Nur Melken reicht Rainer Thoenes nicht. Deshalb hat er seinen Milchviehbetrieb breiter aufgestellt. Neben seiner 100-köpfigen Herde managt er die Aufzucht für zwei weitere Milchviehbetriebe. Seine eigentliche Passion ist aber die Rinderzucht.
Energiegeladen und innovativ, das sind die Attribute, mit denen sich Rainer Thoenes (49 Jahre) aus dem...
Nur Melken reicht Rainer Thoenes nicht. Deshalb hat er seinen Milchviehbetrieb breiter aufgestellt. Neben seiner 100-köpfigen Herde managt er die Aufzucht für zwei weitere Milchviehbetriebe. Seine eigentliche Passion ist aber die Rinderzucht.
Energiegeladen und innovativ, das sind die Attribute, mit denen sich Rainer Thoenes (49 Jahre) aus dem rheinländischen Kalkar am besten beschreiben lässt. Thoenes, bekannt unter dem Prefix THI (Thoenes Holstein International), züchtet seit Jahrzehnten Holstein-Genetik, die inzwischen Grundlage vieler deutscher Zuchtprogramme ist. Färsen aus seiner Zucht haben auch schon Preise im europäischen Ausland gewonnen. Doch die Zucht allein macht den Betrieb Thoenes nicht zu einem interessanten, extrem vielfältigen Milchviehbetrieb. So gibt es neben der Zucht mehrere „Betriebszweige“, die der umtriebige Unternehmer tagtäglich managt. Und das kam so:
„Vor knapp sechs Jahren stand ich arbeitswirtschaftlich in einer Sackgasse. 70 Kühe, dazu Zucht und Vermarktung. Das war für einen allein einfach zu viel.“ Also suchte Rainer Thoenes nach Alternativen. „Was ich von Anfang an nicht wollte, war 400 Kühe zu melken.“ Deshalb verpachtete er im Frühjahr 2011 für neun Monate im Jahr seine Kühe an einen anderen, großen Milcherzeuger. Die restlichen drei Monate im Jahr kamen die Kühe zu Thoenes auf den Betrieb zurück, um das Grünland weiterhin zu verwerten. Im Gegenzug zog er das Jungvieh des anderen Milchviehhalters auf. Um dessen gesamtes Jungvieh unterbringen zu können, baute er einen Stall für knapp 250 Rinder. Gleichzeitig mit der Verpachtung seiner Kühe, verkaufte er auch 70% seines Bestands, insgesamt 220 Tiere. Leider gab sein Vertragspartner nach zwei Jahren die Milcherzeugung auf, sodass Thoenes unerwartet mit einem leeren Jungviehstall und seiner gesamten Herde wieder alleine dastand. „Ich habe dann innerhalb kurzer Zeit zwei neue Betriebe gefunden, für die ich das Jungvieh großziehe.“
Die Kühe hat er behalten, da er zwischenzeitlich einen festen Mitarbeiter und vier Aushilfskräfte fand. Inzwischen werden auf dem Betrieb 100 Kühe gemolken. „Natürlich habe ich jetzt nicht weniger Stress als vor sechs Jahren. Aber ich bin kein Einzelkämpfer mehr. Mit meinen Mitarbeitern kann ich mich besprechen und sie können mich vertreten.“ Das brachte nach Thoenes Ansicht einen großen Teil seiner „Arbeitsqualität“ zurück.
Jeden Monat zur Auktion
Abends werden die Färsen nach Krefeld gebracht. Die Nacht über verbringen sie im tiefen Stroh. Am frühen Morgen werden sie zusammen mit einem Team der RUW gewaschen und an ihren Platz gebracht.
