Was tun, wenn die Kühe zu groß werden? Einen neuen Stall bauen. Aber was tun, wenn das auf dem Standort nicht möglich ist? Auf kleine Kühe setzen!
Unsere Kühe sind stetig gewachsen“, erinnert sich Gerhard Eiden und schaut hinüber zu den Liegeboxen im alten Stallgebäude. „Besonders die Töchter von Goldwyn waren auf einen Schlag zehn Zentimeter größer als der Rest der Herde. Da mussten wir handeln. Die großen Holsteinkühe mit der kanadischen Genetik passten einfach nicht...
Was tun, wenn die Kühe zu groß werden? Einen neuen Stall bauen. Aber was tun, wenn das auf dem Standort nicht möglich ist? Auf kleine Kühe setzen!
Unsere Kühe sind stetig gewachsen“, erinnert sich Gerhard Eiden und schaut hinüber zu den Liegeboxen im alten Stallgebäude. „Besonders die Töchter von Goldwyn waren auf einen Schlag zehn Zentimeter größer als der Rest der Herde. Da mussten wir handeln. Die großen Holsteinkühe mit der kanadischen Genetik passten einfach nicht mehr in den Stall.“ Für den Familienbetrieb in Hermeskeil im Hunsrück bedeutet das: Schluss mit den Schwarzbunten Kühen, die fast 50 Jahre in ihrem Boxenlaufstall am Ortsrand gelebt hatten.
„Wir haben 1981 nur drei Meter breite Laufgänge gebaut, sonst hätten wir keine Förderung erhalten. Wenn am Fressgitter eine Kuh stand, war hinter ihr gerade Platz zum Vorbeilaufen. Dadurch kam es regelmäßig zum Kuhstau im Stall. Außerdem hatten viele der Kühe Probleme mit den Sprunggelenken. Sie verkanteten sich immer wieder in den Abtrennungen der Liegeboxen. „So einer schwarzbunten Kuh hilft man irgendwann nicht mehr einfach so hoch wie früher“, erklärt der fast 70-jährige Landwirt. Dass die Kühe wieder kleiner werden mussten, stand für ihn und seinen Sohn Markus fest. Denn aufgrund der Enge der Ställe und der Größe der Kühe ging schon niemand mehr gerne in die Herde aus 90 Holsteinkühen – aus Angst, sich zu verletzen. Aus einem Urlaub bei einem befreundeten Landwirt, einem überzeugten Jersey-Halter, kam Gerhard Eiden mit der Idee nach Hause, die schwarzbunten Kühe gegen die kleineren Jerseys auszutauschen. Sein Sohn Markus, der neben dem Milchkuhbetrieb noch ein Lohnunternehmen und eine Biogasanlage leitet, war sofort mit dem Rassewechsel einverstanden.
Die große Rechnung
Zunächst rechnete Gerhard Eiden einen Stallneubau und den Austausch der Kühe gegeneinander. Ein Neubau für mindestens 200 Kühe hätte eine Investition in Millionenhöhe erfordert. „Da kommt dann noch der hohe Kapitaldienst hinzu, der neben dem Betriebsgewinn jedes Jahr abfallen muss“, erklärt er. „Will man dem Hofnachfolger das wirklich zumuten“ Die Alternative zum Neubau und dem “Kuhtausch” wäre gewesen, die großrahmigen Holsteinkühe wieder kleiner zu züchten. Das hätte jedoch zu lange gedauert, sind sich Vater und Sohn einig.
„Ich habe Schlachtkörpererlöse, Milchgeld und Erlöse aus dem Verkauf von Zuchttieren zusammengerechnet. Da kam heraus: Wir könnten den Kuhtausch ohne Verluste schaffen“, erklärt Gerhard Eiden. „In die Rechnung spielt natürlich auch hinein, dass die Jerseys etwa ein Drittel weniger Futter benötigen als die Schwarzbunten.“ So fiel die Entscheidung zugunsten der Jerseykühe.
