Genossenschaften sollen Milchabnahmegarantie aufheben

Der Milchmarktexperte Prof. Dr. Hannes Weindlmaier fordert die Molkereigenossenschaften auf, ab 2015 in Regionen mit starkem Produktionswachstum die durch Genossenschaftsmitglieder gebundene Milchmenge auf 70 bis 80 % zu reduzieren.

Das Thema Mengensteuerung am Milchmarkt rückt derzeit wieder verstärkt in den Fokus vieler Diskussionen: In der Schweiz stimmte der Nationalrat am 1. Oktober 2010 einem Antrag des Abgeordneten AEBI zu, worin die Regierung beauftragt wird, wieder eine Mengensteuerung  einzuführen (siehe auch Elite 6/2010). In Frankreich hat der Molkereikonzern Danone beschlossen, schrittweise bis März 2011 das so genannte A/B-Preissystem einzuführen, um „uns und unseren Milcherzeugern mittelfristig eine bessere Planbarkeit der Produktion“ zu ermöglichen. Indes beharren die europäischen Grünen gemeinsam mit dem European Milk Board (EMB) auf einer Mengenregulierung des EU-Milchmarkts. Und schließlich kam es bei der Jahrestagung des Milchindustrie-Verbandes am 22.Oktober 2010 in Bremen zu einer intensiven und kontroversen Diskussion, da der Referent Lars Hoelgaard, Stellvertretender Generaldirektor Landwirtschaft bei der EU-Kommission, plädierte für die Einführung einzelbetrieblicher A/B-Modelle.
Da ein privatwirtschaftliches Nachfolgemodell der Milchquotenregelung für den Gesamtmarkt höchst unwahrscheinlich ist, wird es erforderlich werden, die Vertragsbeziehungen zwischen Milchlieferanten/Erzeugergemeinschaften und den Molkereien auf eine neue Basis zu stellen. Im Hinblick auf die langfristige internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Milchwirtschaft empfiehlt Dr. Hannes Weindlmaier (TU München) den Genossenschaftsmolkereien eine Änderung der Satzung bzw. der Milchlieferungsordnung. Bei dieser Neuregelung wird es erforderlich werden, die Vollabnahmepflicht durch eine Mengenvereinbarung zu ersetzen. Dies bedeutet aber zugleich, dass auch die Vollablieferungspflicht der Mitglieder wegfallen müsste.
In einem dieser Tage veröffentlichten
fordert der Milchmarktexperte die Molkereigenossenschaften in Regionen mit starkem Produktionswachstum auf, nach dem Ende der Quotenregelung eine einzelbetriebliche Mengensteuerung zu implementieren. Der Experte empfiehlt den Unternehmen, die längerfristig durch Genossenschaftsmitglieder gebundenen Milchmengen auf 70 bis 80 % der für Produkte mit guter Verwertung benötigten Rohmilch zu reduzieren.
Keine Vorteile sieht Weindlmaier in der Abfrage geplanter Milchliefermengen bei den Erzeugern, wie es z.B. die Nordmilch vorsieht. Eine solche Mengenabfrage verbessere zwar die Produktionsplanung der Molkerei – eine Lösung, Übermengen günstig zu verwerten, bietet diese Maßnahme aber nur sehr begrenzt.
Die umfassendste Problemlösung besteht laut Weindlmaier natürlich für jede Molkerei darin – und das gilt für genossenschaftliche wie für Privatmolkerein – die Absatzmöglichkeiten für Produkte mit überdurchschnittlicher Verwertung derart zu erweitern, dass die Notwendigkeit für eine Ablieferungsbegrenzung erst gar nicht besteht. Eine Molkerei, die dies schafft, wird auch in einem nicht mehr staatlich geregelten Markt überleben und wettbewerbsfähig sein.