Neuigkeiten von der Konferenz der praktizierenden Rinder-Tierärzte Nordamerikas.
Mitte September trafen sich 1.400 Rindertierärzte und Wissenschaftler zur 48. AABP-Konferenz in New Orleans. Eine Woche lang ging es nur um die Rindergesundheit.
Tierwohl in den Kinderschuhen
Wenn eine europäische Tierärztin in die USA reist, fragt sie...
Neuigkeiten von der Konferenz der praktizierenden Rinder-Tierärzte Nordamerikas.
Mitte September trafen sich 1.400 Rindertierärzte und Wissenschaftler zur 48. AABP-Konferenz in New Orleans. Eine Woche lang ging es nur um die Rindergesundheit.
Tierwohl in den Kinderschuhen
Wenn eine europäische Tierärztin in die USA reist, fragt sie sich zuerst, was ist hier anders. Vieles ist hier größer, effizienter und das Leben scheint noch schneller. Ein gutes Beispiel sind die riesengroßen Feedlots mit mehreren 10.000 Bullen, die den amerikanischen Fleischhunger stillen sollen. Die Bedingungen, unter denen die Bullen oft gehalten werden, haben wenig mit unserer Vorstellung von Tierwohl und restriktivem Antibiotikaeinsatz zu tun: Oft wird noch ohne Schmerzausschaltung enthornt oder die Tiere bekommen in Wildwest-Manier (einfangen, impfen, brennen) ein Brandzeichen aufgedrückt. Elektrische Viehtreiber sind nach wie vor im Einsatz. Ohne Fütterungsantibiotika und den Einsatz von Langzeitantibiotika scheint diese Haltung nicht zu funktionieren. Hochschulvertreter mahnen eine proaktive Rolle der Tierärzte in Sachen Tierwohl an. Ihre Stimmen sind in den USA aber noch sehr leise.
Hoher Antibiotikaverbrauch
Auch in Sachen Antibiotikaeinsatz sind die Daten und Fakten aus den USA aus europäischer Sicht nicht gerade vorbildlich: Antibiotische Leistungsförderer sind weiterhin erlaubt und werden bei über 60 % der Färsen und 63 % der Kühe eingesetzt.
Antibiotisch trockengestellt werden 93 % der Kühe. Das selektive Trockenstellen scheint in den USA kein Thema zu sein. Infektionen wie Mastitis, Klauenentzündungen und Rindergrippe werden zu 50 bis 80 % mit sogenannten Reserveantibiotika behandelt. Auch das Wachstumshormon BST (Bovines Somatotropin) ist weiterhin flächendeckend zur Leistungsförderung im Einsatz.
Neuer Fettleber-Marker
Vorbildlich in den USA ist allerdings das Monitoring von Tiergesundheitsparametern.
Hier wurden zahlreiche Studien präsentiert, wann und wie man am besten die subklinische Ketose erkennt. Obwohl das Ketose-Monitoring in den Vereinigten Staaten schon lange zum Standard gehört, wird die Technik weiter untersucht und verbessert. Neu in der Ketosediagnostik ist zum Beispiel der Nachweis eines Fettleber-Markers, dem sogenannten „Fetuin-A“.
Das Eiweißmolekül steigt im Blut bei Kühen mit starker Fettmobilisation bei ausgeprägter negativer Energiebilanz vor der Kalbung an. Der Insulinspiegel sinkt und es steht weniger Glukose im peripartalen Gewebe zur Verfügung. Weiterhin steigt die Entzündungsneigung. Das Eiweiß ist ein guter Vorhersagewert für das Auftreten von Krankheiten im geburtsnahen Zeitraum und genauer als die Messung der nicht veresterten freien Fettsäuren (NEFA-Werten).
Erweiterte Aktivitätsmessung
In den großen Herden der USA wird intensiv mit der Aktivitätsmessung gearbeitet. Pedometer an den Hinterbeinen erkennen mit hoher Genauigkeit die Aktivitätssteigerung in der Brunst. Das Icetube-Pedometer (Fa. Icerobotics) kann Daten über die Intervalle von Laufen, Stehen und Liegen der hochtragenden Kuh liefern. In einer Studie konnten zwei bis vier Stunden vor der Geburt mehr Schritte, kürzere Liegeperioden und häufigeres Aufstehen erfasst werden. Die Kalbekontrolle wurde effizienter und die Totgeburtenraten ging zurück. Ein zweites Vorsage-Tool dient der Messung der Wiederkauktivität. Der Sensor (HR-Tag-rumination monitoring-system) wird am Halsband befestigt und liefert Daten in die Herdenmanagementsoftware. In einer Studie mit 200 Kühen wurde bei allen Kühen mit negativer Energiebilanz (NEFA 0,5 mmol/l, BHB 1,4mmol/l) ein Rückgang der Wiederkauaktivität gemessen. Dieses nicht invasive Tool könnte in Zukunft die Messung der negativen Energiebilanz im Blut sinnvoll ergänzen.
