Nach der Bauphase hat Gerd Wemken die Tag- und Nachtweide für seine melkenden Kühe eingestellt, um die Milchleistung wieder zu stabilisieren. Die Option des Weidegangs hält sich der Holstein-Züchter trotz der nun höheren Grünlandleistungen aber weiterhin offen.
Von der Kuppe des Winterdeichs blickt man in die platte Weite des Deichvorlands...
Nach der Bauphase hat Gerd Wemken die Tag- und Nachtweide für seine melkenden Kühe eingestellt, um die Milchleistung wieder zu stabilisieren. Die Option des Weidegangs hält sich der Holstein-Züchter trotz der nun höheren Grünlandleistungen aber weiterhin offen.
Von der Kuppe des Winterdeichs blickt man in die platte Weite des Deichvorlands Hammelwardersand am rechten Nebenarm der Weser. Zwischen den sprießenden Grünlandbeständen schlängelt sich die schmale Zufahrtsstraße zum Milchkuhbetrieb Wemken, der dort auf seiner Wurth trohnt. Dieser künstlich angelegte Siedlungshügel schützt Stallungen, Wohnhaus und Silos vor dem etwa alle drei Jahre kommenden Winterhochwasser der Weser, er limitiert jedoch auch die Hoffläche.
Neuen Stall über den alten gebaut
Trotz der Alleinlage des Betriebes ist dieser auf die Größe der Wurth begrenzt. „Ein Neubau auf der grünen Wiese ist hier nicht möglich“, erklärt Gerd Wemken die Lage, mit der er seit der Übernahme im Jahr 1995 auf der ehemaligen Landesdomäne konfrontiert ist. So musste der Betriebsleiter 2013 bei der Erweiterung des vorhandenen Boxenlaufstalls improvisieren. Im laufenden Betrieb wurde zuerst der neue Anbau angeschleppt, dann die alte Stallhülle abgerissen. Die Stahlkonstruktion der neuen Halle wurde dann über dem Kern des alten Stalltrakts aufgestellt. Für einen Teil der Kühe hieß das zur Endphase des Stallbaus dann notgedrungen Weidegang bis November. Der zwei Jahre alte Stallkomplex beherbergt nun die melkenden Kühe der 230-köpfigen Holstein-Herde. Dabei stehen im alten Stallteil die Färsen und kleineren Kühe, denn hier sind die Tiefboxen etwas schmaler. Im Anbau sind die größeren Kühe der exterieurstarken Herde untergebracht.
Zucht für die Zukunft,…
Die züchterische Arbeit ist ein Spezialgebiet des niedersächsischen Milcherzeugers, der sich mit einem Einsatz genomischer Vererber von 80% als Befürworter der modernen Zuchtphilosophie bekennt. Wichtig ist ihm bei der Auswahl der jungen Bullen, dass sie neben sehr guten Exterieurleistungen – insbesondere in Fundament und Euter – auch keinerlei Schwächen in den anderen funktionellen Merkmalen aufweisen. „Ich möchte unproblematische Kühe haben“, erklärt Gerd Wemken. Die Ergebnisse seiner Zuchtarbeit sind gefragt. So verkauft er pro Jahr durchschnittlich einen Bullen an die Station und etwa 50 Deckbullen ab Hof, überwiegend an Stammkunden. Auch die überschüssigen Färsen kann der Züchter gut vermarkten.
Aber die Zucht ist für ihn ein i-Tüpfelchen. „Über sie schafft man sich zwar auf Dauer die passenden Kühe“, sagt er, „auf die entscheidende tatsächliche Leistung der Kuh haben die Qualität von Haltung, Fütterung und Management aber den viel direkteren Einfluss.“ Was nützt schließlich ein extremst hoher Zuchtwert, wenn die Kuh am Ende in einem katastrophalen Stall steht? Deshalb befasst sich Gerd Wemken konsequent mit der Optimierung seiner Produktionsfaktoren. Angst vor Neuem hat er dabei nicht.
… Management fürs Jetzt!
