Neue Studien decken auf: Nicht Azidose ist schuld, wenn Kühe lahm gehen, sondern der Verlust von Körpermasse nach der Kalbung. Schnell und effektiv behandeln bringt den besten Effekt!
Annähernd ein Drittel der Milchkühe gehen lahm. Dies betrifft vor allem leistungsstarke Kühe. Bei einer lahmen, eigentlich hochleistenden Kuh fällt die...
Neue Studien decken auf: Nicht Azidose ist schuld, wenn Kühe lahm gehen, sondern der Verlust von Körpermasse nach der Kalbung. Schnell und effektiv behandeln bringt den besten Effekt!
Annähernd ein Drittel der Milchkühe gehen lahm. Dies betrifft vor allem leistungsstarke Kühe. Bei einer lahmen, eigentlich hochleistenden Kuh fällt die Milchleistung auf den Herdendurchschnitt ab. Sie zeigt keine besonders schlechte Leistung, produziert aber weniger Milch als eigentlich möglich – die wirtschaftlichste Kuh wird nur noch Durchschnitt! Ursachen von Klauenerkrankungen können infektiöser (z. B. Mortellaro, Fäule) oder nicht-infektiöser Art sein (Klauenhornläsionen). Zu Hornläsionen gehören Sohlengeschwüre, Sohlenblutungen sowie Weiße-Linie-Defekte (siehe Fotos S. 30).
Die Anatomie verstehen
Um Klauenhornläsionen zu verstehen, hilft ein Blick auf die Anatomie des Rinderfußes. Das Foto auf dieser Seite zeigt einen Querschnitt durch die Klauen, in dem Knochen, Weichteilstrukturen und eine typische Stelle für Sohlengeschwüre eingezeichnet sind. Das Klauenhorn besteht aus dem Wandhorn, welches die harte äußere Oberfläche bildet, sowie dem Sohlenhorn, das die Auftrittsfläche der Klauen formt. Zusammen bilden diese Strukturen die Hornkapsel, die durch die weiße Linie verbunden ist.
Das Gewicht der Kuh wird durch das Klauenbein in das Wandhorn und in die Sohle übertragen, Kollagenfaserbündel mit einer Kittschicht aus Fett verbinden den Knochen mit der Innenfläche der Klauenkapsel. Das Klauenbein „hängt“ sozusagen in feinen Seilen. Klauenbein und Sohle werden durch das dämpfende Ballenpolster miteinander verknüpft. Neben dem Ballenpolster produziert und versorgt eine Lage von Zellen der Lederhaut, das Keimepithel der Sohle, das Sohlenhorn.
Sohlenblutungen entstehen, wenn auf Höhe der Ansatzstelle der tiefen Beugesehne große Kräfte auf die Lederhaut einwirken und Druckstellen oder Blutungen verursachen. Diese wachsen durch das Sohlenhorn aus und werden erst Wochen nach dem eigentlichen Anlass an der Oberfläche sichtbar. In milden Fällen geschieht dies ohne Lahmheit und ohne sichtbare Folgen für die Kuh. Schwere Fälle können jedoch sehr schmerzhaft sein, das Sohlenhorn schwächen und Sohlengeschwüre begünstigen. Drehen Kühe auf harten oder unebenen Untergründen zu eng, kann enormer Druck auf die Weiße Linie einwirken. Das Sohlenhorn wird dabei von der Wand getrennt. Sehr kleine Verletzungen (Fissuren) weiten sich auf und füllen sich mit kleinen Steinchen und Dreck, was wiederum Infektionen Vorschub leisten kann.
Ist die Pansenazidose schuld?
Die Verbindung zwischen einer Lahmheit und einer Läsion tritt nicht immer klar zutage. Tritt eine Blutung innerhalb der Hornkapsel auf, geht die Kuh lahm, ohne dass eine Ursache im Horn zu sehen ist. Die Blutung ist erst sechs bis acht Wochen später sichtbar. Gleichsam kann man durch eine Sohlenblutung am Fuß einer gesunden Kuh mutmaßen, dass dort vor sechs bis acht Wochen etwas gewesen sein muss. Dazu kommt, dass Kühe als Fluchttiere möglichst keine Schmerzen zeigen.
