Interview - Nach fünf Stunden sinkt die Biestmilchqualität

Elite: Sie empfehlen Biestmilch innerhalb von fünf Stunden nach der Kalbung zu melken. Was steckt dahinter?
Engelbrecht: Die Empfehlung basiert auf einer Untersuchung in Dänemark. Wir haben in 21 Betrieben mit 100 bis 1.250 Kühen die Versorgung der Kälber mit Immunglobulinen überprüft. 82% der Kälber, deren Mütter ein bis fünf Stunden nach der Kalbung gemolken wurden und das Kolostrum sofort vertränkt wurde, waren ausreichend mit Immunglobulinen versorgt. Wurden die Kühe später - also fünf oder mehr Stunden nach der Kalbung- gemolken, waren nur noch 51% der Kälber gut versorgt.
Elite: Je mehr Erstkolostrum man melkt, desto „dünner“ ist die Biestmilch. Gibt es eine Obergrenze beim ersten Gemelk?
Engelbrecht: Ja, ich würde empfehlen, nicht mehr als acht Liter des ersten Gemelks für die Biestmilchversorgung neugeborener Kälber zu nutzen. Dann kann man davon ausgehen, dass die Qualität noch unverdünnt ist. In der Praxis ist es allerdings so, dass manche Kühe 16 Liter und Färsen sogar nur vier Liter Kolostrum geben.
Elite: Wenn das Euter nach dem Kalben nicht vollständig ausgemolken wird, wirkt sich das negativ auf die Kuhgesundheit aus?
Engelbrecht: Grundsätzlich empfehle ich immer, die Kühe auszumelken. Ein kleiner Rest von max. 0,5 Liter darf im Euter bleiben. Ein zu gründliches Ausmelken schadet in einigen Fällen der Euter- und der Stoffwechselgesundheit. Dazu gibt es aber bisher keine belastbaren Daten. Die meisten Landwirte, die ich berate, haben ein gutes Gefühl für das zuviel oder zuwenig. Da gibt es wenig Probleme. Mangelt es an Qualität oder Quantität der Biestmilch, muss man einen kritischen Blick auf die Haltung und Fütterung in der Trockenperiode werfen.
Ph.D. Rikke Engelbrecht, Tierärztin bei Cowcon, Dänemark