Gute zehn Meter fällt der Feldweg hinter dem Kuhstall von der Wurth ab, dann verläuft er platt und schnurgerade auf einem Meter Höhe über dem Meeresspiegel zwischen mehreren weitläufigen Grünlandstücken. Gerd Wemken steht auf dem ehemaligen Treibweg der Kühe und betont mit einem Wink der rechten Hand die kurze Distanz zum Kuhstall. Vor dem Neubau ließ er hier seine Kühe Tag und Nacht weiden, im Stall wurde zugefüttert. Die umständliche Bauphase und das Aufstocken hat der Herde jedoch Milchleistung gekostet. „Unser Ziel ist es, mit der abgelieferten Milch im Herdenschnitt in den nächsten Jahren wieder an die 11.000 kg heranzukommen“, erzählt er. Um das Ziel möglichst schnell zu erreichen und die Milchleistung stabil zu halten, hat er sich entschlossen, den Weidegang trotz arrondierter Flächen vorerst einzustellen und den Vorteil der konstanten Fütterung zu nutzen. Nur die tragenden Rinder und die Trockensteher weiden im Sommer auf den weiter entfernten Dauergrünlandstücken, von denen teilweise vorab der erste Schnitt eingefahren wird.
Würde es vorgeschrieben oder vermarktungstechnisch sinnvoll werden, dann könnte sofort wieder auf Weidegang umgestellt werden. „Wir sind vorbereitet. Wir könnten die Kühe von heute auf morgen wieder rauslassen“, sagt Gerd Wemken. „Zurzeit sind wir ohne Weide aber besser aufgestellt.“ Ohne den Weidegang sind neben der Milchleistung auch die Erträge des Grünlands und die Effizienz gestiegen. Mit 2,2 Mio. Litern abgelieferter Milch und 140 ha Futterfläche ergibt sich eine Flächenleistung (inkl. Milch aus Kraftfutter und Futter für das Jungvieh!) von mehr als 15.000 kg Milch/ha.
Gülle wird geschlitzt
Um möglichst hohe Erträge und gute Silagequalitäten zu erzielen, setzt Gerd Wemken im Grünland auf mehrere Maßnahmen. Dazu gehört die Düngung nach Bedarf und mit möglichst hohen Gülleanteilen. Dabei werden die Güllegaben seit einigen Jahren bodennah über Schlitz- oder Schleppschuhtechnik vom Lohnunternehmer ausgebracht. „Im Sommer sind mir ohne bodennahe Ausbringung die Verluste einfach zu hoch“, begründet der Landwirt. Im letzten Jahr wurde mit der Güllegabe nach erstem und zweiten Schnitt auch jeweils eine Nachsaat durchgeführt. „Dieses Jahr werde ich angesichts der Milchpreissituation wohl darauf verzichten“, bedauert er. So bleibt es bei der konsequenten Nachsaat beim Striegeln aller Flächen im Frühjahr und gegebenenfalls Bedarfsarbeiten.
„Das Hochwasser-Gebiet hat auch sein Gutes, es gibt hier so gut wie keine Maulwürfe“, sagt Gerd Wemken zwinkernd. Die Aschegehalte der Silagen liegen unter anderem auch deshalb immer unter dem Durchschnitt. Alle Flächen sind aufgrund der geografischen Lage voll drainiert, die tiefen Gräben berüchtigt für die Gegend. Neben der guten Drainage macht auch die Intensität von vier Schnitten den unerwünschten Binsen den Garaus. Ampfer kommt vor, ist aber selten ein Problem, notfalls erfolgt eine Herbizidmaßnahme.
Gemäht wird in Eigenleistung, das ist flexibler. Und nicht zu früh, erst im Ähren-Rispenschieben. „Ideal ist es, wenn zwei, drei Tage voher die Sonne viel geschienen hat. Dann sind die Zuckergehalte hoch. Das merkt man gut beim Festfahren, wenn das Gras an den Reifen klebt“, beschreibt er. Beim Mähen achten der Hofeigentümer und sein Mitarbeiter sehr auf eine nicht zu tiefe Schnitthöhe (min. 8 cm), um das Futter sauber und die Grasnarbe produktiv zu halten. Es wird immer mit Zetter gemäht und nicht gewendet. Das Ziel, das Gras nach 24 bis 36 Stunden fertig verpackt im Silo zu haben, wird eingehalten. Dabei ist die gesamte Häckselkette ausgelagert. Ebenso das Schwaden, Walzen, Güllefahren und Maislegen, um die Maschinenkosten gering zu halten.
Siliert wird alles in Fahrsiloanlagen. „Wände ermöglichen einfach die beste Verdichtung“, ist Gerd Wemken überzeugt. Die für dieses Jahr geplante Erweiterung der Siloanlage müsse er aufgrund der Milchkrise zu seinem Ärger jedoch wohl auch aufschieben.
