Berliner Milchforum 2016

Ohne reduziertes Milchaufkommen kein Ende der Krise

Kein Nachfrageschub in Sicht, dafür aber milchreiche Monate. Auf dem Berliner Milchforums 2016 wurde klar, dass die Lage ernst bleibt. Die Angebotsmenge zu senken und die Ansprüche der Verbraucher wahrzunehmen, sind Reaktionen die diskutiert wurden.

Das die Marktlage auch in den nächsten Monaten schwierig bleiben wird, darauf verwies der stellvertretende Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Hans Holtorf, auf dem Berliner Milchforum 2016. Ihm zufolge kommen die milchreichen Monate in Europa erst noch. Deshalb sei vorerst weder in der EU noch am Weltmilchmarkt mit einer deutlichen Verringerung des Rohstoff-Angebots zu rechnen.
Problematisch aus Sicht der Erzeuger ist, dass viele Molkereien ihre stillen Reserven inzwischen aufgebraucht haben, voraussichtlich kommen sie deshalb an teilweise starken Einschnitten bei der Auszahlungsleistung nicht vorbei. Der stellvertretende MIV-Vorsitzende hält bei einzelnen Molkereien bis zur Jahresmitte einen Rückgang der Auszahlungspreise auf Interventionsniveau für möglich. Ob daher der Durchschnittspreis des Vorjahres von rund 29 Cent/kg bei 4,0 % Fett auch in diesem Jahr wieder erreicht werden kann, bleibt abzuwarten.
Insbesondere zwei Handlungsstrategien wurden diskutiert, um einen Weg aus der Krise zu finden:

1. Angebot senken

Da kurzfristig nicht von einem deutlichen (weltweiten) Nachfrageschub auszugehen ist,  besteht derzeit allein über eine Angebotssenkung die Chance den Milchmarkt wieder zu stabilisieren. Diese sollte aber aus einzelbetrieblichen Entscheidungen resultieren: Staatlichen Eingriffen und einer durch die Molkereien finanzierten Prämien für Lieferverzicht erteilte der MIV-Vize eine klare Absage. Das Beispiel einer niederländischen Molkerei (FrieslandCampina) habe zu Jahresbeginn gezeigt, dass solche Modelle sehr teuer und von begrenzter Wirksamkeit seien.
Als ebenfalls wenig zielführend bezeichnete der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Udo Folgrat, die Ausschüttung von Boni für Milcherzeuger, die ganz aus der Produktion gehen ("Abwrackprämie"). Wie am Beispiel USA abzulesen ist, würden solche (Schlacht)Prämien nur kurzfristig die Milchmenge sinken lassen, bei steigenden Milchpreisen seien die Kuhbestände aber innerhalb kürzester Zeit wieder aufgestockt worden. Zudem seien negative Folgen für den Fleischmarkt nicht auszuschließen, warnte Folgart. Er und Holtorf halten deshalb die Reduzierung der Produktionskosten, politische Erleichterungen sowie die Erschließung neuer Absatzwege für die probaten Mittel zur Marktstabilisierung.

2. Intervention fortsetzen

Holtorf bezeichnete das im Spätsommer 2015 in Brüssel auf den Weg gebrachte Liquiditätshilfeprogramm in Höhe von 420 Mio. Euro im Vergleich zu früheren Zahlungen in ähnlichen Krisensituationen als „Tropfen auf den heißen Stein“. Die rege genutzten Interventionsankäufe von Milchpulver und insbesondere die Erklärung der Kommission, die Ankäufe auch über die bestehenden Mengenschwellen hinaus vorzunehmen, sind dagegen nach seiner Überzeugung wichtige Beiträge zur Marktberuhigung. Nicht ausschließen will der stellvertretende MIV-Vorsitzende aber, dass die schlechten Milchpreise viele Milcherzeuger zum Nachdenken über den Verbleib in der Produktion anregen werden. In diesem Zusammenhang stellte er fest, dass die wirtschaftlichen Zwänge bisher kaum zu einer Verringerung der Kuhzahlen oder der Produktion beigetragen hätten.