Bisher stand die Pansenazidose im Verdacht, Klauenhornläsionen zu verursachen. Die Theorie: Eine Pansen-, und darauffolgend metabolische Azidose führt dazu, dass Fett abgebaut wird und somit das Bindegewebe lockert, das zur Aufhängung des Klauenbeins in der Kapsel benötigt wird. Es sinkt ab und übt Druck auf die Lederhaut aus. Das führt zu Sohlenblutungen und Geschwüren. Diese Theorie wurde in vielen Studien überprüft, indem eine Pansenazidose herbeigeführt und der Effekt auf Kuh und Klauen kontrolliert wurde. Doch die Ergebnisse überraschen: Weder der Aufhängeapparat des Klauenbeins noch das Klauenhorn zeigten Anzeichen einer Schädigung (Danscher et al., 2010). Ob Pansenazidose wirklich zu Klauenrehe und Hornläsionen führt, darf bezweifelt werden.
Was war zuerst: Lahm oder dünn?
Nun stellt sich die Frage nach Ursache und Wirkung: Werden lahme Kühe dünn oder gehen dünne lahm? Um dies herauszufinden, führten Wissenschaftler der Uni Nottingham (GB) verschiedene Studien durch:
- Bei 600 Kühen wurde über einen Zeitraum von 2,5 Jahren alle zwei Monate die Körperkondition überprüft (Body Condition Score, BCS) und in Bezug zu Klauenerkrankungen gesetzt. Ergebnis: Kühe mit einem BCS unter 2,5 wiesen ein erhöhtes Risiko auf, in den nächsten zwei Monaten wegen Klauenhornläsionen behandelt zu werden. Zudem wiesen schon einmal erkrankte Kühe ein signifkant höheres Risiko einer weiteren Behandlung auf (Green et al., 2014).
- In einer zweiten Studie mit 768 Kühen aus vier britischen Herden wurden über einen Zeitraum von 18 Monaten alle 14 Tage Mobilitäts- und Lahmheitsscorings durchgeführt. Ergebnis: Kühe mit einem niedrigen BCS zur Kalbung (1 bis 2,25) gingen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit lahm. Auch wurden sie bei Erkrankungen seltener wieder gesund als Kühe mit einem BCS von 2,5 bis 2,75. Außerdem gingen Kühe, die viel Körpermasse einbüßten, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit lahm als Kühe mit einer moderaten Gewichtsabnahme. Zudem wurden diese Kühe weniger wahrscheinlich in den darauffolgenden 15 Tagen wieder gesund. Eine Zunahme an Körpermasse nach der Kalbung wiederum verringerte das Lahmheitsrisiko und steigerte die Heilungschance (Lim et al., 2014).
- Eine weitere britische Herde wurde über acht Jahre begleitet und die Lahmheitssituation wöchentlich bewertet. Ergebnis: Schon drei Wochen vor einer wiederholten Lahmheit wiesen betroffene Kühe einen niedrigen BCS auf. Kühe mit einem BCS 2 gingen häufiger lahm, ein BCS 2 verringerte die Gefahr der Lahmheit. Ein niedriger BCS 16 oder 8 Wochen vor der ersten milden oder schweren Lahmheit einer Kuh überhaupt, beeinflusste zudem das Lahmheitsrisiko in allen weiteren Laktationen (Randall et al., 2015).
- Bei 600 Kühen wurde über einen Zeitraum von 2,5 Jahren alle zwei Monate die Körperkondition überprüft (Body Condition Score, BCS) und in Bezug zu Klauenerkrankungen gesetzt. Ergebnis: Kühe mit einem BCS unter 2,5 wiesen ein erhöhtes Risiko auf, in den nächsten zwei Monaten wegen Klauenhornläsionen behandelt zu werden. Zudem wiesen schon einmal erkrankte Kühe ein signifkant höheres Risiko einer weiteren Behandlung auf (Green et al., 2014).
