Mit Weidemilch und Grünlandförderung aus der Krise?

In der Verlagerung der Milchproduktion auf Standorte mit artenreichen Grünland sieht der Wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim BMEL eine Alternative zur Überschussproduktion bei Milch. Die Wissenschaftler fordern jetzt ein staatliches Label Weidemilch.

Nachdem  im Jahr 2015 die Milchpreise rasant zu sinken begannen, haben die EU-Agrarminister Stützungsmaßnahmen in Höhe von 420 Mio. Euro für alle 28 Mitgliedsstaaten beschlossen. Deutschland soll davon rund 69,2 Mio. Euro erhalten, die zu liquiditätsfördernden Maßnahmen genutzt werden sollen. Der Wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim BMEL kritisiert, dass mit der Vergabe dieser öffentlichen Mittel keinerlei Auflagen für die Bereitstellung öffentlicher Güter verbunden sind. Weiterhin bemängelt das Gremium, dass mit dieser Förderung eine Chance verpasst werde, zukunftsorientiert die Rahmenbedingungen für die Milchbauern zu verbessern, u.a. auch durch den Erhalt artenreichen Grünlands. Aus Sicht des Beirats ist die Produktion von Milch an sich kein förderungswürdiger Tatbestand. Staatliche Interventionen sollten vielmehr darauf gerichtet sein, die Ursachen für Marktversagen zu korrigieren und die Bereitstellung von öffentlichen Gütern (biologische Vielfalt) zu fördern. Öffentliche Mittel sollten ausschließlich diejenigen Landwirte erhalten, die durch naturverträgliche, mit der Milchproduktion verbundene Grünlandbewirtschaftung, öffentliche Güter u.a. im Bereich des Naturschutzes und des Tierwohls bereitstellen.
 Dazu gehört nach Auffassung des Beirats ausdrücklich nicht die zunehmende Milchproduktion auf Grundlage von Mais-, Grassilage und importierten Futtermitteln. Denn staatliche Eingriffe in den Preismechanismus, wie z.B. durch einen subventionierten Erzeugerpreis oder durch Exportsubventionen würden nicht dazu beitragen, diese Fehlentwicklungen zu korrigieren, im Gegenteil.

Verbraucher honorieren biologische Vielfalt 

Eine dringend angemessene Entlohnung für die Milchproduktion sei nur durch das gesellschaftliche Anliegen des Grünlanderhalts und dem damit verbundenen Erhalt der biologischen Vielfalt zu erreichen, so der Beirat, nicht jedoch durch eine zunehmende Intensivierung des Futterbaus und damit einhergehenden Milchleistungssteigerungen.

Um die nachgewiesenermaßen vorhandene Bereitschaft vieler Verbraucher, nennenswerte Aufpreise für Produkte zu zahlen, die aus besonderen Tierhaltungsverfahren stammen (53 Studien; je nach Land und Studie 9 bis 54 % der Verbraucher), werden eindeutig identifizierbare (Milch)Produkte benötigt. Dazu bedarf es aus Sicht des Beirats eine einheitliche Branchenlösung, u.a. zur Kennzeichnung von Weidemilch. Ein solches Label ermöglicht Verbrauchern eine transparente Einkaufsentscheidung, da sie sicher sein können, dass die gekaufte Milch tatsächlich artgerecht und grünlandbasiert produziert wurde.

120 Tage Weide – 60 % der Energie aus Grünfutter

Der Beirat schlägt deshalb die Einführung einer auf anspruchsvollen Kriterien basierenden, gesetzlich geschützten Kennzeichnung „aus Weidemilch“ vor. Er fordert das BMEL auf, eien Initiative zur Entwicklung eines solchen Labels unter Beteiligung aller relevanten Interessenvertreter aus Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Naturschutz, Einzelhandel und Milchwirtschaft zu starten. Falls dies innerhalb von etwa einem Jahr zu keiner Lösung führt, sollte ein staatliches Label eingeführt werden.
Die Kriterien an das Label sollten streng gefasst werden: 100 % Milch auf der Produktion von mindestens 120 Tagen Weidegang im Jahr und einem Mindestanteil von 60 % an Milch, der aus Grünlandaufwüchsen erwirtschaftet wird (gemessen an der Energieversorgung der Kühe). Unabhängige Kontrollen sollen die Einhaltung sicherstellen.
 Der Beirat spricht sich zudem dafür aus, gleichzeitig die Förderung der biologischen Vielfalt im Grünland stärker zu differenzieren und attraktive Förderprogramme  zu schnüren. Diese könnten könnten zur Einkommensstützung der Milcherzeuger beitragen und diese unabhängiger von Milchpreissenkungen machen.
Wissenschaftlicher Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen
Der Wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen hat die Aufgabe, das BMEL bei allgemeinen und grundsätzlichen Fragen der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung genetischer Ressourcen zu beraten. Dem Beirat gehören 17 Wissenschaftler aus 15 nationalen und internationalen Universitäten / Forschungseinrichtungen an.