Milchmarkt

Der Realität ins Auge schauen!

Erneut sollen Molkereien bei den Verhandlungen über die Trinkmilchkontrakte mit den Handelsketten eingeknickt sein. Die Spreizung der Auszahlungs-Preise zwischen den Käse- und Trinkmilchanbietern dürfte auf rund acht Cent/kg Milch ansteigen! Das hat den Streit um die Ausrichtung der Rahmenbedingungen der Milchmärkte neu entfacht.

Die ersten Monate des Jahres 2012 haben gezeigt, dass auch am Milchmarkt die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Der Anstieg der Nachfrage hat sich verlangsamt und in Verbindung mit dem hohen Angebot zu einer Abschwächung der Preise für Milchprodukte in fast allen Produktbereichen geführt. Milcherzeugern dürfte kaum entgangen sein, dass der Motor des Milchmarktes ins Stottern geraten ist.
Die Heftigkeit, mit der dieser Umschwung ablief – vor weniger als einem halben Jahr zahlten die Molkereien noch historische Höchstpreise an ihre Lieferanten aus – erwischte die Molkereimanager dies- und jenseits des Atlantiks jedoch ziemlich unvorbereitet. Anders ist es nicht zu erklären, dass bei den Trinkmilch-Preisverhandlungen mit den großen Discountern einige Molkereien Preisnachlässe von 4,0 bis 4,5 Cent akzeptiert haben sollen. Die Verwertung bei H-Milch würde dadurch auf rund 25 Cent sinken, die Spreizung der Auszahlungs-Preise zwischen den Käse- und Trinkmilchanbietern dadurch auf rund acht Cent/kg Milch ansteigen.

Alle Preisindizes sind rückläufig

Noch Ende März hatten die Molkereien höhere Preise für die Weiße Linie gefordert, doch die Marktindikatoren sprachen zu dem Zeitpunkt bereits dagegen. Seit Anfang des Jahres ist der Preis für Butter deutlich gesunken. Geformte Butter ist aktuell 1 Euro/kg billiger als noch vor einem Jahr. Bei der Auktion der internationalen Handelsbörse Global Dairy Trade (GDT) ging es mit den Kursen aller sechs gehandelten Erzeugnisse teilweise deutlich nach unten. Der Preisindex sank gegenüber Anfang April um 9,9 Prozent. Der Index des GDT ist mittlerweile auf den niedrigsten Stand seit Herbst 2009 zurückgefallen. Laut der Lebensmittelzeitung ist auch der von der FAO monatlich berechnete Milchprodukte-Preisindex im März 2012 auf einen Wert von 197 gerutscht. Das ist der niedrigste Stand seit August 2010. Im März 2008 (unmittelbar vor Beginn der letzten Milchkrise) hatte er noch bei 252 Punkten gelegen.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) befürchtet angesichts der enttäuschenden Trinkmilch-Kontrakte eine Wiederholung der Milchmarktkrise 2009. „Aufgrund der seit einem Jahr zurückgehenden Notierungen für Milchdauerprodukte, der Halbierung der Notierungen für Magermilch seit November 2011 und der rückläufigen Notierungen am Spotmarkt war das Preisdebakel vorauszusehen“, zeigt sich BDM-Vorsitzender Romuald Schaber verärgert.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Friedrich Ostendorff nahm die Abschlüsse zum Anlass, kräftig gegen den Berufsstand und die Agrarpolitik zu wettern. „Die Preisnachlässe von 4 bis 4,5 Cent je Liter auf Trinkmilch und H-Milch sind ein echter Dammbruch für die Milchbäuerinnen und -bauern“, so kürzlich der agrarpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen.

