"Ohne Gentechnik" - in der Milchproduktion eine Option?

Milcherzeuger können gentechnisch veränderte Futtermittel aus produktionstechnischer Sicht gut ersetzen. Rapsextraktionsschrot und Luzerne oder Kleegras in der Ration führen zu stabilen Milchleistungen bei tendenziell leicht höherem Eiweißgehalt in der Milch. Diese Ergebnisse zeigt eine Fallstudie der Universität Göttingen, in der 25 Milchviehhalter befragt wurden.

Die Grüne Gentechnik und die mit Hilfe dieser Biotechnologie gentechnisch veränderten Organismen (GVO) werden von der deutschen Bevölkerung kritisch wahrgenommen. So wünscht sich die Mehrheit der Verbraucher Umfragen zufolge keine gentechnisch veränderten (gv) Lebensmittel. Ablehnung erfahren in den Befragungen auch Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die von Tieren stammen, die mit gv-Futterpflanzen gefüttert wurden.

Bereits mehr als 20 Molkereien vermarkten gv-freie Milch

Seit 2008 ist eine Ohne Gentechnik"-Kennzeichnungsmöglichkeit von Lebensmitteln durch das EG Gentechnik-Durchführungsgesetz neu geregelt. Immer mehr Produkte des Lebensmitteleinzelhandels werden inzwischen mit diesem Wortlaut etikettiert. Darunter befindet sich auch eine steigende Anzahl Milchprodukte. Über 20 Molkereien in Deutschland, von denen der überwiegende Teil kleiner strukturiert ist, verfolgen die Strategie der Ohne Gentechnik"-Milcherzeugung. Aber auch Unternehmen der 20 größten deutschen Molkereien vermarkten diese Erzeugnisse. Bei dieser Art der Milchproduktion zeigt sich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Wurden in Bayern im Jahr 2012 bereits 17 % der erzeugten Milch gentechnikfrei produziert, so zeigen die Molkereien in Norddeutschland kaum Interesse.

Sojaschrot ist das (einzige) Problem

In den gesetzlichen Vorgaben ist festgelegt, dass Verunreinigungen mit gv-Futterpflanzen, sofern sie zufällig oder technisch unvermeidbar in das Futtermittel gelangt sind, den Schwellenwert von 0,9 % nicht überschreiten dürfen. Allerdings ist der Einsatz von Futtermittelzusatzstoffen und Tierarzneimitteln, die mit GVO hergestellt wurden, erlaubt. Bevor Milcherzeugnisse entsprechend gekennzeichnet werden dürfen, muss eine Umstellungsfrist von drei Monaten eingehalten werden. Entsprechende Nachweise über die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen müssen vorliegen z. B. in Form von Analyseberichten oder Dokumentationen, welche mit ausreichender Sicherheit bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Auslobung realisiert wurden.
RES

Rapsextraktionsschrot kann unter ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten Sojaschrot in der Ration vollständig erserzen. (Bildquelle: Elite Magazin)

Den größten Anteil von gv-Futterpflanzen in der konventionellen Milchviehfütterung bildet Sojaextraktionsschrot (SES). Dieses Futtermittel wird eingesetzt, um eine bedarfsgerechte Proteinversorgung, insbesondere bei hochleistenden Milchkühen, sicherzustellen. Die Rationskomponente zeichnet sich nicht nur durch einen hohen Rohprotein- und Energiegehalt aus, sondern verfügt auch über eine gute Eiweißqualität. Außerdem sind hohe Einsatzmengen möglich, die infolge der Schmackhaftigkeit auch gefressen werden. Ebenso ist die quantitative Verfügbarkeit garantiert. Als Substitutionsmöglichkeiten stehen in Deutschland eine Reihe von Proteinalternativen wie zum Beispiel Rapserzeugnisse, Körnerleguminosen, Biertreber, Getreidetrockenschlempe zur Verfügung. Rapsextraktionsschrot (RES) kann unter ökonomischen und ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten sowie der mengenmäßigen Verfügbarkeit als die günstigste Alternative angesehen werden. Verschiedene Fütterungsversuche zeigten, dass bei einem Ersatz von SES durch RES unter Versuchsbedingungen gleichwertige Milchleistungen und Milchinhaltsstoffe sowie niedrigere Milchharnstoffgehalte erzielt werden können. Dies wurde unabhängig vom Leistungsniveau, von den jeweiligen Laktationsabschnitten und der Grobfutterration in unterschiedlichen Fütterungsversuchen nachgewiesen. Bei Rationen mit Rapsextraktionsschrot ist allerdings ein Energieausgleich erforderlich.