Mehr Kooperation in der Wertschöpfungskette notwendig

Beim Weg aus der Krise empfehlen Marktexperten den Milcherzeugern auf mehr Kooperationen in der Wertschöpfungskette zu setzen:
  • Wettbewerbsrecht mehr nutzen: DBV-Vizepräsident Udo Folgart erwartet von den Molkereien, dass sie bei den Preisverhandlungen gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel stärker die Interessen der Milcherzeuger vertreten. Zudem müssten die Molkereien sich mehr bemühen, die Wertschöpfungspotentiale des EU-Binnenmarktes zu nutzen und noch stärker als bisher die Exportmärkte ins Visier zu nehmen. Zudem brauche man einen Handel, der seine Marktmacht nicht missbrauche, betonte Folgart. Es könne nicht angehen, dass einerseits Nachhaltigkeit gefordert werde und andererseits die Milchviehbetriebe durch den Preiskampf in den Ruin getrieben würden.
  • Mehr Transparenz, um Wertschätzung zurück zugewinnen: Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke riet der Landwirtschaft zu mehr Transparenz. „Die Entfernung der Verbraucher von der landwirtschaftlichen Erzeugung“ sei bedenklich. Der Berufsstand müsse den Verbrauchern daher zeigen, was er leiste und welche wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf ihn einwirkten. Auf der anderen Seite müsse dem Verbraucher aber auch klar werden, dass er mit seiner Kaufentscheidung darüber entscheide, wie viel der Landwirt für Tierwohl tun könne.
  • Handel darf Nachhaltigkeitsdebatte nicht ausnutzen: Der Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Günther Felßner bewertete die Nachhaltigkeitsdebatte sehr kritisch. Man brauche mehr Ideen als „irgendwelche Nachhaltigkeitstools mit ellenlangen Listen“. Nachhaltigkeit sei mehr als nur Produktwerbung und ein Verkaufsargument. Dem Handel warf Felßner daher vor, Nachhaltigkeitskonzepte zu fordern, aber den Hauptumsatz mit billigen Produkten zu machen.
  • Realistisches Bild schaffen: Nach Ansicht von Christian Schramm vom Molkereiunternehmen Zott müsse die Milchproduktion wieder ein echtes Gesicht bekommen. Sein Unternehmen werbe seit Jahren nicht mehr mit gehörnten Kühen. Man werbe allgemein mit dem Produkt und nicht mehr mit der Landwirtschaft.
  • Umweltprobleme im Sektor ernst nehmen: Für Prof. Friedhelm Taube von der Universität Kiel stellt die Prämie des Cross Compliance seit dem Jahr 2008 die Inwertsetzung der höheren Anforderungen dar. Der Agrarwissenschaftler erinnerte daran, dass die Prämie für die Einhaltung von Umweltstandards gezahlt werde. Dennoch habe man bisher die Zielwerte im Umweltbereich nicht erreicht. Der Berufsstand könne nicht von sich behaupten, dass er per se nachhaltig sei, solange die Umweltflanke offen sei.
  • Offen sein für die Ansprüche der Verbraucher: Dr. Ludger Breloh von der REWE Group erwartet Mehrwerte bei der angebotenen Milch, wie Gentechnikfreiheit oder Weidemilch, auch im Preiseinstiegsbereich. Als Vertreter eines großen Einzelhändlers wehrte er sich dagegen, dass man den Schwarzen Peter in der derzeitigen Krise ausschließlich dem Lebensmitteleinzelhandel unterschieben wolle. Als die Preise höher gelegen hätten, sei auch keiner auf die Idee gekommen, „den Handel dafür zu beklatschen“. Vielmehr hätten die Molkereien suggeriert, dass sie jede Produktionssteigerung mittrügen. Breloh riet den Milcherzeugern und Molkereien, offen für die Ansprüche der Verbraucher zu sein. Das Nachhaltigkeitsmodul des Qualitätsmanagements Milch (QM-Milch) müsse weiter entwickelt und für den Verbraucher sichtbar werden. Mit einer besseren Kommunikation und Akzeptanz würden höhere Preise vom Verbraucher auch angenommen. Das beste Nachhaltigkeitsmodul nütze aber nichts, wenn daraus keine Konsequenz, keine Selektion erfolge.
  • Gespräche mit Russland aufnehmen: Ministerpräsident Woidke lobte den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zwar für sein Krisenmanagement im Bereich Milch, riet aber auch dazu, die Gespräche mit Russland zu suchen. Das Handelsembargo habe den dortigen Verbrauchern und der hiesigen Landwirtschaft geschadet. Einen politischen Richtungswechsel des russischen Präsidenten Wladimir Putin erwartet Woidke allerdings nicht.