DBV: Unverantwortliche Panikmache

Beim Deutschen Bauernverband (DBV) wies man die Kritik als völlig ungerechtfertigt zurück, ein Absturzszenario für die Erzeugerpreise an die Wand zu malen, sei völlig überzogen, heißt es beim DBV. Solche Meldungen, wie sie mitten in die laufende Verhandlungsrunde der Molkereien hinein abgesetzt werden, spielten niemand anderem als Lidl, Aldi und Co. in die Hände. Der Bauernverband habe deshalb rechtzeitig die verbrauchertäuschenden Schleuderpreise der Discounter, wie sie in diesen Tagen wiederbelebt wurden, attackiert und nicht am falschen Ende kritisiert.
Bereits in einem Sondierungsgespräch während der Grünen Woche mit der Molkereiwirtschaft wurde klar festgehalten, dass es im Frühjahr dieses Jahres eine leichte Delle in den Milcherzeugerpreisen geben würde. Danach sei aber zu erwarten, dass die weltweit stabile Nachfrage nach Milch und Milchprodukten die Preise wieder stabilisiere. So gebe es gegenwärtig auf dem für die deutschen Milcherzeuger wichtigsten Absatzsegment, dem Käsemarkt, eine sehr stabile Situation. Auch könne man nicht von einer “exzessiven Mengenausweitung in der Milchproduktion“ reden – weder in Deutschland noch auf europäischer Ebene. Die zwischen ein bis zwei Prozent liegenden Mengensteigerungen würden europäisch wie weltweit dringend benötigt, um den langfristig stabilen Aufwärtstrend in der Nachfrage nach Milch nicht in andere Regionen abwandern zu lassen, betonte der DBV.

Molkereien müssen besseres Risikomanagement betreiben

Australien

In Neuseeland wurde noch niemals zuvor so viel Milch produziert. (Bildquelle: Elite Magazin)

Dennoch bewertet man beim DBV die Abschlüsse kritisch. Angesichts der weltweiten stabilen Nachfrage auf dem Milchmarkt seien die Preissenkungen nicht gerechtfertigt, auch wenn es sich dabei nur um kurzfristige Abschlüsse handele (zwei bis sechs Monate), betonte der DBV.
Von den Molkereiunternehmen fordert der DBV, im Rahmen des Risikomanagements das Instrument der Preisabsicherung an Terminbörsen verstärkt zu nutzen. Die Preisabsicherung an einer Warenterminbörse im Milchbereich schütze Milcherzeuger vor ungünstigen Preisentwicklungen und diene zur Einkommensstabilisierung. So wäre es durchaus möglich gewesen, Preise für Milch und Milchprodukte des vergangenen Jahres in dieses Jahr hinein zu verlängern. Während beispielsweise bei Getreide Kontraktgeschäfte nicht mehr wegzudenken seien, seien die Reaktionen im Milchsektor noch zögerlich.

Rohstoffwert sinkt auf 25,5 Cent

Unter Marktexperten unbestritten ist, dass das weltweite hohe Rohstoffaufkommen sich dämpfend auf die Milchpreise auswirkt. Am Ende des ersten Quartals haben die Erzeugerpreise für Milch in Deutschland denn auch weiter abgenommen. Das bundesweite Mittel lag nach Schätzungen der AMI im März für eine Milch mit standardisierten Inhaltsstoffen bei 32,8 Cent/kg. Die Molkereien haben ihre Auszahlungspreise um gut einen halben Cent gegenüber Februar zurückgenommen. Damit war der Preisrückgang etwas stärker ausgeprägt als im Schnitt der vergangenen Jahre. Das Niveau des Vorjahresmonats wurde erstmals seit Dezember 2009 wieder unterschritten. Im Bundesmittel zahlten die Molkereien im März gut 0,5 Cent oder 2,2 % weniger als zwölf Monate zuvor. Seit dem Höchststand im November 2011 haben die Preise binnen drei Monaten um insgesamt 2,9 Cent nachgegeben.
Im April lag der Rohstoffwert für Milch in Deutschland nach den jüngsten Berechnungen des Kieler Informations- und Forschungszentrums (ife) bei 25,5 Cent/kg und damit 2,4 Cent oder 8,6 % niedriger als im Monat zuvor. Im Vergleich zum April des Vorjahres fällt das aktuelle Ergebnis um 9,1 Cent/kg oder 26,3 % niedriger aus. Der Rohstoffwert errechnet sich aus den Marktpreisen für Butter und Magermilchpulver und gilt für eine Milch mit 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß.

