Erbfehler

Zwergwuchs bei Fleckvieh

„Zwergwuchs“ bei Fleckvieh ist schon seit langer Zeit bekannt. Jedoch häuften sich in letzter Zeit die Hinweise aus der Praxis auf Zwergwuchsfälle bzw. Missbildungen bei Nachkommen des Bullen WILLE (DE 08 13516428). Das veranlasste Wissenschaftler der ZuchtData Wien, diesem Phänomen auf den (genetischen) Grund zu gehen. So können Risikoanpaarungen vermieden werden.

Zwergwüchsige Kälber weisen niedrige Geburtsgewichte und ein eingeschränktes Wachstum auf. Die Frequenz dieses Erbfehlers ist in der Fleckviehpopulation sehr niedrig. Bei zufälligen Paarungen sind nur 3 zwergwüchsige Kälber bei 100.000 Geburten zu erwarten. Eine Analyse der Zwergwuchshäufigkeit von WILLE, basierend auf der Erfassung der Missbildungen im RDV, zeigte in Österreich nur geringfügig erhöhte Werte (19 Fälle, 0,07 % bei über 20.000 geborenen Kälbern), in Bayern noch unauffälliger (1 Fall oder 0,01 % bei über 23.000 geborenen Kälbern). Die verwendete Bezeichnung „DW“ bezieht sich auf den englischen Begriff„dwarfism“ für Zwergwuchs.

Test auf Zwergwuchs entwickelt

Durch Meldungen der Züchter und Tierärzte und die rasche Reaktion der OÖ Besamungsstation GmbH konnten von zwei WILLE-Kälbern mit Zwergwuchs Proben gezogen werden. Bei der Analyse der Daten aller 25.000 genotypisierten Fleckviehtiere konnte ein Abschnitt im Genom (Haplotyp) auf Chromosom 3 identifiziert werden, der nur bei den beiden Zwergwuchs-Kälbern reinerbig (homozygot) auftritt. Das ist als eindeutiger Hinweis auf einen Defektgenort für Zwergwuchs in diesem Bereich zu werten. Damit ist nun ein Test auf Zwergwuchs beim Fleckvieh verfügbar.

WILLE ist Anlageträger

In der Fleckviehzucht wird der Stier POLZER (geb. 1959) bereits seit den 70-er Jahren als Träger von Zwergwuchs angesehen. Früher wurde dem Rechnung getragen, indem bei Stieren mit Polzer–Blut empfohlen wurde, „Nicht auf Polzer anpaaren“. Von einigen weiteren Stieren, wie zum Beispiel Benja, Lavent, Maurer, Patron, Rasputin und Robert, die alle auf POLZER zurückgehen, wurde dieses Problem ebenfalls berichtet. WILLE galt bisher als unbedenklich, obwohl auch bei ihm POLZER im Stammbaum vorkommt. Mit dem neuen Test der ZuchtData wurde nun zweifelsfrei bestätigt, dass WILLE Anlageträger für Zwergwuchs ist.

Risikoanpaarungen vermeiden

Wir empfehlen daher, Bullen, die Träger des Allels sind, nicht mehr für den Besamung- und Natursprungeinsatz zu wählen und wir raten dringend dazu, Risikoanpaarungen strikt zu vermeiden. So sollte beispielsweise der Merkmalsträger WILLE nicht an Tiere angepaart werden, bei denen ein anderer Merkmalsträger wie Rasputin, Lavent oder Robert im Pedigree aufscheint. Auch dürfen die zahlreichen WILLE-Töchter keinesfalls mit DW-Trägern belegt werden.

Zwergwüchsige Kälber gesucht

ZwergwuchsKalb

(Bildquelle: Elite Magazin)

Es ist allerdings zu beachten, dass der derzeit zur Verfügung stehende Haplotypentest nicht zu 100% sicher ist und daher Änderungen im Trägerstatus nicht auszuschließen sind! Derzeit läuft die Genotypisierung von drei weiteren Zwergwuchskälbern und von dem Bullen POLZER, um die gefundenen Ergebnisse weiter abzusichern. Ziel ist es aber, in Kooperation mit der TU München, den Genort für die Mutation so schnell wie möglich zu identifizieren. Dann hätte man einen Gentest zur Verfügung, mit dem eine hundertprozentig sichere Aussage getroffen werden kann, ob in einem sonst völlig gesunden Rind die Erbanlage für Zwergwuchs „versteckt“ ist. Dies ist mit dem derzeitigen Test noch nicht in allen Fällen möglich.

Quelle: Dr. Hermann Schwarzenbacher und Dr. Christian Fürst, ZuchtData Wien