(AgE)


  • Wettbewerbsrecht mehr nutzen: DBV-Vizepräsident Udo Folgart erwartet von den Molkereien, dass sie bei den Preisverhandlungen gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel stärker die Interessen der Milcherzeuger vertreten. Zudem müssten die Molkereien sich mehr bemühen, die Wertschöpfungspotentiale des EU-Binnenmarktes zu nutzen und noch stärker als bisher die Exportmärkte ins Visier zu nehmen. Zudem brauche man einen Handel, der seine Marktmacht nicht missbrauche, betonte Folgart. Es könne nicht angehen, dass einerseits Nachhaltigkeit gefordert werde und andererseits die Milchviehbetriebe durch den Preiskampf in den Ruin getrieben würden.
  • Mehr Transparenz, um Wertschätzung zurück zugewinnen: Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke riet der Landwirtschaft zu mehr Transparenz. „Die Entfernung der Verbraucher von der landwirtschaftlichen Erzeugung“ sei bedenklich. Der Berufsstand müsse den Verbrauchern daher zeigen, was er leiste und welche wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf ihn einwirkten. Auf der anderen Seite müsse dem Verbraucher aber auch klar werden, dass er mit seiner Kaufentscheidung darüber entscheide, wie viel der Landwirt für Tierwohl tun könne.
  • Handel darf Nachhaltigkeitsdebatte nicht ausnutzen: Der Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Günther Felßner bewertete die Nachhaltigkeitsdebatte sehr kritisch. Man brauche mehr Ideen als „irgendwelche Nachhaltigkeitstools mit ellenlangen Listen“. Nachhaltigkeit sei mehr als nur Produktwerbung und ein Verkaufsargument. Dem Handel warf Felßner daher vor, Nachhaltigkeitskonzepte zu fordern, aber den Hauptumsatz mit billigen Produkten zu machen.
  • Realistisches Bild schaffen: Nach Ansicht von Christian Schramm vom Molkereiunternehmen Zott müsse die Milchproduktion wieder ein echtes Gesicht bekommen. Sein Unternehmen werbe seit Jahren nicht mehr mit gehörnten Kühen. Man werbe allgemein mit dem Produkt und nicht mehr mit der Landwirtschaft.
  • Umweltprobleme im Sektor ernst nehmen: Für Prof. Friedhelm Taube von der Universität Kiel stellt die Prämie des Cross Compliance seit dem Jahr 2008 die Inwertsetzung der höheren Anforderungen dar. Der Agrarwissenschaftler erinnerte daran, dass die Prämie für die Einhaltung von Umweltstandards gezahlt werde. Dennoch habe man bisher die Zielwerte im Umweltbereich nicht erreicht. Der Berufsstand könne nicht von sich behaupten, dass er per se nachhaltig sei, solange die Umweltflanke offen sei.
  • Offen sein für die Ansprüche der Verbraucher: Dr. Ludger Breloh von der REWE Group erwartet Mehrwerte bei der angebotenen Milch, wie Gentechnikfreiheit oder Weidemilch, auch im Preiseinstiegsbereich. Als Vertreter eines großen Einzelhändlers wehrte er sich dagegen, dass man den Schwarzen Peter in der derzeitigen Krise ausschließlich dem Lebensmitteleinzelhandel unterschieben wolle. Als die Preise höher gelegen hätten, sei auch keiner auf die Idee gekommen, „den Handel dafür zu beklatschen“. Vielmehr hätten die Molkereien suggeriert, dass sie jede Produktionssteigerung mittrügen. Breloh riet den Milcherzeugern und Molkereien, offen für die Ansprüche der Verbraucher zu sein. Das Nachhaltigkeitsmodul des Qualitätsmanagements Milch (QM-Milch) müsse weiter entwickelt und für den Verbraucher sichtbar werden. Mit einer besseren Kommunikation und Akzeptanz würden höhere Preise vom Verbraucher auch angenommen. Das beste Nachhaltigkeitsmodul nütze aber nichts, wenn daraus keine Konsequenz, keine Selektion erfolge.
  • Gespräche mit Russland aufnehmen: Ministerpräsident Woidke lobte den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zwar für sein Krisenmanagement im Bereich Milch, riet aber auch dazu, die Gespräche mit Russland zu suchen. Das Handelsembargo habe den dortigen Verbrauchern und der hiesigen Landwirtschaft geschadet. Einen politischen Richtungswechsel des russischen Präsidenten Wladimir Putin erwartet Woidke allerdings nicht.