Futteruntersuchung

Der Pansensynchronisation ein Stück näher gekommen

In Kanada wurde unlängst eine Methode (Fermenrics) entwickelt, mit der sich die Abbaukinetik verschiedener Futtermittel oder von TMR darstellen lässt. So lassen sich Geschwindigkeit und Ausmaß der Fermentation sowie der Umfang der mikrobiellen Proteinbildung schätzen.

Ziel der Rationsberechnung für Milchleistungskühe ist, eine bedarfsgerechte Versorgung mit Rohnährstoffen (insbesondere von Energie und Eiweiß) in Abhängigkeit von der Milchleistung sicherzustellen. In der Rationsberechnung werden jedoch die einzelnen Nähr- und Wirkstoffe ausschließlich addiert, nicht berücksichtigt wird, dass die verschiedenen Komponenten im Pansen unterschiedlich schnell abgebaut werden. Vor allem im höheren Leistungsbereich ist aber die zeitgleiche (synchrone) Bereitstellung von Protein und Energie für eine effiziente Verdauung im Pansen entscheidend, da nur so ein Optimum an mikrobiellem Wachstum erreicht wird.
In Kanada wurde unlängst eine Methode (Fermentrics) entwickelt, mit der sich die Abbaukinetik verschiedener Futtermittel oder von TMR darstellen lässt. So lassen sich im Ergebnis Geschwindigkeit und Ausmaß der Fermentation sowie der Umfang der mikrobiellen Proteinbildung schätzen. 
Fermentrics ist ein neuer in vitro Gas-Test, ähnlich dem bekannten „Hohenheimer Futterwert-Test“. Mittels Verwendung von Pansenflüssigkeit wird die Abbaukinetik (Untersuchung der Abbaugeschwindigkeit) von Futterproben gemessen. Dabei erfolgt eine kontinuierliche Messung der Menge des im in vitro System von Mikroorganismen gebildeten Gases (CO2, Methan). Darüber lässt die Untersuchungsmethode die Differenzierung von Kohlenhydraten in „schnelle Energie“ und „langsame Energie“ zu (Kohlenhydratfraktinen B1, B2 und B3). Zudem liefert Fermentrics Hinweise zur Proteinversorgung: Einerseits wird die Menge mikrobiell gebildeten Proteins ermittelt und andererseits wird der Anteil löslichen Protein mittels eines mikrobiellen Ansatzes bestimmt. 

Proben werden in Deutschland vorbereitet, in Kanada untersucht

Durchgeführt wird die Fermentrics Analyse im Labor von RFS Technologies in Ottawa, Kanada. Futterproben (Einzelfuttermittel oder TMR) müssen zunächst in das Pioneer Silagelabor nach Buxtehude gesendet werden. Dort werden sie bei max. 60 °C getrocknet, auf 1 bis 6 mm vermahlen und anschließend weiter nach Kanada zur Analyse gesandt. Dort wird dann die Pansenflüssigkeit von Kühen eines nahegelegenen Milchviehbetriebes genutzt. Die Spenderkühe haben eine Milchleistung von mindestens 15 kg/Tag, werden täglich zwei Mal gemolken und mit einer Standardration ( 60 % Grundfutter, 20 % Stärke in der Ration; kein BST) gefüttert. Die Entnahme der Pansenflüssigkeit erfolgt ca. drei Stunden nach Fütterung. Die Gesamtgasmenge der Probe wird über einen Zeitraum von 48 Stunden gemessen. Die gesamt anfallenden Kosten einer Analyse beziffert Pioneer mit etwa 170 €.

Nachfolgende Informationen geben Hilfestellung bei der Interpretation der teils ungewohnten Parameter. Die ebenfalls angegebenen Erfahrungs- und Richtwerte basieren auf ca. 200 Analysen von TMR-Proben im Zeitraum Januar bis Juli 2011. 

Interpretation des Abbaukinetik-Diagramms

Langsamer Pool: Die Gasmenge stammt vor allem aus Hemizellulose, Zellulose sowie „langsamer“ Stärke.
Schneller Pool: Die Gasmenge entsteht vor allem aus „schneller“ Stärke und löslichen Faserbestandteilen. 
Abbauraten (Kd): Die Abbauraten sind berechnete, stündliche Maximal-Abbauraten der Kohlenhydrat-Fraktionen. Die Fermentrics Abbauschätzungen der B-Pools liefern deutlich realistischere Werte für die Rationsgestaltung, als Tabellenwerte zum Faserabbau, die häufig auf den Gehalten an NDF und Lignin oder auf statistischen Messungen der Zellwandverdaulichkeit (NDFD) beruhen.

