Elite hat drei Zuchtexperten und zwei Züchter gefragt, was sie von den Neuerungen im Zuchtwertsystem des Fleckviehs halten.
Aufwertung Fleisch
„Sehr wichtig war für mich, dass die Fleischkomponente im Gesamtzuchtwert anders aufgelegt wurde. Das bisherige Modell hätte die Doppelnutzung der Rasse gefährdet. Die neuen Gewichtungen bringen in den...
Elite hat drei Zuchtexperten und zwei Züchter gefragt, was sie von den Neuerungen im Zuchtwertsystem des Fleckviehs halten.
Aufwertung Fleisch
„Sehr wichtig war für mich, dass die Fleischkomponente im Gesamtzuchtwert anders aufgelegt wurde. Das bisherige Modell hätte die Doppelnutzung der Rasse gefährdet. Die neuen Gewichtungen bringen in den nächsten Jahren Früchte“, freut sich Dr. Johannes Aumann, BVN. Zustimmung auch bei Züchter Robert Lechner: „Die Aufwertung der Handelsklasse finde ich gut. Für kleinere, festere Kälber bekommt man beim Verkauf rund 100 € mehr als für ein Bullenkalb, das Richtung Rotbunt geht.“
Weniger euphorisch ist Dr. Thomas Grupp, BayernGenetik: „Bei der Fleischvererbung wird sich leider nicht viel verändern. Wir hätten die Handelsklasse gerne noch stärker betont und die Aufwertung der Ausschlachtung weggelassen, da hier kaum Daten vorliegen.“ Benjamin Köhnlein, BV Höchstädt, bilanziert: „Das neue Gewichtungssystem ist der Mittelweg zwischen den Extremen: Sehr starke Gewichtung auf Fleisch beziehungsweise mehr Milch oder mehr Fitness.“
Aufwertung Fett
Die stärkere und fast zum Milcheiweiß gleichwertige Gewichtung der Milchfettkomponente war laut den Experten der Besamungsstationen eine „notwendige Reaktion auf das Quotenende.“ Züchter Andreas Böhm kann sie dagegen nicht nachvollziehen: „Bisher wollten wir eine eiweißstarke Kuh mit engem Fett-Eiweiß-Verhältnis. Das waren auch die unproblematischeren Kühe mit weniger Stoffwechselproblemen. Außerdem wünscht der Verbraucher doch immer mehr Light-Produkte. Wie passt dies mit höheren Milchfettgehalten zusammen, die die Molkerei wieder entrahmen muss?“
Aufwertung Fitness
„Die Verschiebungen im Fitnessblock und die Aufwertung der Fruchtbarkeit waren unbedingt nötig. Wenn man nun auf den neuen GZW selektiert, wird die Fruchtbarkeit nicht negativ beeinflusst“, erklärt Dr. Aumann. Er rät den Landwirten nun genauer hinzuschauen: „Bei einem hohen GZW kann man sich nicht mehr automatisch auf einen hohen Milchwert verlassen. Es gibt nun Bullen, die durch einen top Fitness-Zuchtwert einen sehr guten GZW haben, aber im MW und FW durchschnittlich sind.“ Die beiden Praktiker Lechner und Böhm messen der züchterischen Aufwertung der Fruchtbarkeit eine eher geringe Bedeutung zu. Sie sehen diese mehr vom Management beeinflusst. „Aber der neue VIW im Fitnessbereich ist sicherlich eine Verbesserung. Mir geht das trotzdem nicht weit genug. Es sollten auch die Gründe für die Verluste erfasst werden“, kritisiert Züchter Böhm.
Abwertung der Genomics
Als „die entscheidendste Änderung“ bezeichnen die Experten die neue Methode der Zuchtwertberechnung und damit die Stauchung der genomischen Jungvererber. „Es gab zu viele Bullen, die mit GZWs über 135 gestartet sind und nach der Prüfung unter 105 liegen! Das konnte man keinem Landwirt erklären und zumuten“, sagt Dr. Grupp.
„Die Landwirte haben teilweise das Vertrauen in die genomische Selektion verloren“, weiß Benjamin Köhnlein. Züchter Lechner meint: „Bei dem genomischen System bestand und besteht immer noch ein Rechenfehler. Auch wenn sich das nun etwas verbessert hat, sind immer noch zu wenig nachkommengeprüfte Bullen in den Top-Listen.“