Workshop

Die Reproduktion im Blick behalten

Wie fruchtbar sind meine Kühe, was kann ich verbessern und wo möchte ich hin? Ein Überblick über wichtige Kennzahlen und Tipps zum Reproduktionsmanagement.

In einem Workshop der World Wide Sires Deutschland GmbH (WWS) und der Ahrhoff GmbH ging es um Management- und Controllingmaßnahmen zur Reproduktion und Fütterung. Neben wichtigen Kennzahlen, Tipps zum Herden- und Fütterungsmanagement besonders im Transitbereich und dem Einfluss der Genetik, wurden beispielhaft die Reproduktions-, Fütterungs- und Leistungsdaten des Betriebes Hinnemann aus Laer betrachtet. Beim anschließenden Betriebsbesuch konnten sich die Teilnehmer zudem ein Blick von den Kühen und den Gegebenheiten machen. Betriebsleiter Philipp Hinnemann melkt aktuell 124 Kühe bei einer Milchleistung von rund 12.600 kg und einer Zwischenkalbezeit von 380 Tagen.

Die wichtigsten Kennzahlen im Bereich Reproduktion

Die Reproduktion ist ein wichtiger Motor in der Milchkuhhaltung. Zum einen wirken sich sehr viele Faktoren auf die Fruchtbarkeit der Kühe und den Befruchtungserfolg aus. Auf der anderen Seite beeinflusst die Reproduktion wiederum sehr deutlich die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion. Die Unterschiede im Reproduktionserfolg von Betrieben sind groß und vor allem auf das Management und somit mehr auf den Faktor Mensch als auf die Kühe zurückzuführen. Deshalb ist es so wichtig, Kennzahlen ständig zu kontrollieren. Dabei geht es weniger um allgemeingültige Zielwerte, sondern vielmehr um betriebsindividuelle Strategien. Deshalb ist es im eigenen Betrieb wichtig, realistische Zielwerte aufzustellen und entsprechende Daten zu messen.

Im monatlichen LKV-Bericht werden Daten wie Zwischenkalbezeit oder Besamungsindex berechnet. Nützlicher und vor allem aktueller sind aber die folgenden Kennzahlen:

  • Rastzeit: Die Rastzeit meint den Zeitraum zwischen der Kalbung und der ersten Besamung und wird maßgeblich durch die freiwillige Wartezeit beeinflusst. Zielwerte sind rund 80 bis 90 bzw. bis maximal 110 Tage bei hochleistenden Herden mit einem sehr guten Reproduktionsmanagement. Die durchschnittliche Rastzeit sagt allerdings nur die halbe Wahrheit, denn die Spannweite ist entscheidend. Auch sehr kurze und sehr lange Rastzeiten können einen passenden Mittelwert ergeben, sind aber nicht zielführend, um gleichmäßige Abkalbungen zu erreichen. Ziel sollte sein, dass 80% der Kühe am 100. Tag zum ersten Mal besamt sind.
  • Freiwillige Wartezeit (FWZ): Die freiwillige Wartezeit beschreibt den bewusst festgelegten Zeitraum, in dem die Kuh nach der Kalbung noch nicht besamt wird und wird betriebs- oder tierindividuell festgelegt. Je nach Leistung ist eine FWZ bis zum 80. Tag bei Erstkalbinnen und bis zum 60. Tag bei Mehrkalbinnen anzustreben.
  • Brunstnutzungsrate (BNR): Die Brunstnutzungsrate gibt an, wie viel Prozent der brünstigen Kühe gesehen und auch tatsächlich besamt wurden. Bei einer visuellen Brunsterkennung sollten mindestens 50%, bei automatischer Aktivitätsmessung mindestens 70% aller Brunsten erkannt werden.
  • Konzeptionsrate (KZR): Die Konzeptionsrate gibt an, wie viel Prozent der besamten Tiere tragend geworden sind. Zielwerte sollten rund 50% bei der ersten Besamung und rund 45% bei Nachbesamungen sein.
  • Pregnancy Rate (PR): Die Pregnancy rate umfasst sowohl den Bereich Brunsterkennung als auch Konzeptionserfolg und ist deshalb sehr aussagekräftig. Die Zahl gibt an, wie viel Prozent aller brünstigen Kühe im 21-Tage-Zyklus trächtig geworden sind. Dafür wird zuerst der Anteil aller erkannten Brunsten ermittelt und im zweiten Schritt dann der Erfolg der Besamungen. Da sich die FWZ von Betrieb zu Betrieb unterscheidet, sollte die PR erst von dem individuell festgelegten Tag an berechnet werden. D.h. sobald die FWZ beendet ist, wird die Kuh mitgezählt". Kühe die nicht mehr besamt werden (zuchtuntauglich), sollten nicht mit in die Berechnung einfließen.