- In einer zweiten Studie mit 768 Kühen aus vier britischen Herden wurden über einen Zeitraum von 18 Monaten alle 14 Tage Mobilitäts- und Lahmheitsscorings durchgeführt. Ergebnis: Kühe mit einem niedrigen BCS zur Kalbung (1 bis 2,25) gingen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit lahm. Auch wurden sie bei Erkrankungen seltener wieder gesund als Kühe mit einem BCS von 2,5 bis 2,75. Außerdem gingen Kühe, die viel Körpermasse einbüßten, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit lahm als Kühe mit einer moderaten Gewichtsabnahme. Zudem wurden diese Kühe weniger wahrscheinlich in den darauffolgenden 15 Tagen wieder gesund. Eine Zunahme an Körpermasse nach der Kalbung wiederum verringerte das Lahmheitsrisiko und steigerte die Heilungschance (Lim et al., 2014).
- Eine weitere britische Herde wurde über acht Jahre begleitet und die Lahmheitssituation wöchentlich bewertet. Ergebnis: Schon drei Wochen vor einer wiederholten Lahmheit wiesen betroffene Kühe einen niedrigen BCS auf. Kühe mit einem BCS 2 gingen häufiger lahm, ein BCS 2 verringerte die Gefahr der Lahmheit. Ein niedriger BCS 16 oder 8 Wochen vor der ersten milden oder schweren Lahmheit einer Kuh überhaupt, beeinflusste zudem das Lahmheitsrisiko in allen weiteren Laktationen (Randall et al., 2015).
Der Stoßdämpfer fehlt
Die Ergebnisse dieser Versuche geben deutliche Hinweise darauf, dass der Verlust an Körpermasse das Risiko einer Kuh steigert, wegen Klauenhornläsionen lahm zu gehen. Die Ursache für diese Beziehung (niedriger BCS erhöht das Lahmheitsrisiko) scheint das Ballenpolster zu sein. Dünne Kühe weisen ein dünneres Ballenpolster auf. Dieses ist jedoch eine wichtige Struktur bei der Lahmheitsprävention, denn es polstert die durch das Klauenbein wirkenden Kräfte ab und schützt die Lederhaut (Foto unten links). Hochleistende Kühe mobilisieren verhältnismäßig mehr Körperfett während der frühen Laktation. Diese Fettmobilisation macht auch vor dem Fett des Ballenpolsters nicht Halt. Dazu kommt: Ist eine Kuh erst einmal lahm, fällt sie in der sozialen Hierarchie nach unten. Sie kann sich am Futtertisch nicht mehr durchsetzen, besucht ihn darum seltener und nimmt weniger Futter auf. Natürlich führt dies zu einem Verlust von Körpermasse.
Bisher ist unklar, wie man höchstleistende Kühe vor dem Verlust an Körpermasse bewahren kann. Es steht jedoch fest, dass ein möglichst kleiner Körpermasseverlust bis zum Leistungshöhepunkt den Schlüssel zur Lahmheitsprävention darstellt.
Mit Vollgas behandeln!
Weitere Versuche sollten die Behandlungsmethoden mit den besten Heilungschancen ermitteln.
- Kühe auf fünf Betrieben wurden alle zwei Wochen für 18 Monate in Bezug auf Lahmheit überprüft. Wies die Klaue einer lahmen Kuh eine Klauenhornläsion auf, wurde sie in die Studie aufgenommen (Thomas et al., 2015). Alle Kühe erhielten eine funktionelle Klauenpflege, bevor sie zufällig zu einer der vier Behandlungsgruppen hinzugefügt wurden. Die erste Gruppe war die Kontrollgruppe, in der alle Kühe keine weitere Behandlung erhielten. So konnte der Effekt von Behandlungen dem Effekt einer funktionellen Klauenpflege gegenübergestellt werden. Der zweiten Gruppe wurde ein hölzerner Klotz untergeklebt (Klaue ohne Läsion) und vier Wochen später entfernt. Die dritte Gruppe erhielt drei Tage lang Schmerzmittel (Nicht-steroidale Antiphlogistika, NSAID), die vierte sowohl Schmerzmittel als auch einen Klotz. Vier Wochen nach der Heilung (Lahmheitsscore 0 oder 1) wurden die Kühe erneut bewertet. Das Ergebnis: Kühe mit lediglich einem Klauenpflegeschnitt hatten die geringsten Heilungsraten, die Kühe in der vierten Gruppe (funktionelle Klauenpflege + Klotz + Schmerzmittel) die höchsten. Behandlung vier ist also der Goldstandard für akut lahme Kühe mit Klauenhornläsionen.
