Die American Dairy Science Association (ADSA) hat im Frühjahr ebenfalls dem Thema Aufzucht eine eigene Konferenz gewidmet.
Hintergrund ist, dass in den letzten Jahren viel zum Thema Kälberaufzucht geforscht worden ist, allerdings endete das Interesse der Wissenschaftler...
Die American Dairy Science Association (ADSA) hat im Frühjahr ebenfalls dem Thema Aufzucht eine eigene Konferenz gewidmet.
Hintergrund ist, dass in den letzten Jahren viel zum Thema Kälberaufzucht geforscht worden ist, allerdings endete das Interesse der Wissenschaftler zumeist mit der Entwöhnung der Kälber von der Tränke. Heranwachsende Rinder standen bislang kaum im Fokus der Aufmerksamkeit. Ähnliches ist in der Praxis zu beobachten: Auch hier gilt zumeist die gesamte Aufmerksamkeit den Tränkekälbern. Sind diese entwöhnt und umgestallt, dann müssen die jungen Rinder oft irgendwie alleine bis zum Abkalben zurechtkommen. Das gilt insbesondere für Phasen geringer Milchpreise. Während der Preistäler wird nur allzu gerne im Rinderstall gespart (u.a. Arbeitskosten). Dabei benötigen die jungen Rinder während ihrer gesamten „Kinderstube“ die größtmögliche Aufmerksamkeit. Die ADSA hat deshalb das Management der Aufzuchtphase nach dem Absetzen zum Thema ihrer Konferenz erhoben (32nd ADSA Discover-Conference).
Erst in der 3. Laktation ausgewachsen
Jim Drackley, Universität Illinois, wies darauf hin, dass bei einer intensiven Fütterung die Rinder ihre genetisch festgelegte Größe (Rahmen) frühzeitiger erreichen als bei einer verhaltenen Nährstoffversorgung. Das Knochengerüst (Skelett) und die inneren Organe entwickeln sich nicht im Gleichklang. Am schnellsten nach der Geburt bildet sich das Nervensystem aus, gefolgt von dem Skelett. Die Muskeln wachsen langsamer als die Knochen. Die Fettdepots bilden sich erst gegen Ende der Aufzuchtphase, nach der vollständigen Entwicklung der Muskeln. Deshalb hat es auch den Anschein, dass die jungen Rinder zunächst erst im Rahmen wachsen und dann erst im Umfang.
Rinder bzw. Milchkühe sind erst mit Beginn der dritten Laktation vollständig ausgewachsen (100% Lebendmasse). Die Geschlechtsreife (Pubertät) setzt aber schon sehr früh ein, mit Erreichen von 45 bis 50% des endgültigen (genetisch determinierten) Endgewichts. Bei Jungrindern der Rasse Holstein (700 bis 750 kg Lebendmasse) ist dies etwa mit 320 bis 350 kg der Fall. Sobald die Tiere 55% ihres Endgewichtes erreicht haben (ca. 385 bis 410 kg) sind sie (biologisch) besamungsbereit. Zum Zeitpunkt der ersten Abkalbung sollten die Rinder rund 82% ihres endgültigen Gewichts auf die Waage bringen (Holsteins: ca. 575 bis 615 kg), zu Beginn der zweiten Laktation dann etwa 92% (Holsteins: ca. 640 bis 690 kg).
Um diese Kennwerte zu erreichen müssen die Rinder – bei einem linearen Wachstumsverlauf – vom ersten Lebenstag an 850 g täglich an Gewicht zulegen. Oftmals fallen die Tageszunahmen bei einer intensiven Fütterung aber höher aus. Die oft geäußerte Vermutung, dass Tageszunahmen von 1.000 g und mehr zu einer Beeinträchtigung bei der Bildung des Eutergewebes führen (Verfettung der Euteranlage), gilt zumindest bei den Holsteins als überholt, so Kristy Daniels von der Virginia Tech Universität. Um einer angeblichen Verfettung vorzubeugen, würden in der Praxis immer wieder vor allem ältere (tragende) Rinder zu knapp mit Nährstoffen versorgt. Das „Einbremsen“ der Aufzuchtrinder dürfe nicht mehr im letzten Drittel der Trächtigkeit erfolgen, so Daniels. In den letzten Wochen vor dem Abkalben müssen die hochtragenden Rinder intensiv gefüttert werden, da neben dem eigenen Wachstum ja auch noch der Fötus versorgt werden will und zudem noch weitere Nährstoffe zur Euterentwicklung benötigt werden.