78 Däninnen ziehen ein
„Das erste Problem war, dass wir uns mitten in der Milchkrise 2016 befanden. Wer kauft einem da 90 Kühe ab? Und woher bekommt man auf einen Schlag eine ganze Jerseyherde“, erinnert sich Gerhard Eiden. Er bat seinen Viehhändler um Hilfe. Dieser kam drei Tage später mit einem Landwirt aus dem Saarland auf den Betrieb, der seine Herde aufstocken wollte. Gleichzeitig wurde ein Bekannter auf der Suche nach Jerseykühen in Dänemark fündig. Gerhard Eiden setzte sich in den Zug und schaute sich die Herde im hohen Norden an – Kuh für Kuh.
Zwei Tage nachdem der Großteil der Schwarzbunten den Betrieb in Richtung Saarland verlassen hatte, trafen in zwei Transportern die Jerseys aus Dänemark im Hochwald ein. „Die sind dort abends nach dem Melken losgefahren. Wir haben sie hier sofort gemolken und dann sind sie in den Stall gelaufen – direkt zum Futter ins Fressgitter“, sagt Gerhard Eiden. Mit den restlichen knapp 20 Holsteinkühen vertrugen sie sich, größere Rangkämpfe gab es nicht. Diese Holsteins wurden nicht weiter besamt und verließen die Herde nach Ende ihrer Laktation. Bei den Rindern aus der Nachzucht war es schwieriger. Niemand wollte während der schlechten Milchpreise noch Aufzuchtrinder kaufen. Also behielten die Eidens die Rinder und verkauften sie nach der Kalbung. Seit knapp einem Jahr gibt es keine Holsteinrinder mehr auf der Hofstelle. Die aktuelle Herde umfasst 135 Jerseykühe.
Etwa die Hälfte der Kühe besamt Gerhard Eiden mit gesextem Sperma, die andere Hälfte der Herde mit Weißblauen Belgiern. Die Bullenkälber gehen zu einem Mäster in der Nachbarschaft, der regionales Fleisch vermarktet.
Mittlerweile setzt Eiden voll auf dänisches Sperma. „Die amerikanischen Jerseys haben eine gute Milchleistung, aber nicht so gute Inhaltsstoffe. Jerseys müssen aber ihre Leistung über Fett und Eiweiß bringen“, erklärt Gerhard Eiden. Die Inhaltsstoffe schwanken übers Jahr mit der Temperatur. Der Fettgehalt liegt zwischen 5,71 und 6,56%, der Eiweißgehalt zwischen 4,18 und 4,54%. Der Zellgehalt und die Keimzahl sind niedrig, das ist dem Milcherzeuger sehr wichtig. „Ich habe noch nie etwas anderes als Güteklasse S gemolken“, erklärt er stolz. Für die Milch bekommen Markus und Gerhard Eiden im Schnitt 48,7 Cent pro kg Milch. Auch bei schlechteren Milchpreisen liegen sie im Schnitt 10 Cent über dem Niveau einer HF-Herde. „Unterm Strich sind die Jerseys für uns wirtschaftlicher als die Schwarzbunten.“
Ganz ohne Probleme geht es nicht
„Wir haben eine komplette Herde gekauft, da waren alte und junge Kühe dabei“, erklärt Gerhard Eiden. Einige der älteren Jerseykühe aus Dänemark bekamen Probleme mit den Fundamenten. „Im dänischen Stall lagen die Liegeboxen und der Melkstand näher beieinander als in unserem Stall. Hier bei uns mussten sie etwas mehr laufen, da unser Stall etwas weitläufiger ist.“ Auch bei den neugeborenen Kälbern stellten sich zu Beginn Probleme ein. „In der Biestmilch der Mütter waren nur Immunglobuline gegen die dänische Keimflora vorhanden. Hier war es nicht schlechter oder besser, nur anders. Da muss man durch“, sagt der Landwirt. „Bei Biestmilch darf man keine Kompromisse machen. Diese muss ziemlich schnell ins Kalb.“
Als er später noch Jungvieh aus zwei anderen dänischen Ställen dazu kaufte, stiegen die Verluste bei den Kälbern rapide an. „Das war schlimm. Man macht alles und kümmert sich um die Kälber und dann werden sie doch krank“, erinnert sich seine Frau Elke, die auf dem Betrieb die Kälber versorgt. Eine Tierärztin stellte schließlich Kryptosporidien fest. Daraufhin organisierten sie den Kälberbereich neu, um die sensiblen Kälber vor Erregern zu schützen. Im letzten Jahr investierten sie deswegen in neue Kälberiglus und eine Überdachung. Jetzt haben sie die Kälbergesundheit wieder im Griff. Das letzte Jahr lief gut.
