… nicht nur Milcherzeuger, auch die Abnehmer von Milchprodukten „leiden“ unter dem Auf und Ab der Märkte. Die Margen bleiben klein, weshalb auch die Milchpreise nicht deutlich zulegen dürften.
Wir leben in einer Gesellschaft mit hohem gesellschaftlichem...
… nicht nur Milcherzeuger, auch die Abnehmer von Milchprodukten „leiden“ unter dem Auf und Ab der Märkte. Die Margen bleiben klein, weshalb auch die Milchpreise nicht deutlich zulegen dürften.
Wir leben in einer Gesellschaft mit hohem gesellschaftlichem Orientierungsstress und mit wachsender Unsicherheit gegenüber der Zukunft. Dies widerspricht dem Bedürfnis vieler Menschen nach Stabilität. Insbesondere Klimaschwankungen, Wirtschafts-krisen und die zunehmende Automatisierung/Digitalisierung drohen, das alltägliche Leben vieler Menschen in der westlichen Welt zu verändern. Wie und in welchen Maße diese fundamentalen Entwicklungen die Milchindustrie beeinflussen könnten, das war das bestimmende Thema der Konferenz.
Kommt die Milch bald aus der Fabrik?
Kaila Colbin von der im kalifornischen Silicon Valley beheimateten Denkfabrik Singularity University erklärte, dass Milchfarmer sich auf grundlegende Veränderungen einstellen müssten; durch technische Innovationen werde sogar ihre Existenz infrage gestellt. So sei beispielsweise absehbar, dass Proteine demnächst biotechnologisch hergestellt werden. Das könne dazu führen, dass die Milchproduktion (Erzeugung von Milcheiweiß) grundlegend und in Gänze infrage gestellt werde. Auf die Landwirtschaft/Milchproduktion bezogen prophezeite Colbin Veränderungen in drei Schlüsselbereichen:
- Eine weiter fortschreitende Entwicklung von Technologien, die Dinge automatisieren (z.B. selbstfahrende Traktoren oder Drohnen, mit denen Pflanzen auf ihre Erntereife hin überprüft werden können).
- Eine weiter fortschreitende Entwicklung von Technologien, die Dinge automatisieren (z.B. selbstfahrende Traktoren oder Drohnen, mit denen Pflanzen auf ihre Erntereife hin überprüft werden können).
- Einzug technologischer Entwicklungen aus anderen Industrien in die Landwirtschaft. Als Beispiel führte sie die LED-Beleuchtung an, deren Herstellungskosten sich um 95% verringert hat. Dies führe nun dazu, dass bald schon die „Indoor-Landwirtschaft“ (Gewächshaus) den Wettbewerb mit der traditionellen Landwirtschaft aufnehmen könnte.
- Einzug technologischer Entwicklungen aus anderen Industrien in die Landwirtschaft. Als Beispiel führte sie die LED-Beleuchtung an, deren Herstellungskosten sich um 95% verringert hat. Dies führe nun dazu, dass bald schon die „Indoor-Landwirtschaft“ (Gewächshaus) den Wettbewerb mit der traditionellen Landwirtschaft aufnehmen könnte.
- Die Entwicklung von Systemen zur biotechnologischen Herstellung von Nahrungsmitteln wie z.B. von Milch und Fleisch. Die Herstellungskosten dieser Produkte werden infolge des technologischen Fortschritts schnell fallen. Auch wenn derartige „künstlich“ hergestellte Nahrungsmittel zunächst (wahrscheinlich) noch von den Verbrauchern abgelehnt werden, so ist dennoch anzunehmen, dass sie einen Absatz finden werden, z.B. in Convenience-Produkten oder dort, wo große Mengen verbraucht werden bzw. zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit „günstigen“ Lebensmitteln. Die Herausforderung für die Milchbranche besteht laut Colbin darin, sich von diesen biotechnologischen Produkten zu differenzieren und die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen, indem sie die Stalltore öffnen und die Verbraucher direkt ansprechen (gläserne Produktion).