Maximal 20 % erhöhte BHB-Werte
Zu hohe Ketonkörper-Spiegel (β-Hydroxibutyrat: BHB) im Blut wirken sich negativ auf die Fruchtbarkeit und Krankheitsanfälligkeit der Kühe aus. Einer Studie nach fallen die Besamungsergebnisse mehr als 2,5-mal schlechter aus, wenn mehr als 20 % der Tiere nach dem Kalben erhöhte BHB-Werte im Blut haben. Dieser Wert gilt deshalb als Grenz- und Schwellenwert im Herdenmanagement und bei der Schwachstellenanalyse. Wird der Wert überschritten, muss intensiv nach Ursachen geforscht werden.
Ketose-Diagnostik
Die β-Hydroxibutyratmessung im Blut in den ersten zwei Wochen nach dem Kalben zeigt Kühe mit ausgeprägter negativer Energiebilanz an, deren energetischer Stoffwechsel durch Propylenglykol unterstützt werden sollte. Je genauer der Test ist, desto gezielter können Problemtiere erkannt und behandelt werden. Gängige Stalltests sind meist nicht so genau wie die BHB-Laboruntersuchung (Goldstandard). In einer Studie wurden drei gängige Tests verglichen. In Sachen Genauigkeit schnitt der PrecisonXtra-Test besonders gut ab. Er ist freiverkäuflich im Internet. Nachteil ist, dass der Test kälteempfindlich ist und die Teststreifen in Deutschland im Verhältnis teurer geworden sind. Sehr genau ist auch der Novavet- Ketosetest. Er ist nicht kälteempfindlich und wird über Tierarztpraxen vertrieben. Der Preis der Teststreifen liegt unter den vorher genannten. Im nächsten Jahr kann in Deutschland über Tierarztpraxen das BHB-Messgerät bezogen werden. Es ist genau, hat günstige Teststreifen, muss im Winter aber aufgrund der Kälteempfindlichkeit am Körper getragen werden. Bei einer Temperatur von 5 bis 30° Celsius misst der Test mit hoher Genauigkeit. Darunter und darüber kommt es zu falschen Testergebnissen von bis zu fünf Prozent. Das liegt an der temperaturempfindlichen Enzymreaktion der Teststreifen. Der Milch-Ketontest wurde in der amerikanischen Studie wegen der Ungenauigkeit nicht empfohlen.
Vorsicht mit Dexamethason
Die Standardtherapie der subklinischen Ketose nach Schnelltest besteht in der Propylenglykol-Verabreichung mit oder ohne einer einmaligen Injektion von Dexamethason.
In einer kanadischen Studie mit 508 Milchkühen untersuchten die Kollegen die Auswirkungen, die diese Therapie auf den Behandlungserfolg, die Milchleistung und die Krankheitsanfälligkeit hat. Bei allen Kühen wurde ab dem dritten Laktationstag zweimal im Wochenabstand der BHB-Wert im Blut bestimmt. Kühe mit Werten über 1,2 mmol/l erhielten vier Tage lang 300 ml Propylenglykol und wurden dann je nach Gruppenzugehörigkeit entweder Dexamethason intramuskulär behandelt oder nicht. In beiden Behandlungsgruppen gab es im Schnitt 50 % Therapieversager, d. h., dass Kühe zwei Wochen nach der Therapie immer noch hohe BHB-Werte zeigten. Die Therapie hatte weiterhin keine Auswirkungen auf die Krankheitsanfälligkeit in der Frühlaktation und die Milchleistung.
Bei diesen ernüchternden Versuchsergebnissen sollte man sich ernsthaft fragen, ob sich der Aufwand der Ketosediagnostik und Ketosetherapie überhaupt lohnt. Ein wichtiges Detail der Studie zeigt, dass es dreimal mehr Therapieversager gab, wenn Milchkühe einen BHB-Wert über 2 mmol/l zeigten. Das könnte mit den Nebenwirkungen der Dexamethason-Therapie erklärt werden. Denn Glukokortikoide (z. B. Dexamethason) bauen Strukturproteine ab und verstärken die Lipolyse. Zu hohe Blut-Glukosespiegel verursachen Gefäßschäden und Übersäuerung des Stoffwechsels. Außerdem schwächen sie die Abwehrkräfte der Tiere.
Marion Tischer