In die Zuchtviehvermarktung steckt der Betriebsleiter viel Herzblut. „Wir verkaufen jeden Monat auf der Auktion in Krefeld im Schnitt 15 abgekalbte Färsen.“ Etwa ein Drittel dieser Färsen hat er erst einige Wochen vorher als hochtragende Rinder zugekauft. „Diese kommen von Betrieben, die nicht ihre gesamte Nachzucht benötigen und das Risiko der Abkalbung umgehen, wenn sie mir die Rinder vorher verkaufen. Oder die Rinder stammen von Betrieben, die die Milcherzeugung aufgeben.“ Bei Rainer Thoenes kalben diese Tiere gemeinsam mit seinen Rindern ab. Die Kuhkälber behält er, die Bullenkälber werden in der Regel nach 14 Tagen direkt zur Mast verkauft.
Der Unternehmer hat die Erfahrung gemacht, dass sich größere Partien immer besser verkaufen lassen. „Wenn wachsende Betriebe heute aufstocken, kaufen sie schnell mal fünf und mehr Färsen. Da ist es von Vorteil, wenn die Tiere aus einem Bestand in die neue Herde wechseln.“
Neben den Färsen verkauft der Züchter auch immer wieder Zuchtbullen aus seiner Zucht. „Bei den derzeitigen Milchpreisen schwenken viele wieder um auf einen eigenen Deckbullen. Deshalb lassen sich Zuchtbullen im Moment gut vermarkten“, so seine Erfahrung. Der Zuchtviehverkauf ist für Rainer Thoenes rentabel, aber er gibt zu, dass das Beschicken der Auktion mit so vielen Tieren eine Menge Arbeit mit sich bringt. „An dem Tag nach der Auktion bin ich wirklich gerädert.“
Genomische Selektion der Kälber
„Um weiterhin erfolgreich vermarkten zu können, muss aber auch die Zucht weitergehen. Ich möchte aber gerne mit den alten Linien weiterzüchten, deshalb versuche ich die Nachkommen einiger unserer Linien wieder zurückzukaufen.“ Ein Vollblut-Züchter, wie Rainer Thoenes, schaut aber immer nur kurz zurück. Sein Blick ist vielmehr in die Zukunft gerichtet. Deshalb lässt er seit etwa sechs Jahren Kälber mit interessanter Abstammung innerhalb der ersten acht Lebenswochen genotypisieren. „Die genomische Selektion bietet uns neben dem Pedigree wichtige zusätzliche Informationen“, so Thoenes. Je nach Ergebnis wird bei diesen Rindern dann ab dem 12. Lebensmonat ein Embryo-Transfer durchgeführt. Die Embryonen werden auf Thoenes Rinder übertragen. Insgesamt lässt der Milcherzeuger pro Jahr das Genom von 60 bis 80 Kälbern typisieren.
Neben den eigenen Embryonen überträgt der Milcherzeuger Embryonen eines niederländischen Züchters und des Zuchtprogramms der Rinder Union West. Als Trägertiergebühr erhält er pro Embryo ca. 500 €. Die Embryonen überträgt Thoenes nur auf Rinder, die eine natürliche Brunst zeigen. „Die Kontrolle des Gelbkörpers übernehme ich. Der Tierarzt setzt den Embryo nur auf.“ Jedem Trägertier wird höchstens zweimal ein Embryo eingepflanzt. Wächst auch dieser nicht an, kommt das Rind nicht mehr als Trägertier für fremde Embryonen infrage. Im Schnitt lässt Thoenes 20 bis 30 Embryonen pro Monat übertragen.
Niedrige Totgeburtenrate
Trotz des enormen Anteils an Färsenkalbungen liegt die Totgeburtenrate nur bei vier Prozent. Dieser gute Wert liegt zum einen sicherlich an den Kontrollen im Abkalbebereich, die der Milcherzeuger und seine Mitarbeiter im Dreistundentakt durchführen. „Mein Mitarbeiter fängt nachmittags an zu arbeiten und geht erst um 24.00 Uhr nach Hause. Um drei Uhr morgens stehe ich dann wieder auf, schaue im Abkalbebreich nach und schiebe das Futter ran.“ Zeigt ein Tier erste Geburtsanzeichen bleibt er wach, „sonst lege ich mich wieder aufs Ohr“, schmunzelt der Milcherzeuger. Um die Färsen optimal auf die Kalbung vorzubereiten stellt Rainer Thoenes sie zehn Tage vor dem Abkalbetermin in den Strohstall. In dieser Zeit gehen die hochtragenden Rinder regelmäßig mit durch den Melkstand, damit sie sich schon vor dem ersten Melken an den Ablauf gewöhnen können. So lässt sich nach Meinung des Milchviehhalters der Stress kurz nach der Geburt für die Färsen reduzieren.