Stress durch Hitze und Kälte
Das Wachstum der Rinder wird nicht nur massiv durch die Fütterung, sondern auch durch die Umweltbedingungen beeinflusst, u.a. durch das Klima. Sowohl Hitze- als auch Kältestress beeinflussen in nicht unerheblichem Ausmaß den Stoffwechsel und den Reproduktion-Zyklus. Wie Jaymelynn Farney von der Kansas State Universität ausführte, kann unter starkem Hitzestress die Futteraufnahme bis zu 23% absinken. Bis zu 40% der Rinder können in der Folge Eierstockszysten entwickeln. Auch steigt der Anteil embryonaler Frühaborte mit zunehmender Umgebungstemperatur an. Bei Kältestress sind ähnliche Symptome bei den Tieren zu beobachten. Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind laut Farney die Auswirkungen von Atemwegserkrankungen. Diese führen zu einem verzögerten Wachstum, schlimmstenfalls sogar zur Zwangsmerzung der Rinder. Ausreichend und saubere Luft im Jungviehstall und gesunde Lungen sind mit eine der wichtigsten Voraussetzungen zur erfolgreichen Aufzucht von Milchrindern.
Überbelegung schadet Fruchtbarkeit
Rinderställe werden gerne überbelegt. Dies sollte ebenso wie im Kuhstall unterbleiben, denn ein mangelndes Platzangebot kann sich äußerst kontraproduktiv auf die Aufzuchtergebnisse auswirken. Dass sich rangniedere Kühe immer hinten anstellen müssen, ist hinreichend bekannt. Je geringer der soziale Rang innerhalb der Herde, desto länger muss eine Kuh warten, bis sie sich zum Futtertisch begeben darf. Auch bei der Belegung der Liegeplätze muss sich eine Jungkuh oft hinten einreihen. So kann es durchaus passieren, dass eine Jungkuh stundenlang im Gang warten muss, bis ihr eine Liegefläche „gewährt“ wird. Vielfach unbekannt ist jedoch, dass auch im Rinderstall, in Gruppen gleichaltriger Tiere, bereits eine deutliche hierarchische Rangordnung vorzufinden ist. Dies kann insbesondere bei überbelegten Ställen die Fruchtbarkeitsleistung der Rinder negativ beeinflussen. So tritt bei rangniederen Rindern die Geschlechtsreife oft erst etwas später (16 Tage) ein. Zudem bilden sie weniger und kleinere Follikel aus. Einige Experten erwarten, dass mithilfe von Genomics sich künftig die Selektion der Rinder auf „Temperament“ forcieren lassen wird. Über diesen Umweg könnten sich die Reproduktionsleistungen letztlich verbessern lassen.
Dass im Herdenmanagement alles daran gesetzt werden sollte, Stress in der Aufzucht zu vermeiden, darauf verwies auch Trevor deVries von der kanadischen University of Guelph. In mehreren Forschungsvorhaben gelang ihm der Nachweis, dass junge Kälber schnell lernen, eine Futterration zu selektieren. Er empfiehlt deshalb, besonders bei einem geringen Tier:Fressplatz-Angebot, eine sehr intensiv gemischte TMR vorzulegen. Das gilt insbesondere im Fall einer Änderung der Futtermischung (Futtermittelwechsel).
Trockensteller vor der ersten Kalbung?
Färsenmastitis war ein weiteres Thema, das intensiv diskutiert wurde. Steve Nickerson, University of Georgia, verwies in diesem Zusammenhang auf den großen Anteil subklinisch infizierter Euter. So sind beispielsweise im Südosten der USA (feucht warmes Klima) bis zu 30% der Euter mit S.aureus infiziert.
Bei Weidehaltung sind sogar vor der Kalbung bis zu 60% der hochtragenden Färsen subklinisch an Mastitis erkrankt! Besonders auf Weiden werden die Erreger gerne von Fliegen übertragen. Der Experte empfiehlt bei Problemen mit Färsenmastitis, sofern Umwelterreger vermehrt nachgewiesen werden, auf einen Zitzenversiegler zurückzugreifen Stellt sich kein Erfolg ein, dann bleibe die Injektion eines Antibiotikum, drei Wochen vor dem Abkalben, die einzige Behandlungsalternative. In beiden Fällen lassen sich sehr hohe Heilungsgraten ( 89%) erzielen.
