oder die Liegeboxenpflege überprüfen. Langfristig sollen Daten genutzt werden, die ohnehin erhoben werden (MLP, Schlachtbefunde o.ä.), damit der zusätzliche Dokumentationsaufwand überschaubar bleibt.
Beim Milchvieh werden zumindest in Niedersachsen die Tierschutzindikatoren voraussichtlich in diesen Bereichen entwickelt:
  • Lebenszeit und Gesamtvitalität – weniger Kühe sollten vorzeitig abgehen, mehr Zucht auf Nutzungsdauer
  • Ausstieg aus der Anbindehaltung und Einrichtung von Laufhöfen
  • Enthornen – Enthornung unter Schmerzminimierung, verstärkt auf Hornlosigkeit
  • Kälberverluste senken – Krankheiten vermindern, Behandlung der Bullenkälber sicherstellen

  • Lebenszeit und Gesamtvitalität – weniger Kühe sollten vorzeitig abgehen, mehr Zucht auf Nutzungsdauer
  • Ausstieg aus der Anbindehaltung und Einrichtung von Laufhöfen
  • Enthornen – Enthornung unter Schmerzminimierung, verstärkt auf Hornlosigkeit
  • Kälberverluste senken – Krankheiten vermindern, Behandlung der Bullenkälber sicherstellen

Was geschieht bei einer Kontrolle?

„Wir können nichts prüfen, wofür es keine Vorgaben gibt. Man sollte jedoch zeigen können, dass man sich zu diesem Thema Gedanken gemacht hat“, erklärt Dr. Fritzemeier vom Veterinäramt Osnabrück. Bisher fanden Kontrollen in Sachen Tierschutz vornehmlich im Rahmen von Cross Compliance statt oder wenn eine Anzeige vorlag. Künftig soll vermehrt risikoorientiert kontrolliert werden. Das bedeutet, dass jene Tierhalter öfter Besuch vom Amtsveterinär bekommen, bei denen ein höheres Risiko für Tierschutzprobleme besteht (z.B. bei Anbindehaltung). Grundlage ist § 2 des Tierschutzgesetzes (gekürzt): Wer ein Tier hält, muss es seinen Bedürfnissen entsprechend ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. 
Das Veterinäramt kontrolliert die Eigenkontrolle. Bei einem Vergehen sind sie befugt, zu beraten, Geldbußen zu verhängen oder schlussendlich ein Haltungsverbot auszusprechen.

Fazit

Milchviehhalter sollten sich in Sachen Tierschutz auf folgende Dinge einstellen:
  • Betriebliche Eigenkontrolle
  • Umsetzung der Konzepte und Ergebnisse des niedersächsischen Tierschutzplans (sofern sie in Niedersachsen leben)
  • Risikoorientierte Kontrollen
  • Interesse der Öffentlichkeit an der Nutztierhaltung und Ernährungsthemen

  • Betriebliche Eigenkontrolle
  • Umsetzung der Konzepte und Ergebnisse des niedersächsischen Tierschutzplans (sofern sie in Niedersachsen leben)
  • Risikoorientierte Kontrollen
  • Interesse der Öffentlichkeit an der Nutztierhaltung und Ernährungsthemen

Amtsveterinär Dr.  Jörg Fritzemeier appelliert: „Bitte verschließen Sie sich nicht dem Wandel. Sie dürfen kritisch sein, aber arbeiten und gestalten Sie konstruktiv mit. Gemeinsam kann man mehr erreichen als gegeneinander.“