Deutschland: Quote um ca. 200.000 t überliefert

Die deutschen Milcherzeuger müssen für das Quotenjahr 2011/12 voraussichtlich erstmals nach drei abgabefreien Jahren wieder Strafzahlungen für Quotenüberschreitungen nach Brüssel entrichten. Nach einer Schätzung von ZMB und AMI wurden die Quoten im abgelaufenen Quotenjahr um rund 200.000 t überschritten. Dies entspricht 0,6 % der Garantiemenge. Die Daten sind mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, da wegen einer technischen Umstellung des Erhebungsverfahrens seit Januar 2012 noch keine Daten nach der Melde-Verordnung Milch verfügbar sind.
Auch europaweit ist die Quotenausnutzung im abgelaufenen Quotenjahr angestiegen. Laut ZMB wird die größte Überlieferung für Österreich erwartet. Auch in den Niederlanden ist nach einer Steigerung der Milchmenge im März um 2,6 % inzwischen mit einer Überschreitung zu rechnen. In Polen und Frankreich sind die Unterlieferungen deutlich zurückgegangen, wobei die 100-Prozentmarken aber weiter unterschritten werden. Erstmals seit vielen Jahren wurde auch die Quote in Dänemark aller Voraussicht nach nicht überliefert.

USA: Milchproduktion im ersten Quartal um 4,1 % gestiegen

Aber nicht nur in der EU wird unter Volldampf produziert, auch aus den USA und aus Ozeanien werden immer wieder neue Produktionsrekorde gemeldet. In den USA wurde in den ersten drei Monaten von 2012 im Tagesdurchschnitt 4,1 % mehr Milch produziert als im ersten Quartal des Vorjahres. Hintergrund ist die Aufstockung der Milchviehherden und die höheren Milchleistungen. Schätzungsweise stehen 0,9 % mehr Kühe in den Ställen als vor einem Jahr, die Milchleistung pro Kuh legte um 3,2 % zu. Allerdings wird im weiteren Jahresverlauf mit einer deutlichen Abschwächung der Zunahmen gerechnet, da derzeit die Milchpreise in den USA deutlich nachgeben, während gleichzeitig die Futterkosten ansteigen.

Neuseeland: Milcherzeugung weiter über Vorjahresniveau

Im Februar 2012 wurden in Neuseeland mit 1,87 Mio. kg im Tagesdurchschnitt 7,5 % mehr Milch erzeugt als im Vorjahresmonat. Insgesamt lag die Milcherzeugung damit in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres um 8,4 % höher als Anfang 2011. In den ersten neun Monaten des laufenden Wirtschaftsjahres nahm die Verfügbarkeit in ähnlicher Größenordnung zu. Auch gegen Ende der Saison ist die Produktion dem Vernehmen nach weiter hoch. Die Milcherzeugung in Neuseeland dürfte im Wirtschaftsjahr 2011/2012, das im Mai zu Ende geht, erstmals die Marke von 20 Mio. t überschritten haben.

Ausblick: Alles hängt vom Wetter ab

Entscheidend für die Milchpreisentwicklung in der zweiten Hälfte des Jahres dürften die Erntebedingungen (Wetter) in Europa, den USA und Neuseeland sein. Bei ausbleibenden Niederschlägen dürften sich die Milchpreise schneller wieder erholen. Derzeit deutet allerdings (noch) nichts auf eine Kurskorrektur im zweiten Halbjahr hin. An der Börse in Chicago (CME Group) werden die Futures (Milch Class III) annähernd auf gleichem Niveau gehandelt. Auch hat die Investmentbank Exane BNP Paribas größere Milchverarbeiter auf Underperform" geratet. So wurde z.B. das Kursziel von Danone auf 52,00 Euro belassen. Entgegen der Markterwartung sei eine deutliche Erholung des Geschäfts mit Milchprodukten im zweiten Halbjahr unwahrscheinlich, schrieb Analyst Jeff Stent in einer Studie diese Woche.
CME

(Bildquelle: Elite Magazin)