Überbelegung ist unwirtschaftlich. Denn damit Kühe hohe Leistungen bei guter Gesundheit erbringen können, benötigen sie Platz, Komfort und Ruhe. Dazu Dr. Andreas Ahrens im Interview.
Elite: Herr Dr. Ahrens, durch Ihre Tätigkeit beim Rindergesundheitsdienst sehen Sie viele Rinderställe. Welche Bereiche sind meistens überbelegt?
Dr. Andreas Ahrens: Überbelegung kann in jedem Stallbereich ein Problem sein. Die...
Überbelegung ist unwirtschaftlich. Denn damit Kühe hohe Leistungen bei guter Gesundheit erbringen können, benötigen sie Platz, Komfort und Ruhe. Dazu Dr. Andreas Ahrens im Interview.
Elite: Herr Dr. Ahrens, durch Ihre Tätigkeit beim Rindergesundheitsdienst sehen Sie viele Rinderställe. Welche Bereiche sind meistens überbelegt?
Dr. Andreas Ahrens: Überbelegung kann in jedem Stallbereich ein Problem sein. Die Ursachen dafür sind vielfältig und resultieren aus der jeweiligen betrieblichen Situation. An erster Stelle sehe ich dabei die Bestandsvergrößerung, um mit mehr Kühen mehr Milch zur Kostendeckung zu produzieren. Weitere Ursachen sind Abkalbespitzen. Dadurch werden erst die Vorbereiterkühe „enger zusammengerückt“ und dann verlagert sich diese Situation in den Abkalbebereich und schließlich zu den Kälbern.
Elite: Was sind die Folgen von zu vollen Ställen?
Dr. Andreas Ahrens: Bei den Kälbern leidet sehr stark die Tiergesundheit. Lungenentzündungen und Durchfallerkrankungen können sich häufiger und schneller zwischen den Kälbern ausbreiten. Neben direkten Tierverlusten wird auch ihr zukünftiges Leistungspotenzial als Milchkuh oder Mastbulle reduziert. Bei den trockenstehenden Kühen wird die ohnehin empfindliche Futteraufnahmeleistung verringert. In der Anfütterungsphase werden die Kühe dadurch zu früherer und verstärkter Fettmobilisation gezwungen. Dies begünstigt besonders Folgekrankheiten wie Ketose. Im Abkalbebereich bereiten vor allem schlechtere hygienische Bedingungen Probleme. Nabelentzündungen und Durchfallerkrankungen bei den Kälbern nehmen zu.
Elite: Was empfehlen Sie Herdenmanagern, wenn Sie Überbelegung sehen?
Dr. Andreas Ahrens: Dass es absolut notwendig ist, diese zu vermeiden. Die durch mehr Tiere im vorhandenen Stall erhofften Gewinne oder Arbeitserleichterungen werden in der Regel durch die eintretenden negativen Ergebnisse rasch wieder annulliert. Im besten Fall bleibt es bei dem gleichen ökonomischen Ergebnis bei deutlich höherem Arbeitsaufwand. Meistens sind die Kosten der negativen Folgen aber höher als die erhofften zusätzlichen Erlöse. Oft erreichen Kühe schon unter 100%iger-Stallbelegung nicht ihre genetisch und fütterungstechnisch mögliche Milchleistung, durch Überbelegung sinkt sie dann noch weiter. Dazu verschlechtert sich die Gesundheitslage und die Fruchtbarkeit.
Elite: Warum tun sich trotzdem viele Betriebe so schwer damit, ihre Ställe nicht zu voll zu belegen?
Dr. Andreas Ahrens: Oft hat sich die Situation über einen längeren Zeitraum entwickelt und fällt den Betroffenen erst auf, wenn sich die Leistungen der Tiere deutlich verringern. Auch wird, nach wie vor, leider die maximale Ausnutzung der Stallungen proklamiert und ein Tier:Liegeplatz-Verhältnis von mindestens 1:1 oder darüber empfohlen. Hier wird nicht beachtet, dass Kühe gerne alles zusammen als Herde tun. So liegen Kühe, wenn sie können, meist nicht nur zur gleichen Zeit, auch ihre Futteraufnahme erfolgt möglichst gleichzeitig. Sind zu wenig Plätze da, leiden rangniedere Tiere und Jungkühe als Erste darunter.
Elite: Welchen Einfluss hat die ökonomische Situation der letzten Jahre?