Umstieg problemlos möglich

Die produktionstechnischen Aspekte sowie die Sicherstellung einer GVO-freien Milchproduktion wurden im Rahmen einer Studie der Universität Göttingen untersucht. Die für diese Untersuchung befragten Landwirte hatten die Verpflichtung weder gv-Futterpflanzen noch Futtermittel aus Übersee einzusetzen. Die Umstellung der Fütterung führte zu Änderungen bei den Milcherzeugern, die im Rahmen der Studie auf der leistungsphysiologischen sowie ökonomischen Ebene dokumentiert und bewertet wurden. Die wichtigste Anpassungsmaßnahme bei der Umstellung auf eine GVO-freie Fütterung ist der ausschließliche Einsatz von Komponenten auf gentechnikfreier Basis bei Zukaufsfuttermitteln. In diesem enger gestecktem Rahmen ist eine ausreichende Proteinversorgung zu realisieren. Die Fütterungsstrategien der befragten Betriebe werden im Wesentlichen durch die jeweiligen betrieblichen Rahmenbedingungen bestimmt. Die Grundfutterbasis wird durch variierende Anteile von Mais- sowie Grassilage gebildet. Bei einigen Betrieben sind Futterleguminosen, Luzerne und/oder Kleegras Bestandteil der Grassilage. Die Mehrheit der befragten Betriebe nutzt zertifizierte zugekaufte Mischfuttermittel. Als Proteinträger im Bereich der Einzelfuttermittel wird vor allem Rapsextraktionsschrot verwendet. Selbst erzeugte Körnerleguminosen (Erbsen und Ackerbohnen) haben bei den befragten Betrieben eine geringe Bedeutung, da oftmals  ökonomische Aspekte gegen einen Anbau sprechen.
Beim Verzicht auf Sojaerzeugnisse sowie Importfuttermittel sind keine signifikanten Auswirkungen auf Produktionsleistungen zu beobachten. Die Milchleistung sowie der Milcheiweißgehalt sind etwas gestiegen. Dagegen hat sich der Milchfettgehalt etwas verringert. Der Harnstoffgehalt sank jedoch im Rahmen der Futterumstellung etwas stärker. Bei der Tiergesundheit sind nach knapp einem Jahr Futterumstellung keine Auswirkungen erkennbar. Eine bedarfsgerechte Milchviehfütterung ohne gv-Futterpflanzen sowie Importfuttermittel ist somit problemlos möglich.

Geschlossene Produktionsketten anstreben

Ökonomische Auswirkungen durch die Umstellung auf eine gentechnikfreie sowie importfuttermittelfreie Fütterung sind schwer zu bewerten, da diese sehr von den individuellen Bedingungen des jeweiligen Betriebes abhängen. Der Einsatz von Futtermitteln ausschließlich europäischer Herkunft trägt zur Verringerung des GVO-Kontaminationsrisikos bei. Um ein höheres Maß an Sicherheit zu garantieren, ist die Erstellung einer Positivliste in Form einer Empfehlungsliste zur Futtermittelbeschaffung sinnvoll. Geschlossene Produktionsketten könnten zusätzlich zur Minimierung eines GVO-Verschleppungsrisikos beitragen, insbesondere unter Beteiligung GVO-freier Mühlen bzw. Futtermittelwerke. Eine vollständige Sicherheit und Kontrolle, dass die Voraussetzungen zur Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung eingehalten werden, wird dadurch erschwert, dass die Fütterung von gv-Futtermitteln im Endprodukt Milch nicht nachweisbar ist. Eine ständige Kontrolle ist aus Kostengründen nur stichprobenartig möglich. Generell ist anzumerken, dass bei der GVO-freien Produktion erhöhte Kosten entlang der Kette vor allem durch Zertifizierungsaufwand und Chargentrennung bei Logistik und Produktion entstehen, die durch das Endprodukt gedeckt werden müssen.

Zusammenfassung

Die betrieblichen Rahmenbedingungen und die Managementfähigkeiten des Betriebsleiters haben einen hohen Einfluss darauf, inwieweit die Milchproduktion nach der Umstellung auf gentechnikfreie sowie importfuttermittelfreie Fütterung aus produktionstechnischer Sicht funktioniert. Zu betonen ist, dass in dieser Studie ausschließlich die einzelbetriebliche Ebene (Leistung und Gesundheit der Milchkühe wie auch ökonomische Aspekte) eingegangen wurde. Die Verfügbarkeit europäischer sowie gentechnikfreier Futtermittel wurde nicht thematisiert. Verlässt die Ohne Gentechnik"-Milchproduktion die Nische und etabliert sich flächendeckend in Deutschland, führt dies vor allem bei großflächiger Umstellung weiterer tierischer Produktionszweige zu aktuell noch nicht abschätzbaren Konsequenzen auf die Verfügbarkeit von gv-freien Futtermitteln. Preisanstiege bei den geeigneten Eiweißsubstituten sind dann nicht auszuschließen.
Friederike Deumelandt und Hauke Bronsema
Universität Göttingen
2_2010

(Bildquelle: Elite Magazin)

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in Elite 2/2010 Handel scheut Deklaration"