Komponente

Mittelwert

Min

Max

Gerste

88

Geste-Flocken

135

Sojaschrot

165

210

Gras

55

Grasheu

88

28

168

Maissilage ungetrocknet

110

40

237

Feuchtmais

290

Maismehl

180

52

275

TMR

134

77

177

Mikrobielle Biomasse (mg/g): Die mikrobielle Biomasse Produktion (MBP) wird direkt durch Untersuchung des Rückstandes nach 48-stündiger Inkubation der Probe in dem Gastest gemessen: Der NDF-Gehalt des Rückstandes wird untersucht. Der Unterschied des Gewichtes des Substrates vor und nach der NDF-Untersuchung entspricht der Mikrobiellen Biomasse Produktion. Die Bandbreite gefundener Werte liegt bei 60 bis 160 mg/g. Je höher die MBP, desto höher die Milchleistung: Soweit die TM-Futteraufnahme der Kühe bekannt ist, kann man aus MBP die mXP-Menge geschätzt werden (MBP x 0,45 x 1,3 x TM = mXP). 

Umsetzung in der Praxis

  • Abbauraten von unter 5 % pro Stunde sind eine Folge schlecht verdaulicher Grundfuttermittel. Eine schlechte Futter- und Energieaufnahme sowie weniger mikrobiell im Pansen gebildeten Proteins sind die Folge. Abhängig von der Gasmenge aus dem schnellen Pool ist eine Erhöhung der Rationsanteile von Futtermitteln mit schnell abbaubaren Faserbestandteilen (z.B. Zuckerrübenschnitzel) zu empfehlen (teilweise sind die tatsächlichen Abbaugeschwindigkeiten im Pansen deutlich geringer als im Fermentrics Ergebnis – nämlich dann, wenn Stärkekörner nicht ausreichend beschädigt / angeschlagen / vermahlen sind).
  • Abbauraten von über 25 % pro Stunde weisen auf das Risiko von Pansen-Azidosen, und Klauenproblemen hin.
  • Lösliches Protein: Soweit die Menge löslichen Proteins unterhalb des Zielbereiches liegt, kann es zu Energieverschwendungen im Pansen kommen. Das Wachstum der Pansenmikroorganismen ist dadurch gehemmt. In diesem Fall kann die Erhöhung des Anteils löslichen Proteins in der Ration zu mehr mikrobiell gebildetem Eiweiß und zu einer besseren organischen Masse führen. Aus mXP und UDP lässt sich dann die Menge der Kuh zur Verfügung stehenden Proteins berechnen. Das heißt, bei einem niedrigen Wert für MBP muss die UDP-Menge bei gleicher Milchleistung umso höher sein.
  • Relative Times : Max Rate (relative Zeit bis zur maximalen Abbaugeschwindigkeit): Dieser Wert ist wichtig zur Beurteilung der Synchronität der Pansenfermentation. Erfahrungsgemäß bleibt bei einem Unterschied von 10 Stunden oder mehr zwischen den Maxima für den langsamen bzw. den schnellen Pool häufig die Milchleistung oder die Milchinhaltsstoffe hinter dem Optimum zurück. Daher ist bei einem großen Unterschied der Einsatz einer mittelschnell abbaubaren Energiequelle zu empfehlen: Körnermais kann den schnellen Pool relativ verlangsamen während Maissilage oder jung geschnittene Gras- oder Luzernesilagen den langsamen Pool etwas schneller machen.

 
Fermentrics

Maissilagen mit unterschiedlicher Verdaulichkeit: Die Gasbildung des langsamen Pool tritt in der Silage 2010 (links) deutlich verzögert ein, weshalb auch die mikrobielle Proteinausbeute deutlich geringer ausfällt (88 zu 150). (Bildquelle: Elite Magazin)

