Schon vor dem Stallneubau im letzten Jahr hatte der Betrieb von Bodelschwingh niedrige Zellzahlen in der Milch. Dafür machen sie umfassende Melkhygiene und ihre Bemühungen um mehr Tierwohl verantwortlich.
Klares Spülwasser läuft aus dem Melkgeschirr. Nur einen Handgriff braucht Meike von Bodelschwingh, um die Melkzeuge während des Melkens...
Schon vor dem Stallneubau im letzten Jahr hatte der Betrieb von Bodelschwingh niedrige Zellzahlen in der Milch. Dafür machen sie umfassende Melkhygiene und ihre Bemühungen um mehr Tierwohl verantwortlich.
Klares Spülwasser läuft aus dem Melkgeschirr. Nur einen Handgriff braucht Meike von Bodelschwingh, um die Melkzeuge während des Melkens durchzuspülen. Die letzte Kuh hatte einen zu hohen Zellgehalt in der Milch. „Das ist Routine bei uns. Die sechs Wasseranschlüsse im Melkstand sind Marke Eigenbau, denn Melkhygiene ist für uns das A & O“, so die Landwirtin aus Schleswig-Holstein.
Vor zwanzig Jahren war das erklärte Betriebsziel der Familie von Bodelschwingh noch, die Milchmenge zu steigern. „Doch diesen Ehrgeiz haben wir nicht mehr“, geben Meike und Bernhard von Bodelschwingh ehrlich zu. Heute legt das Ehepaar Wert auf eine lange Nutzungsdauer ihrer Kühe von über vier Jahren, eine konstante Milchleistung von mehr als 9.500 kg pro Jahr und eine weiterhin gute Eutergesundheit. Denn zu den 25 % der Besten in Schleswig-Holstein bei den Euterkennzahlen wollen sie mit 71.000 Zellen pro ml Milch auch weiterhin gehören. Da helfen auch die zwei Auszubildenden, ihr Mann Bernhard und ihr Sohn Moritz mit, die sie liebevoll „Kartoffelbauern“ nennt. Die Kartoffeln sind zwar das zweite Standbein des landwirtschaftlichen Betriebs, doch im Stall führt Meike Regie.
71.000 Zellen pro ml Milch
Im Doppel-Achter-Melkstand mit Frontaustrieb, der schon über zwanzig Jahre alt ist, ist alles organisiert: Vorgemolken wird nicht auf den Boden, sondern separat in einen Vormelkbecher. So werden die Keime im Melkstand nicht auf Kuhbeine und Klauen verteilt und das Risiko für Klauenfäule sinkt. Für die Eutervorreinigung nutzen die von Bodelschwinghs ein schleuderfeuchtes Eutertuch pro Kuh, das nach jedem Melken bei 95°C gewaschen wird. Auch die Sauberkeit der Melker selbst ist wichtig: Immer wieder greift einer der Mitarbeiter zum Wasserschlauch, um sich die Handschuhe abzuwaschen. Damit jeder der bis zu sieben verschiedenen Melker weiß, nach welcher Kuh er das Melkzeug spülen sollte, gibt es Fußbänder. Die gelb markierten Kühe haben über 100.000 Zellen/ml Milch – nach ihnen kommt der Wasserschlauch zum Einsatz: „Wenn warmes Wasser nicht reicht, stimmt etwas nicht“, begründet Meike ihren Verzicht auf Peressigsäure beim Reinigen der Melkzeuge. Denn auch auf die Gesundheit der Mitarbeiter wird geachtet, die Lungenschädlichkeit der reinen Peressigsäure ist ihr ein zu großes Risiko. Steht die Kuh unter Antibiose, hat sie ein rotes Fußband und wird in den Eimer gemolken; ist der Streifen grün, steht eine eutersensible Kuh im Melkstand. Diese wird nach Abschaltung der Automatik manuell abgenommen. Zum Schluss werden die Zitzen aller Kühe in ein milchsäurebasiertes Komponentendippmittel getaucht. Für den optimalen Schluss der Zitzenbecher wechseln die Mitarbeiter immer pünktlich die Zitzengummis, im Durchschnitt alle zehn Monate.
