Kartellamt

Der Streit um Milchpreisvergleiche geht weiter

Das Bundeskartellamt hat seinen Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Milch vorgelegt. Zwar vermuten die Wettbewerbswächter in manchen Punkten Einschränkungen des Wettbewerbs bei der Beschaffung von Rohmilch, für Milcherzeuger dürfte sich unter dem Strich aber nichts ändern.

Das Bundeskartellamt sieht den Wettbewerb auf dem Milchmarkt nach Abschluss der Sektoruntersuchung Milch" gleich an verschiedenen Stellen gefährdet. Die Frage nach dem Machtgefälle zwischen Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel müsse jedoch sehr differenziert beantwortet werden, betonte Kartellamtspräsident Andreas Mundt bei Vorstellung des Untersuchungsberichts. Die Beschränkungen ergeben sich nach Ansicht des Kartellamtes aus ...
  • … der hohen Markttransparenz über aktuelle betriebsbezogene Auszahlungspreise von benachbarten Molkereien,
  • … den beschränkten Möglichkeiten für die Erzeuger, ihre Lieferverhältnisse zu beenden,
  • … der vollständigen Andienungspflicht der Erzeuger.

  • … der hohen Markttransparenz über aktuelle betriebsbezogene Auszahlungspreise von benachbarten Molkereien,
  • … den beschränkten Möglichkeiten für die Erzeuger, ihre Lieferverhältnisse zu beenden,
  • … der vollständigen Andienungspflicht der Erzeuger.

Aber auch die zahlreichen Kooperationen der Molkereien untereinander könnten wettbewerbsdämpfende Wirkungen haben, heißt es in dem Bericht.

Milchpreise: Nur Veröffentlichung historischer" Daten zulässig

Aktuelle Milchpreisvergleiche hält das Bundeskartellamt auch weiterhin nicht für zulässig. Es sei jedoch nicht das Ziel, sämtliche Marktpreisinformationssysteme zu verbieten, heißt es weiter. So bleibe die Veröffentlichung von zusammengefassten Milchpreisen von mindestens fünf Molkereien weiter zulässig. Ebenfalls erlaubt sei die Bekanntgabe von Auszahlungspreisen, die älter als sechs Monate seien. Andere Vergleiche könnten nach Prüfung des Einzelfalles untersagt werden.
Kritisch setzt sich das Papier auch mit der Berichterstattung der Fachpresse auseinander: Die aktuellen, unternehmensspezifischen Berichte über Erzeugerpreise nutzten weit mehr dem Handel und den Milchverarbeitern als den Erzeugern. Schließlich werde der Handlungsspielraum der Milcherzeuger durch jahrelange Kündungsfristen und rigide Andienungspflichten stark eingeschränkt. Dagegen erlaubten die Milchpreisvergleiche den Molkereien die Nivellierung der Auszahlungsleistung „ohne Absprache, nur durch Anschauen“, meint Mundt – und fühlt sich an die Verhältnisse auf dem Tankstellenmarkt erinnert. Der Handel profitiere von den Veröffentlichungen dadurch, dass er die Kalkulation der Molkereien detailliert und zeitnah nachvollziehen könne.
Das Kartellamt will deshalb verhindern, dass Verbände und Verlage solche Milchpreisvergleiche künftig noch veröffentlichen. Eine mögliche Kollision mit der Pressefreiheit wird dazu in Kauf genommen. Von den Molkereien, deren Lieferverträge auf Referenzpreisen anderer Betriebe beruhen, verlangen die Kartellwächter baldmöglichst eine Umstellung.

Uneinigkeit auf Erzeugerseite 

Das Kartellamt sieht sich im geplanten „Verbot“ der Milchpreisvergleiche offenbar auch durch die Tatsache bestätigt, dass sich die landwirtschaftlichen Verbände und Organisationen nicht auf eine gemeinsame Position hatten einigen können. Während der Bayrische Bauernverband (BBV), der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) und die Bayrische Milcherzeugergemeinschaft gegen die Veröffentlichung von Milchpreisvergleichen ausgesprochen hatten, hatte der Deutsche Bauernverband (DBV) sich für den Erhalt der Vergleiche stark gemacht. Der BBV hat zudem darauf hingewiesen, dass sich seiner Einschätzung nach im Rahmen von Referenzpreismodellen leistungsfähige Molkereien als Referenzpreisgrundlage den Auszahlungspreis schwächerer Molkereien suchten. Dieses Risiko sieht der DBV nicht, da zwischen den Milchauszahlungspreisen in Nord- und Süddeutschland ein nennenswerter Unterschied bestehe. Zudem hat das Bundeskartellamt nach eigenen Angaben eine Reihe von Anfragen von Milcherzeugervereinigungen und Molkereien erhalten, die um eine kartellrechtliche Einschätzung für Referenzpreisklauseln in ihren Milchlieferverträgen gebeten haben.

Kritische Anmerkungen zum EU-Milchpaket

Kritisch geht das Amt mit dem EU-Milchpaket um, welches voraussichtlich im April in Brüssel verabschiedet werden wird. Das Bundeskartellamt begrüßt zwar, dass die Errichtung von Branchenorganisationen der Entscheidung des jeweiligen Mitgliedstaates vorbehalten bleibt. Soweit Branchenorganisationen lediglich den Konsum von Molkereiprodukten beispielsweise durch Information der Öffentlichkeit und Erforschung von Exportbedingungen unterstützen, dürfte dies kartellrechtlich nicht zu beanstanden sein. Mit Hilfe der Branchenorganisation dürfen jedoch keine An- oder Verkaufspreise bzw. Preisbestandteile festgesetzt werden und Marktsteuerung durch Mengenregulierung vorgenommen werden. Die Branchenorganisation darf auch kein Forum für den Austausch derartiger Informationen darstellen.
Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht sind insbesondere auch die hohen Schwellenwerte zur Anerkennung von Erzeugergemeinschaften auf der Grundlage des Milchpaketes zu kritisieren. Der Entwurf sieht überwiegend eine einheitliche Regelung für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor und trägt damit dem Umstand nicht ausreichend Rechnung, dass die realen Marktbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr stark divergieren.
Die Bestrebungen zur Schaffung von mehr Markttransparenz, beispielsweise über die Etablierung von Standardverträgen zwischen Molkereien und Erzeugern, sind dann kartellrechtlich problematisch, wenn sie zur Offenlegung von wichtigen wettbewerbsrelevanten Vertragsbestandteilen führen. Bei verbreiteter Verwendung von Verträgen mit einheitlichen Konditionen- oder Preisbestandteilen würde eine Preisbindung nicht nur vertikal, also im Verhältnis der Molkereien zu den Erzeugern, sondern zugleich horizontal, also auf der Stufe der Vertragspartner und ihrer jeweiligen Wettbewerber erfolgen. Eine entsprechende vertikale Preisbindung und/oder horizontale Preisabsprache zwischen Unternehmen wäre nach deutschem und europäischem Kartellrecht eine verbotene Kernbeschränkung.