  • Abbauraten von unter 5 % pro Stunde sind eine Folge schlecht verdaulicher Grundfuttermittel. Eine schlechte Futter- und Energieaufnahme sowie weniger mikrobiell im Pansen gebildeten Proteins sind die Folge. Abhängig von der Gasmenge aus dem schnellen Pool ist eine Erhöhung der Rationsanteile von Futtermitteln mit schnell abbaubaren Faserbestandteilen (z.B. Zuckerrübenschnitzel) zu empfehlen (teilweise sind die tatsächlichen Abbaugeschwindigkeiten im Pansen deutlich geringer als im Fermentrics Ergebnis – nämlich dann, wenn Stärkekörner nicht ausreichend beschädigt / angeschlagen / vermahlen sind).
  • Abbauraten von über 25 % pro Stunde weisen auf das Risiko von Pansen-Azidosen, und Klauenproblemen hin.
  • Lösliches Protein: Soweit die Menge löslichen Proteins unterhalb des Zielbereiches liegt, kann es zu Energieverschwendungen im Pansen kommen. Das Wachstum der Pansenmikroorganismen ist dadurch gehemmt. In diesem Fall kann die Erhöhung des Anteils löslichen Proteins in der Ration zu mehr mikrobiell gebildetem Eiweiß und zu einer besseren organischen Masse führen. Aus mXP und UDP lässt sich dann die Menge der Kuh zur Verfügung stehenden Proteins berechnen. Das heißt, bei einem niedrigen Wert für MBP muss die UDP-Menge bei gleicher Milchleistung umso höher sein.
  • Relative Times : Max Rate (relative Zeit bis zur maximalen Abbaugeschwindigkeit): Dieser Wert ist wichtig zur Beurteilung der Synchronität der Pansenfermentation. Erfahrungsgemäß bleibt bei einem Unterschied von 10 Stunden oder mehr zwischen den Maxima für den langsamen bzw. den schnellen Pool häufig die Milchleistung oder die Milchinhaltsstoffe hinter dem Optimum zurück. Daher ist bei einem großen Unterschied der Einsatz einer mittelschnell abbaubaren Energiequelle zu empfehlen: Körnermais kann den schnellen Pool relativ verlangsamen während Maissilage oder jung geschnittene Gras- oder Luzernesilagen den langsamen Pool etwas schneller machen.

Fermentationseigenschaften der TMR

Die Gesamtgasbildung und die relativen Anteile der Gasmengen je Pool lassen eine Abschätzung der Fermentationseigenschaften der TMR zu:
  • Gasmengen über 40 ml weisen auf besonders viel gebildetes Azetat bzw. wenig Propionat hin. Wenn die Gasmenge des schnellen Pools 40 ml übersteigt, fehlt den Pansenmikroorganismen Energie, so dass die mXP-Menge suboptimal ist. Eine entsprechende Energiequelle sollte daher ergänzt (Getreide) und langsamere Grundfuttermittel oder Schnitzel reduziert werden.
  • bei einem langsamer Abbau des langsamen Pools scheinen schnell abbaubare faserhaltige Futtermittel (z.B. Zuckerrübenschnitzel) eine gute Ergänzung. Allerdings wird dadurch die Gasmenge zwar ansteigen, aber nicht zur Bildung von mehr Propionat (entsteht v.a. aus Stärke) führen und somit nicht notwendigerweise die Milchleistung erhöht.
  • Eine hohe Gesamtgasbildung (z.B. 100 ml) ist ein Anzeigen für die hervorragende Gesamtverdaulichkeit einer Ration. Sicherzustellen ist in  diesem Fall, dass a) nicht die Stickstoffversorgung der Pansenmikroorganismen im Mangel ist und b) nicht die Energieversorgung der Pansenmikroorganismen durch zu wenig Stärke begrenzend ist.

  • Gasmengen über 40 ml weisen auf besonders viel gebildetes Azetat bzw. wenig Propionat hin. Wenn die Gasmenge des schnellen Pools 40 ml übersteigt, fehlt den Pansenmikroorganismen Energie, so dass die mXP-Menge suboptimal ist. Eine entsprechende Energiequelle sollte daher ergänzt (Getreide) und langsamere Grundfuttermittel oder Schnitzel reduziert werden.
  • bei einem langsamer Abbau des langsamen Pools scheinen schnell abbaubare faserhaltige Futtermittel (z.B. Zuckerrübenschnitzel) eine gute Ergänzung. Allerdings wird dadurch die Gasmenge zwar ansteigen, aber nicht zur Bildung von mehr Propionat (entsteht v.a. aus Stärke) führen und somit nicht notwendigerweise die Milchleistung erhöht.
  • Eine hohe Gesamtgasbildung (z.B. 100 ml) ist ein Anzeigen für die hervorragende Gesamtverdaulichkeit einer Ration. Sicherzustellen ist in  diesem Fall, dass a) nicht die Stickstoffversorgung der Pansenmikroorganismen im Mangel ist und b) nicht die Energieversorgung der Pansenmikroorganismen durch zu wenig Stärke begrenzend ist.

Das Fermentrics_Modell basiert auf Forschungsergebnissen folgender Institutionen: Cornell Universität (USA), Universität Kentucky (USA), Universität Hohenheim (Deutschland) und Central Veterinary Institute of Wageningen UR (Niederlande).