- Der zweite Versuch betrachtete Kühe, die bei zwei von drei Bewertungsterminen lahm gingen (chronisch lahme Tiere). Wie im ersten Versuch erhielten alle Kühe eine fünfstufige funktionale Klauenpflege und wurden zufällig einer von drei Behandlungsgruppen zugefügt. Die erste Gruppe erhielt als Kontrollgruppe keine weitere Behandlung, die zweite Gruppe erhielt für vier Wochen einen Klotz auf die nicht verletzte Klaue und die dritte Gruppe wurde mit Klotz und Schmerzmitteln behandelt. Überraschenderweise gab es hier keinen Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen.
- Kühe auf fünf Betrieben wurden alle zwei Wochen für 18 Monate in Bezug auf Lahmheit überprüft. Wies die Klaue einer lahmen Kuh eine Klauenhornläsion auf, wurde sie in die Studie aufgenommen (Thomas et al., 2015). Alle Kühe erhielten eine funktionelle Klauenpflege, bevor sie zufällig zu einer der vier Behandlungsgruppen hinzugefügt wurden. Die erste Gruppe war die Kontrollgruppe, in der alle Kühe keine weitere Behandlung erhielten. So konnte der Effekt von Behandlungen dem Effekt einer funktionellen Klauenpflege gegenübergestellt werden. Der zweiten Gruppe wurde ein hölzerner Klotz untergeklebt (Klaue ohne Läsion) und vier Wochen später entfernt. Die dritte Gruppe erhielt drei Tage lang Schmerzmittel (Nicht-steroidale Antiphlogistika, NSAID), die vierte sowohl Schmerzmittel als auch einen Klotz. Vier Wochen nach der Heilung (Lahmheitsscore 0 oder 1) wurden die Kühe erneut bewertet. Das Ergebnis: Kühe mit lediglich einem Klauenpflegeschnitt hatten die geringsten Heilungsraten, die Kühe in der vierten Gruppe (funktionelle Klauenpflege + Klotz + Schmerzmittel) die höchsten. Behandlung vier ist also der Goldstandard für akut lahme Kühe mit Klauenhornläsionen.
- Der zweite Versuch betrachtete Kühe, die bei zwei von drei Bewertungsterminen lahm gingen (chronisch lahme Tiere). Wie im ersten Versuch erhielten alle Kühe eine fünfstufige funktionale Klauenpflege und wurden zufällig einer von drei Behandlungsgruppen zugefügt. Die erste Gruppe erhielt als Kontrollgruppe keine weitere Behandlung, die zweite Gruppe erhielt für vier Wochen einen Klotz auf die nicht verletzte Klaue und die dritte Gruppe wurde mit Klotz und Schmerzmitteln behandelt. Überraschenderweise gab es hier keinen Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen.
Knochen verformen sich
Damit die Behandlung lahmer Kühe effektiv ist, muss sie direkt nach Eintreten der Lahmheit erfolgen! Lässt man Kühe unbehandelt, verschlechtert sich die Lahmheit weiter. Schon nach kurzer Zeit bzw. wiederholter Lahmheit beginnen die knöchernen Strukturen des Fußes zu degenerieren, möglicherweise aufgrund anhaltender Entzündungen. Diese Knochenschäden sind nicht mehr zu reparieren. Fazit: Frisch lahme Kühe mit maximalem Aufwand behandeln!
Nimmt man den Druck von der betroffenen Klaue und nutzt NSAIDs, um die Entzündung zu verringern und Gewebeschäden zu vermeiden, ist dies die wirksamste Behandlungsmethode. Um Lahmheiten frühzeitig zu erkennen, sollte ein geübter Beobachter regelmäßig die Bewegung der Kühe überprüfen, wenn diese auf einer flachen Oberfläche ohne Hektik laufen (z. B. beim Verlassen des Melkstands). -cs-