Ein weiteres Problem während der Umstellung stellten die Maße im Stall dar. Die Länge der Liegeboxen und der Melkstandplätze waren eine Herausforderung. „Wir konnten die Liegeboxen zunächst nicht kürzer machen, weil dann die Schwarzbunten nicht mehr reingepasst hätten. Die Jerseys lagen zu weit vorne und koteten hinten auf die Kante. Im Melkstand standen sie auch weit vorne, sodass entweder die Arme oder die Schläuche des Melkzeugs zu kurz waren“, schildert Gerhard Eiden das Dilemma.
Erst nachdem die letzten Holsteinkühe den Betrieb verlassen hatten, passten die Eidens zunächst den Melkstand an. Dafür setzten sie die vordere Begrenzung auf den Melkplätzen etwa 20 Zentimeter nach vorne. „Die Breite passt immer noch. Jerseys sind zwar kleiner, aber dafür etwas runder“, erklärt der Landwirt. Deswegen passt die Breite am Fressplatz auch immer noch. Bei den Liegeboxen setzten sie vorne die Bugschwelle ebenfalls etwa zwanzig Zentimeter weiter nach hinten, sodass die Jerseys jetzt passend liegen.
Die richtige Entscheidung
Verhalten sich Jerseys im Stall anders als die Holsteinkühe? „Die Jerseys sind sehr neugierig und suchen den Kontakt zum Menschen“, sagt Gerhard Eiden. Diese Kühe seien nun auch viel ruhiger und muhen weniger, besonders bei Kalbungen. Diese verlaufen in den meisten Fällen unkompliziert. „Die Jerseys sind sehr leichtkalbig. In den fast drei Jahren hatten wir nur einmal eine Schwergeburt”, erklärt er. Auch die weißblauen belgischen Väter haben nicht zu vermehrten Schwergeburten geführt. Die weiblichen Kälber bleiben auf dem Betrieb und werden aufgezogen. Die Remontierungsrate liegt bei etwa 18%. Für die männlichen und die Kreuzungskälber hat der Betrieb einen Abnehmer in der Nachbarschaft gefunden. Dieser zieht die Rinder auf und vermarktet sie anschließend als regionales Fleisch.
Für Gerhard und Elke Eiden überwiegen die Vorteile der kleineren Kühe. Im Stall ist jetzt trotz der höheren Kuhzahl mehr Platz. Nun können sie über die Rücken der Kühe schauen, was am anderen Ende des Stalls passiert. Für Elke Eiden sind es besonders die geringeren Geburtsgewichte, die ihr die tägliche Arbeit erleichtern. „Die Kälber kann ich auch alleine aufsetzen, tränken und in die Iglus transportieren“, erklärt die zierliche Frau. „Ich wünschte, wir hätten schon viel früher auf Jerseys umgestellt!“
Die Rechnung von Gerhard Eiden ist aufgegangen. „Etwas teurer waren die Jerseys schon. Einfach unsere schwarzbunten Kühe einzutauschen, das ging nicht“, erklärt er. Die Jerseyfärsen kosten mehr als schwarzbunte Rinder. „Dennoch war die Entscheidung richtig. Wir würden uns auf jeden Fall wieder für die Umstellung auf Jerseykühe entscheiden.“S. Oehler