Um die Färsen gesund zu erhalten, bekommen sie auch einen Trockensteller injiziert. Zudem spritzt er ihnen ca. acht bis zehn Tage vor dem Kalben die Vitamine A, D und E. Der wichtigste Erfolgsfaktor für einen gesunden Start in die erste Laktation ist für ihn jedoch, dass es bei den Tieren rund um die Kalbung zu keiner Infektion kommt: „Das Wichtigste beim Kalben ist die Hygiene. Wir benutzen heißes Wasser mit Desinfektionsmittel, um den Scheidenbereich zu reinigen. Beim Kalben lassen wir die Färsen dann erst einmal in Ruhe arbeiten, sodass sich der Geburtskanal weiten kann.“
Falls dennoch Komplikationen auftreten, gießt Thoenes heißes Wasser über den Lendenbereich, damit sich die Bänder lösen. Zudem führt er Gleitmittel ein, sodass das Kalb besser in den Geburtskanal rutschen kann. „Stagniert die Geburt, kontrollieren wir rektal ob das Kalb richtig liegt. Dann weiten wir den Geburtskanal, um dem Kalb zu helfen“, erläutert der Betriebsleiter sein Vorgehen. Auf dem Betrieb wird dann auch mit einem mechanischen Geburtshelfer gearbeitet. Nach der Kalbung werden die Färsen wie die Kühe versorgt und erhalten einen warmen Energietrunk.
Bullenkälber im Quarantänestall
Die Kälber, wärmend eingehüllt in Kälberdecken, springen auf. Neugierig strecken sie die Köpfe über die Absperrung. Durch die vielen Kalbungen, im vergangenen Jahr waren es 338, muss Thoenes nicht nur großzügig Abkalbeplätze, sondern auch Kälberboxen vorhalten. In den Einzelboxen verbringen die Kälber ca. drei bis vier Wochen. Anschließend wechseln sie in Kälberhütten, in denen sie drei Wochen verbleiben. Ab diesem Zeitpunkt stehen dann alle Kälber nach dem Tränken für einige Minuten im eigens konstruierten Fressgitter, bis ihr Saugreflex nachgelassen hat. „So reduzieren wir das Risiko, dass sie sich gegenseitig be-saugen und Euterviertel veröden.“ Nach den Kälberhütten wechseln die Tiere in den eigentlichen Jungviehstall. Hier sind sie in Gruppen von 14 Tieren untergebracht. Um ihnen ein optimales Klima zu bieten, stehen Gruppeniglus im Strohbereich. In diesen Gruppen werden sie bis zur 12. Lebenswoche getränkt. Bereits ab der 8. Woche wird die Tränkemenge auf 1,8 Liter reduziert. Die Bullenkälber aus den Embryonen sowie eigenen, züchterisch interessanten Bullen werden separat im Bullenstall in Kälberboxen aufgestallt. „So stellen wir sicher, dass sie bis zum sechsten Lebensmonat Flechte-frei sind.“
Kühe sind und bleiben seine Passion
Schaut man Rainer Thoenes einen Arbeitstag lang über die Schulter, erkennt man schnell, das Managen der vielen Betriebszweige spornt ihn an. Dennoch ist und bleibt die Zucht sein Steckenpferd: „Für mich haben tiefe Kuhfamilien, die über Generationen langlebige, leistungs- und exterieurstarke Kühe hervorgebracht haben, nach wie vor eine große Bedeutung. Solche Kühe im Stall zu sehen, gibt mir auch in Zeiten niedriger Milchpreise die nötige Motivation weiterzumachen!“B. Ostermann-Palz