50 % weniger antibiotische Trockensteller
Meike von Bodelschwingh hat stets einen guten Überblick über die aktuelle Keimflora ihrer Kühe. Das Ergebnis: „Nur 50 % der Kühe werden antibiotisch Trocken gestellt“. Die Leitkeime im Betrieb sind koagulase negative Staphylokokken (KNS) oder Streptococcus uberis. Acht bis neun Wochen vor der Geburt nimmt sie trotzdem sterile Milchproben von allen Kühen mit über 100.000 Zellen/ml Milch, um herauszufinden, ob überhaupt Antibiotika benötigt werden. „Die Milchprobe gibt mir Aufschluss darüber, welcher Keim auf welchem Viertel vorhanden ist und welches Antibiotikum wirkt.“ Ist die Milchprobe negativ, wird zusätzlich zwei Wochen später beim Trocken stellen ein Schalmtest gemacht, um mögliche Neuinfektionen festzustellen. Auch wenn die Milchprobe vorher positiv war, wird mithilfe des Tests noch einmal kontrolliert, ob der Keim sich womöglich in einem weiteren Euterviertel eingenistet hat. Vor dem Einbringen des Zitzenversieglers wird dann in jedes Schalmtest-positive Viertel das passende Antibiotikum zum Trockenstellen einmassiert. Doch auch danach bleiben die Trockensteher bei Meike von Bodelschwingh im Fokus. „Sie sind die wichtigste Gruppe bei uns, deswegen schaue ich mir täglich ihre Euter an. Bei ungleichmäßig dicken Vierteln messe ich auch Fieber und melke sie kurz an.“ Alle Trocken stehenden Kühe dürfen es sich auf 300 kg Stroh pro 100 qm gut gehen lassen, das alle drei Wochen komplett ausgewechselt wird.
Tiefboxen ohne Mehraufwand
Kurz entschlossen dreht die Kuh um, läuft zurück zu den Liegeboxen und macht es sich wieder darin bequem. Das Ablegen hat keine zwanzig Sekunden gedauert, als Bernhard von Bodelschwingh zurück in den Stall kommt und suchend seinen Blick über die Kuhherde schweifen lässt. „Wenn ich eine Kuh suche, die beim Treiben zum Melken einfach umgedreht ist, kann ich gar nicht schnell genug sein, bevor sie wieder gut versteckt in den Tiefboxen liegt“, sagt der Landwirt schmunzelnd. Denn obwohl der neue Stall planbefestigt ist und mit vier Metern Futtergangbreite und drei Metern Abstand zwischen den Buchten weite Laufgänge hat, ist das für ihn nicht die drängende Frage. „Wenn die Liegeboxen bequem sind, verbringen die Tiere ihre meiste Zeit sowieso liegend.“ Ohne das Einstreugerät, das die Tiefboxen täglich während des Abendmelkens mit einer dünnen frischen Strohschicht bedeckt, wäre das allerdings nicht zu meistern: „Damit streut jeder Azubi gerne ein“, ist er sich sicher.
Mehr Kühe, gleich viel Arbeit
Doch auch sonst tun sie einiges für das Tierwohl: Abgesehen von Kuhbürsten, einem gut gegen Hitze isolierten Dach und breiten, gut erreichbaren Tränken verzichten sie seit dem Stallneubau im Jahr 2014 auf Kalkeinstreu. Seitdem merken sie, dass die Zitzen geschmeidiger sind – das verbessere die Keimbarriere merklich. Auch die Klauengesundheit hat sich seit den komfortablen Liegeboxen und dem planbefestigten Boden deutlich verbessert; von früher fünf Kühen pro Woche, denen Bernhard die Klauen pflegen musste, ist eine alle paar Wochen übrig geblieben. So hat die Familie mittlerweile zwar mehr Kühe, aber gleich viel Arbeit. Ist dennoch eine Kuh fußlahm, darf sie sich zusammen mit den frisch abgekalbten Kühen bei 10 qm für jedes Tier im reinen Strohabteil am Ende des alten Stalles erholen. Obwohl sie auf überdurchschnittlich leichtkalbige Bullen für ihre Kühe achten, steht das Ehepaar für das Abkalben selbst nachts auf, denn sie wollen Kuh und Kalb ausreichend tränken. Dies dauert schon einmal 45 Minuten, aber das ist es der Landwirtin wert. Ihr Sohn Moritz merkt schon morgens an ihrer Stimmung, wenn eine Kuh Probleme hat, denn „wenn eine Kuh krank ist, bin ich schlecht gelaunt“, lacht die Mutter.
Es bleibt beim Familienbetrieb
Auf 120 Kühe wollen die von Bodelschwinghs noch aufstocken, vielleicht auch eines Tages in eine Webcam im Abkalbestall und einen neuen Melkstand investieren. Aber bei 120 Kühen ist Schluss, erklärt Meike von Bodelschwingh. Wenn mein Sohn mit der Ausbildung fertig ist, entscheiden wir wie es weiter- geht. Für sie ist Liquiditätssicherung die Kunst eines heutigen Milchkuhbetriebs: „Wir leben heute von unseren Rücklagen aus der Zeit des guten Milchpreises.“ Denn den Betrieb haben sie fast schuldenfrei übernommen – und wirtschaftlich gesund wollen sie ihn auch an ihren Sohn abgeben.
R. Magner, M. Tischer