- Die Entwicklung von Systemen zur biotechnologischen Herstellung von Nahrungsmitteln wie z.B. von Milch und Fleisch. Die Herstellungskosten dieser Produkte werden infolge des technologischen Fortschritts schnell fallen. Auch wenn derartige „künstlich“ hergestellte Nahrungsmittel zunächst (wahrscheinlich) noch von den Verbrauchern abgelehnt werden, so ist dennoch anzunehmen, dass sie einen Absatz finden werden, z.B. in Convenience-Produkten oder dort, wo große Mengen verbraucht werden bzw. zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit „günstigen“ Lebensmitteln. Die Herausforderung für die Milchbranche besteht laut Colbin darin, sich von diesen biotechnologischen Produkten zu differenzieren und die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen, indem sie die Stalltore öffnen und die Verbraucher direkt ansprechen (gläserne Produktion).
Richtig reagieren auf Veränderungen
Der Gründer der Innovationsschmiede Minds at Work, Jason Clarke, erläuterte in seinem Vortrag, wie wichtig es ist, proaktiv auf Veränderungen zu reagieren und diese nicht grundsätzlich abzulehnen. „Veränderungen können aufregend und beängstigend zugleich sein“, weiß Clarke. Er empfahl den anwesenden Farmern und den Mitarbeitern aus der Milchbranche, wie Innovatoren zu denken, d.h. neugierig und offen für Herausforderungen zu sein. „Suchen Sie nach den Dingen, die Sie ärgern und verändern Sie diese!“ Zudem warnte Clarke davor an traditionellen Geschäftsmodellen festzuhalten, weiterhin reflexartig in diese zu investieren und nicht über Alternativen zu grübeln. Es sei an der Zeit, über Veränderungen nachzudenken, sofern sich „Dinge“ auf andere Weise einfacher erledigen lassen. So sei es heute einfacher zusammenzuarbeiten als zu konkurrieren und leichter Dinge zu teilen als zu besitzen.
Langfristige Kontrakte kaum möglich
Intensiv diskutiert wurde auch das Thema der Volatilität der (Milch-)Märkte. Seit nunmehr zehn Jahren zeigt sich der globale Milchmarkt extrem volatil. Bis zum Jahr 2007 veränderte sich der Milchpulverpreis nur selten um mehr als zehn Prozent. Dies lag vor allem an der interventionistischen Politik der USA und der EU. Drei australische Landwirte, ein Molkerei-Futures-Händler und zwei Vertreter von Lebensmittel produzierenden Unternehmen diskutierten die Auswirkungen der Volatilität.
John Droppert, Senior Analyst des Branchenverbands Dairy Australia, verwies darauf, dass nicht die freien Märkte an sich sondern die extremen Preisausschläge und deren zunehmende Häufigkeit viele Milchfarmer vor Probleme stellen. Die Volatilität wird manchmal durch den Markt selbst, durch Veränderungen von Angebot und Nachfrage wie z.B. das Freihandelsabkommens zwischen China und Neuseeland, der Einführung der Global Dairy Trade-Auktionen (Anm.: GDT = internationale Handelsplattform) ausgelöst, manchmal aber auch durch „Schocks“ wie z.B. durch die globalen Finanzkrisen und die Melamin-Panik in China. Versuche, Preisausschläge zu mildern, sind laut Droppert teuer und wirkungslos. Es sei nicht möglich, alle Einflussfaktoren zu kontrollieren. Zudem hätten sich einige Spekulanten und Unternehmen darauf spezialisiert, mit der Volatilität des Milchmarktes Geld zu machen.