Die folgende Abbildung zeigt, wie sich die Pregnancy Rate zusammensetzt:

Pregnancy Rate

Die berechnete Pregnancy Rate berücksichtigt sowohl die Brunsterkennung als auch den Besamungserfolg. (Bildquelle: WWS Deutschland)

Die Pregnancy Rate zahlt sich aus

Deutsche Milchkuhbetriebe erreichen durchschnittliche eine PR von 17%, in den USA sind es 22%. Ziel sollten 25% und mehr sein, allerdings ist die FWZ zu berücksichtigen, um Kühe nicht zu früh auszubremsen" (ab einer PR von 28% sinkt der positive Effekt wieder). Eine Studie hat gezeigt, dass sich die PR stärker auf den wirtschaftlichen Erfolg auswirkt als die abgelieferte Milchmenge. Eine Verbesserung um 10% kann den Bruttobetrag pro Kuh und Jahr demnach um 50 bis 180 Euro erhöhen. Das zeigt: Die Reproduktion ist der Motor der Wirtschaftlichkeit!

Drei Tipps zum Management:

1. FWZ bei Erstlaktierenden verlängern: Erstlaktierenden sollte ausreichend Zeit gegeben werden! Grundsätzlich ist die Persistenz bei jungen Kühen höher, d.h. die Milchleistung bleibt länger konstant. Damit ist das Risiko des Verfettens und unproduktiven Fütterns" deutlich geringer. Zudem benötigen besonders sehr junge Tiere noch Zeit, sich körperlich zu entwickeln. Werden junge hochleistende Färsen schnell wieder besamt, spiegelt sich das häufig in der zweiten Laktation in einer mangelhaften Fruchtbarkeit wieder. Deshalb bietet es sich an, die FWZ bei Erstlaktierenden bewusst zu verlängern.

2. Transitkühe so gut wie möglich versorgen: Die Reproduktion beginnt schon in der Transitphase! Die Fruchtbarkeit der Kuh wird schon in der Transitphase, d.h. vor der Kalbung beeinflusst. Untersuchungen haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem BCS zum Trockenstellen und der Güstzeit in der Folgelaktation gibt. Starten die Kühe überkonditioniert ( BCS 3,25) in die Trockenstehzeit, benötigen sie bis zu 40 Tage mehr, um erneut tragend zu werden. Zudem wirkt sich ein Konditionsverlust in der Frühlaktation deutlich negativer auf die Fruchtbarkeit aus als eine hohe Milchleistung. Zuletzt erhöht eine unzureichende Wasseraufnahme das Risiko einer Metritis. Also: Die Leerer-Trog-Krankheit" sowohl bei Laktierenden als auch bei Trockenstehern unbedingt vermeiden, das Wasserangebot sicherstellen und Überbelegung besonders im Transitbereich im Blick behalten.

3. Herdenmanagement organisieren: Je besser das Management, desto deutlicher werden Unterschiede in der Genetik! Grundlegend spielt die Genetik von Kühen eine große Rolle. Der Vergleich von Zuchtwerten mit tatsächlichen Leistungen beispielsweise in den Merkmalen Milchleistung (RZM) oder somatische Zellzahl (RZS) zeigt, dass es deutliche Unterschiede zwischen den besten" und schlechtesten" Tieren gibt. Trotzdem liegt der Einfluss nur bei rund 30%, das Management dagegen entscheidet zu rund 70% über den Erfolg im Stall. Erst bei einer soliden Basis, d.h. einem gut organisierten Herdenmanagement, optimaler Fütterung und stabiler Tiergesundheit können genetische Vorzüge wie z.B. eine hohe Leistungsveranlagung vollständig zum Tragen kommen. Vor allem bei Merkmalen mit eher geringen Erblichkeiten wie die Töchterfruchtbarkeit (RZR) bleibt das Management entscheidend.

Bildergalerie zum Betrieb Hinnemann


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