Dr. Andreas Ahrens: Einen großen, sie ist ein Problem! Bei vielen Bestandsaufstockungen wurden durch finanzielle Zwänge meist nur Teilbereiche erweitert und die anderen Bereiche erstmal mit Kompromisslösungen versehen. Diese sollten, sobald eine Finanzierung möglich ist, schnellstmöglich in tiergerechtere Haltungssysteme umgewandelt werden.
Elite: Wo liegt das Optimum?
Dr. Andreas Ahrens: Das Tier:Liegeplatzverhältnis sollte im allerhöchsten Fall 1:1 betragen. Bessere Ergebnisse haben Betriebe, die 10 bis 15 Prozent weniger Tiere in einer Gruppe halten, als dort Liegeplätze vorhanden sind. Neben höheren Trockenmasseaufnahmen fallen hier auch geringere Behandlungskosten und eine bessere Fruchtbarkeit auf.
Elite: Was sieht man, wenn Stallbereiche überbelegt sind?
Dr. Andreas Ahrens: Allgemein hat man bei Überbelegung immer negative Auswirkungen, auch wenn diese nicht sofort ins Auge springen. Durch die höhere Gruppendichte und das geringere Platzangebot für jede Kuh, steigt der soziale Stress. Die Liegezeiten reduzieren sich, was zu einer reduzierten Wiederkauaktivität und einer geringeren Speichelproduktion führt. Dadurch werden die aufgenommenen Fasern unzureichend zerkleinert und der Pansen-pH nicht auf natürliche Weise effizient gepuffert. Die Tiere nehmen auch weniger Futter bzw. Trockenmasse auf, was ebenfalls eine geringere Leistung zur Folge hat. Durch kürzere Liegezeiten sind die Klauen und Gelenke noch mehr belastet und die Klauen können nicht richtig abtrocknen. Besonders gut zu erkennen sind die negativen Auswirkungen an den schwächsten Tieren der Gruppe. Bei ihnen sieht man nicht nur Leistungsrückgänge, sondern vermehrt auch Folgekrankheiten wie Stoffwechselstörungen, Klauenerkrankungen und Fruchtbarkeitsprobleme.
Elite: Was verändert sich, wenn die Belegdichten an das Optimum heruntergeregelt werden?
Dr. Andreas Ahrens: Meine Erfahrungen sind, dass schon in relativ kurzer Zeit, nachdem die Belegungsdichte reduziert wurde, die Milchleistung ansteigt. Das kann innerhalb von wenigen Tagen passieren. Denn die Kühe kommen eher an den Futtertisch und haben dort genügend Zeit und Platz zur Futteraufnahme. Und sie haben ausreichend Zeit zum Ruhen und Wiederkauen sowie zur Wasseraufnahme, dadurch bessert sich auch ihre Verdauungsleistung. Dies hat nicht nur einen positiven Effekt auf die Milchleistung, auch die Tiergesundheit verbessert sich spürbar. Diese Effekte sind aber erst zeitverzögert, nach ca. drei Wochen, fassbar. Die Fruchtbarkeit bessert sich noch später, erst nach etwa drei Monaten. Daran sieht man gut, wie langanhaltend sich Störungen des Tierwohls durch falsches Management auswirken!
Dr. Andreas Ahrens: Meine Erfahrungen sind, dass schon in relativ kurzer Zeit, nachdem die Belegungsdichte reduziert wurde, die Milchleistung ansteigt. Das kann innerhalb von wenigen Tagen passieren. Denn die Kühe kommen eher an den Futtertisch und haben dort genügend Zeit und Platz zur Futteraufnahme. Und sie haben ausreichend Zeit zum Ruhen und Wiederkauen sowie zur Wasseraufnahme, dadurch bessert sich auch ihre Verdauungsleistung. Dies hat nicht nur einen positiven Effekt auf die Milchleistung, auch die Tiergesundheit verbessert sich spürbar. Diese Effekte sind aber erst zeitverzögert, nach ca. drei Wochen, fassbar. Die Fruchtbarkeit bessert sich noch später, erst nach etwa drei Monaten. Daran sieht man gut, wie langanhaltend sich Störungen des Tierwohls durch falsches Management auswirken!
Elite: In Dänemark und der Schweiz etwa ist Überbelegung verboten und wird scharf kontrolliert. Ein Weg auch für uns?
Dr. Andreas Ahrens: Ich denke, dass es ein solches Verbot mit CC-Relevanz sehr wahrscheinlich irgendwann auch in Deutschland geben wird. Und zwar, weil die Milchviehbetriebe es in der Breite vorher wohl nicht von allein umsetzen werden.K. Berkemeier