Mike McIntrye, Futures-Händler bei First NZ Capital, zeigte auf, dass seit 2007 jede fünfte GDT-Auktion eine Bewegung von mehr als zehn Prozent in beide Richtungen verzeichnete. „Das hat dazu geführt, dass sich die Verarbeiter mit ihren Endkunden auf keine langfristigen Festpreisverträge mehr einigen können“, erläuterte McIntyre. „Eine stark fremdfinanzierte Branche und ein hohes Maß an Volatilität passen nicht ideal zusammen“, weiß der Börsenexperte. Milchfarmen werden deshalb unter diesen Vorzeichen bei plötzlich sinkenden Notierungen zunehmend anfälliger. Das haben auch die Milchverarbeiter erkannt, weshalb in der Branche jetzt auch verstärkt nach Lösungen gesucht wird, um den Milchfarmern zu helfen, die Volatilität besser zu managen. So bieten z. B. immer häufiger Molkereien Festpreismodelle an. Die neuseeländische Börse hat ein Milch-Futures-Produkt entwickelt, das Milchbauern einen festen Milchpreis von bis zu drei Jahren sichert.
Die Pennies zählen…
Ungewöhnlich offen erläuterten zwei Top-Manager der abnehmenden Seite, John Harney von Domino’s Pizza und John Olden von Mondelez Australia, warum sie sich nicht in der Lage sehen, höhere Milchpreise auszuzahlen!
John Harney (Group Chief Procurement Officer bei Domino’s Pizza) erklärte, dass seit dem Jahr 2004, als er in das Geschäft eintrat, Dominos eine Pizza für nur fünf Dollar verkaufte. „Auch heute verkaufen wir immer noch Fünf-Dollar-Pizzen! Wir haben absolut keine Preisbewegung in unserem Endprodukt! Das belastet unser Geschäft!“ Dennoch hat Domino’s während der letzten sieben Jahre zweistellige Umsatz- und Kundenzuwächse erreicht. Die Fast-Food-Kette verkauft jetzt 1,7 Millionen Pizzen pro Woche an 80.000 Kunden in Australien (größtenteils online). Mittlerweile kauft Domino’s jährlich in den USA 7.000 Tonnen Mozzarella ein für den australischen Markt (rund 30%). „Wir kaufen auch Schweine-, Rind-, Hühnerfleisch und frisches Gemüse, wir kennen die Volatilität des Agrarsektors nur zu gut“, erklärt Harney.
Um trotz der volatilen Rohstoffmärkte profitabel zu wirtschaften, setzt Domino’s auf feste Kontrakte. So wird der Preis für den Großteil des Mozzarellas für jeweils sechs Monate vereinbart, 20% sogar über einen Dreijahresvertrag in den USA. „Wenn wir Fünf-Dollar-Pizzen verkaufen, sind die Pennies beim Einkauf wichtig. Diesen Part können wir beeinflussen, also fokussieren wir uns darauf!“
John Olden, Leiter des Milcheinkaufs von Mondelez Australia, erklärte, dass der Milchmarkt der härteste Markt sei, in dem er jemals tätig gewesen sei. Wie John Olden weiter ausführte, hat sich das in der Schweiz ansässige Unternehmen beim Einkauf für seine australischen Aktivitäten komplett vom australischen Markt getrennt. Australische Produkte sind einfach nicht wettbewerbsfähig. „Wäre das anders, würden wir in Australien einkaufen!“ Die Kostenkontrolle wird im Unternehmen sehr groß geschrieben, weil die Verbraucher eben nun mal nicht bereit seien, mehr für das Endprodukt zu zahlen. Mondelez hat deshalb auch eine Preisrisiko-Management-Gruppe eingerichtet, welche die globalen Märkte analysiert.