Tipp: Da sich die Färsen vor dem Abkalben nicht gerne am Euter behandeln lassen und um den Stress vor dem Abkalben zu minimieren, ist es ratsam, die Tiere ca. vier Wochen vor dem errechneten Kalbetermin in einem Behandlungsstand gründlich zu untersuchen (Klauen und Euter). Wichtig ist zudem, dass ein Euterinjektor nicht vollständig in die Zitze eingeführt wird, denn das würde unweigerlich zu Verletzungen des Strichkanals führen und das Risiko einer bakteriellen Besiedelung erhöhen. Es genügt, den Injektor 2 bis 3 mm weit in den Strichkanal zu schieben.
Optimieren lässt sich die Eutergesundheit grundsätzlich durch eine Supplementierung der Rinder mit Mineralstoffen (Selen/Vitamin E, ß-Carotin/Vitamin A, Kupfer und Zink). Eine nachweislich positive Wirkung hat ebenfalls der Futterzusatzstoff OmniGen-AF.
Zu viele Atemwegserkrankungen
Welche Auswirkungen Erkrankungen während der Aufzuchtphase haben können, zeigte Michael Overton, Elanco Animal Health, anhand der Daten von vier größeren Testherden aus den USA auf. Ausgewertet wurden die Daten von 13.725 Färsen. Demnach wurden bei mindestens 11% (maximal 53%) aller Rinder mindestens einmal während der Aufzuchtphase eine Atemwegserkrankung diagnostiziert. Zudem stellte sich heraus, dass insbesondere innerhalb der ersten 150 Aufzuchttage (5. Monat) auftretende Erkrankungen sich in einem höheren Abgangsrisiko der Tiere widerspiegelten (plus 22%).
Zudem zeigten die zuvor erkrankten Rinder schlechtere Fruchtbarkeitsergebnisse und nach der ersten Kalbung auch geringere Milchleistungen. Untersucht wurden auch die Auswirkungen von Durchfallerkrankungen der Kälber, auch diese hatten die beschriebenen negativen Auswirkungen, allerdings nicht in gleichem Umfang wie die Atemwegserkrankungen.
Genomics: Vorteile durch Selektion
Dass es sich lohnen kann, genetisch weniger wertvolle Rinder bereits frühzeitig zu selektieren, veranschaulichte Dan Weigel, Zoetis, in seiner Präsentation. Der Wissenschaftler kritisierte, dass immer noch zu viele Altkühe vorzeitig gemerzt würden. Dies würde sich durch den Einsatz von Genomics weitgehend verhindern lassen, denn mit Hilfe der Daten kann es gelingen, bereits junge Kälber zu selektieren, die nach ihrer ersten Kalbung möglicherweise häufiger erkranken bzw. keine lange Nutzungsdauer erwarten lassen. Ansatzpunkte sieht der Experte insbesondere bei der Eutergesundheit, dem Auftreten von Metritis und einer geringen Trächtigkeitsrate. Letztlich lässt sich durch eine intensive genomische Selektion der Rinder mittelfristig auch der Tierbestand reduzieren. Das wiederum kommt am Ende der Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion zugute.
Diese These bestätigte auch Milchfarmer Brad Nosbush (Nosbush Dairy; 730 HF-Kühe). Er verwies in seiner Präsentation allerdings auch auf die väterliche Seite der Genetik. In punkto Langlebigkeit lassen sich seiner Meinung nach in erster Linie noch Verbesserungen durch die Auswahl geeigneter Besamungsbullen realisieren.
Nosbush kritisierte in diesem Zusammenhang insbesonders die Zuchtverbände, die nicht immer die geeignesten Bullen vorhalten würden. Deren Genetiker würden noch viel zu oft einen Index aus unterschiedlichen „Merkmalen“ zusammenbasteln, der vielleicht einen kleinen Fortschritt in vielen Merkmalen erlaubt, jedoch keine deutlichen Verbesserungen in wichtigsten Einzelmerkmalen wie z.B. der Eutergesundheit.
G. Veauthier