Zum ersten und zweiten Schnitt wird immer Siliermittel eingesetzt. „Das ist wie eine Versicherung. Man kann ja im Nachhinein nicht beurteilen, ob die Silage ohne genauso gut gewesen wäre“, setzt er hier weiter auf Sicherheit. Seit zwei Jahren nutzt er auch bei der Maissilage Siliermittel. Abgedeckt wird mit Sauerstoff-Barrierefolie, normaler PE-Silofolie, Siloschutznetzen und Reifen.
4.800 kg aus dem Grundfutter melken
Auf dem mittigen Futtertisch stehend schweift Gerd Wemkens Blick links und rechts über die Kühe. Der Milcherzeuger legt Wert darauf, dass der Stall maximal zu 100Prozent belegt ist, um den Kühen genügend Ruhe zur Produktion zu geben. Auch die Bemühungen in der Grundfutterbereitung machen sich bemerkbar, die Milchleistung aus dem Grundfutter liegt bei fast 4.800 kg. Gefüttert wird augenblicklich eine Ration auf Basis von 60 Prozent Grassilage (zweiter und dritter Schnitt) und 40 Prozent Maissilage. Dazu kommen silierte Zuckerrübenschnitzel, ein Soja-Raps-Weizen-Körnermais-Schrot als Ausgleich sowie Mineralfutter. Bis zu 6 kg Milchleistungsfutter bekommen die Hochleistenden zusätzlich an der Kraftfutterstation. Mit 220 Laktationstagen ist die Herde aktuell recht altmelkend, die Milchleistung liegt dennoch bei 30 kg mit 3,5% Eiweiß und 4,0% Fett. Der Harnstoffgehalt beträgt 216 mg/l. Gerd Wemken lässt die Ration basierend auf den Analyseergebnissen seiner Silagen rechnen. Monatlich findet eine Rücksprache mit dem Futterberater statt, bei Auffälligkeiten auch spontan. Jedes Vierteljahr erfolgt ein Betriebsbesuch.
Gute Kühe sind die beste Motivation
Entspannt liegt die rahmige Schwarzbunte in der äußersten Liegebox am Eingang vom Stall. „Hier, das ist sie“, Gerd Wemken klettert über das Fressgitter und stupst die fast siebenjährige Horton-Tochter Mona sachte an, damit sie aufsteht, „unsere beste Kuh“. Mona melkt jetzt seit dem 9.9.2014 und hat in 2015 in 365 Tagen 17.000 kg produziert! In der jüngsten Kontrolle gab die nun Tragende mit einer aktuellen Lebensleistung von 56.000 kg, immer noch 33 kg. „Warum soll ich sie eher besamen? Solchen Kühen muss man ihre Zeit geben“, ist ihr Besitzer überzeugt. Im Stall tummeln sich noch mehr Kühe dieses Kalibers. Zügig ab dem 45. Lakationstag besamt werden nur Färsen und Kühe mit max. 30 bzw. 40 kg Leistung. Die Zwischenkalbezeit beträgt 430 Tage.
Die Brunstbeobachtung wird seit Jahren durch SCR-Heatime unterstützt, auch bei den Rindern. „Das System würde ich nie mehr hergeben“, erklärt Gerd Wemken und freut sich, dass es gut läuft. Außer den Kosten für die zweimalige Trächtigkeitsuntersuchung hat der Bestandstierarzt in Sachen Fruchtbarkeit hier nicht viel zu tun. „OvSynch als Bestandslösung lehne ich ab. Das ist für mich ein Ausnahmemittel für Einzelfälle“, stellt der Eigenbestandsbesamer mit gerunzelter Stirn klar.
Obwohl Besuch immer gerne auf dem Betrieb hinterm Deich gesehen wird, ist der Tierarzt, abgesehen von dem TU-Termin alle 14 Tage, ohnehin ein seltener Gast. Durchschnittliche Tierarztkosten von knapp 50 € pro Kuh (inkl. Kälber und Ultraschall-TU) bestätigen, dass sich die Gedanken und Anstrengungen in der Produktion auf dem Betrieb am Weserrand lohnen. Das Ergebnis in Form guter, gesunder Kühe ist für Gerd Wemken die beste Motivation für die tägliche Arbeit. Gerade in Zeiten, in denen es wirtschaftlich in der Milchproduktion wenig Grund zur Freude gibt. Ideen zur weiteren Optimierung gehen ihm jedenfalls nicht aus!K. Berkemeier