Marktanalysten prognostizieren unter anderem Einkaufspreise und versuchen – sofern diese günstig erscheinen – sie festzuschreiben, zum Beispiel unter Verwendung von Futures. Allerdings habe man bei Milchprodukten diese Option nicht, da es keinen festen Preis für Milchprodukte gebe, beklagte Olden. Zwar nehmen Molkereiprodukte beim Ausgaben-Ranking des Unternehmens nur den dritten Platz ein, sie verursachten jedoch aufgrund der Volatilität des Marktes den meisten „Lärm“ in der Risikomanagementgruppe. Längerfristige Festpreisverträge könnten theoretisch funktionieren, meist würden sie aber an der Angst vor dem Verpassen guter Preise scheitern, weiß Olden. Die Angst mache es sowohl dem Verkäufer als auch dem Aufkäufer schwer, sich auf einen langfristigen Preis zu einigen. Ausdrücklich bezog er sein eigenes Unternehmen in diese Betrachtung mit ein: „Wenn unsere Führungsgruppe irgendwann einmal in der Zukunft den Preis sieht, den wir zahlen, dieser dann aber über dem Marktdurchschnitt liegt, dann sind sie nicht glücklich.“
Kritik an EU-Molkereien
Lino Saputo, CEO des gleichnamigen kanadischen Molkereikonzerns Saputo Inc. griff die Genossenschaftsmolkereien in der EU und in Neuseeland scharf an. Sie würden unverantwortlich handeln, indem sie immer wieder zu viel Milch auf den Markt schütten würden. Ein Molkereiunternehmen müsse sich seiner Marktverantwortung bewusst sein. Die Märkte mit Milch zu fluten, ohne dass diese Mehrmilch Abnehmer finde, sei unverantwortlich, so seine insbesondere an die EU-Molkereien gerichtete Kritik. Hinzu kommt, dass in der Regel die Übermilch nur zu günstigen Massenprodukten verarbeitet werde, was wiederum preisdämpfend wirkt. Es widerspreche zudem der ethischen Verantwortung einer guten Unternehmensführung! Die globale Nachfrage nach Milchprodukten wächst laut Saputo jährlich um 1,5 bis 2%. Mehr Milch dürfe deshalb auch nicht auf den Markt gelangen. „Das reicht, um der gesamten Milchbranche einen guten Einkommenszuwachs zu verschaffen!“
Insbesondere den europäischen Genossenschaftsmolkereien warf er vor, zunächst Verarbeitungskapazitäten aufzubauen, ohne sich um den Absatz zu kümmern. Unternehmerisch verantwortlich sei dies nicht („there’s a lack of leadership“)! Sind die Verarbeitungskapazitäten erstmal vorhanden, werde versucht die Milchbauern zu überreden, mehr Milch anzuliefern, um die Werke auszulasten. Das Verhalten führe letztlich nur zu einer Vorratslagerung (Intervention) und wenig später zu sinkenden Milchpreisen. Einzig FrieslandCampina nahm der CEO von seiner Kritik aus, da die Molkerei bei starker Überlieferung der Milchwerke keine zusätzlichen Milchmengen annehme. „FrieslandCampina hat den richtigen Weg beschritten!“
Saputo erklärte, dass die eigenen Milchwerke zu 98% ausgelastet seien. Obwohl das Unternehmen rasant gewachsen sei, habe man immer darauf geachtet, keine Überkapazitäten aufzubauen. Das bedeute aber nicht, dass Saputos Milchlieferanten nicht wachsen könnten. Im Gegenteil, betriebliches Wachstum sei immer durch die Investitionen und Übernahmen anderer Molkereien möglich. Zudem gehöre Saputo zu den besten Auszahlern.
„Wer loyal zu uns ist, zu dem sind wir auch loyal.“ Will heißen, wer dem Molkereikonzern die Treue hält, muss nicht damit rechnen, dass ihm der Liefervertrag gekündigt wird, wenn zum Beispiel ein Milchwerk geschlossen wird. Im Gegenteil, er kann bei nächster Gelegenheit und guter Marktlage sogar mehr Milch abliefern. Milchfarmer, die des öfteren die Molkerei wechseln, will Lino Saputo erst gar nicht an sich binden. „Wir denken in Generationen!“
G. Veauthier
G. Veauthier
Weitere Informationen zur Milchproduktion in Australien sowie Reportagen von Milch-farmen bei Elite Online unter
www.elite-magazin.de