Über das Thema Melkbarkeit wird viel diskutiert. Aber was ist zu langsam und wie schnell ist noch gut? Tipps und Grenzen, inwieweit sich die Melkbarkeit tatsächlich züchterisch bearbeiten lässt.
Schwermelkende Kühe sind oft ein Ärgernis. Sie „halten den Betrieb auf”, sodass der Durchsatz im Melkstand sinkt (Stichwort Arbeitszeit). Auch bei automatischen Melksystemen ist eine leichte Melkbarkeit, d.h. ein schneller Milchfluss, wichtig, da sonst die optimale Auslastung der Melkbox...
Über das Thema Melkbarkeit wird viel diskutiert. Aber was ist zu langsam und wie schnell ist noch gut? Tipps und Grenzen, inwieweit sich die Melkbarkeit tatsächlich züchterisch bearbeiten lässt.
Schwermelkende Kühe sind oft ein Ärgernis. Sie „halten den Betrieb auf”, sodass der Durchsatz im Melkstand sinkt (Stichwort Arbeitszeit). Auch bei automatischen Melksystemen ist eine leichte Melkbarkeit, d.h. ein schneller Milchfluss, wichtig, da sonst die optimale Auslastung der Melkbox nicht erreicht wird. Eine schwere Melkbarkeit verringert auch den Marktwert einer Färse, denn wenn das durchschnittliche Minutengemelk (DMG) eines Tieres unter 1,8 kg/min liegt, muss beim Verkauf (Auktionen) auf „Schwermelkbarkeit“ hingewiesen werden. Die Folgen sind deutlich geringere Erlöse (bis zu 500 Euro Verlust und mehr) oder die Kuh selber melken zu müssen.
In der Praxis können Spannweiten zwischen ca. 0,7 und 8 kg Milch je Minute vorkommen. Ab wann die Melkbarkeit als problematisch empfunden wird, ist dabei je nach Betriebsleiter sehr unterschiedlich.
Die Lösung für einen schnelleren Milchfluss wird gerne in der Zucht gesucht. Der Zuchtwert für Melkbarkeit (Relativzuchtwert RZD) ist, wie die meisten Exterieur-Linearmerkmale, ein Optimalmerkmal. Demnach wird der „optimale“ Populationsdurchschnitt (RZD 100) angestrebt. Die Ergebnisse des Projektes KuhVision zeigen, dass der Mittelwert der betrachteten Holstein-Population von RZD 101 ein DMG von 2,5 kg Milch pro Minute bedeutet.
Viel Lärm um nicht viel?
Zwar kann die Zucht einen Beitrag leisten, dennoch sollte nicht zu einseitig auf Melkbarkeit als Zuchtmerkmal und damit auf ein erhöhtes DMG gesetzt werden. Denn:
- Die Erblichkeit des Merkmals ist mit 28% zwar vergleichsweise hoch, dennoch sind damit 72% der Einflüsse auf die Melkbarkeit umwelt- und managementbedingt! Einflussfaktoren sind z.B. das Melksystem, die Zitzengummis oder Stress beim Melkvorgang.
- Ergebnisse aus dem Projekt KuhVision zeigen, dass die tatsächliche Spannweite im Minutengemelk geringer ist, als es die (genomischen) Zuchtwerte vermuten lassen! Denn demnach entspricht ein gRZD von 89 im Mittel einem DMG von 2,1 kg Milch/min. Kühe mit einem gRZD von 112 melken dagegen im Mittel rund 2,9 kg Milch/min. Der Unterschied liegt demnach nur bei 0,8 kg Milch/min im DMG, aber bei 23 Punkten im gRZD (Übersicht 1).
- Daten zur Melkbarkeit werden bei der Linearen-Exterieur-Nachzuchtbeschreibung von Erstkalbskühen über eine eher subjektive Besitzerbefragung erfasst (sofern keine Daten des Melksystems vorliegen).
- Die Kehrseite einer leichten Melkbarkeit besteht häufig in mangelhafter Eutergesundheit. Ein Negativeffekt ist z.B. das Milchlaufenlassen von Kühen mit schnellem Milchfluss. Die Folge sind „Milchseen“ in den Liegeboxen, die ein erhöhtes Risiko für Euterinfektionen und weniger Milch mit sich bringen. Das zeigt sich auch in den Zuchtmerkmalen: Der RZD korreliert negativ mit dem Zuchtwert für die somatische Zellzahl (RZS), für Eutergesundheit (RZEuterfit) und für Strichlänge. Positiv auf die Melkbarkeit wirkt sich dagegen die Eutergesamtnote aus.
- Der Milchfluss einer Kuh wird mit dem Alter, d.h. in späteren Laktationen, sehr wahrscheinlich schneller. Daher: Eutergesundheit berücksichtigen!
- Die Erblichkeit des Merkmals ist mit 28% zwar vergleichsweise hoch, dennoch sind damit 72% der Einflüsse auf die Melkbarkeit umwelt- und managementbedingt! Einflussfaktoren sind z.B. das Melksystem, die Zitzengummis oder Stress beim Melkvorgang.
- Ergebnisse aus dem Projekt KuhVision zeigen, dass die tatsächliche Spannweite im Minutengemelk geringer ist, als es die (genomischen) Zuchtwerte vermuten lassen! Denn demnach entspricht ein gRZD von 89 im Mittel einem DMG von 2,1 kg Milch/min. Kühe mit einem gRZD von 112 melken dagegen im Mittel rund 2,9 kg Milch/min. Der Unterschied liegt demnach nur bei 0,8 kg Milch/min im DMG, aber bei 23 Punkten im gRZD (Übersicht 1).
- Daten zur Melkbarkeit werden bei der Linearen-Exterieur-Nachzuchtbeschreibung von Erstkalbskühen über eine eher subjektive Besitzerbefragung erfasst (sofern keine Daten des Melksystems vorliegen).
- Die Kehrseite einer leichten Melkbarkeit besteht häufig in mangelhafter Eutergesundheit. Ein Negativeffekt ist z.B. das Milchlaufenlassen von Kühen mit schnellem Milchfluss. Die Folge sind „Milchseen“ in den Liegeboxen, die ein erhöhtes Risiko für Euterinfektionen und weniger Milch mit sich bringen. Das zeigt sich auch in den Zuchtmerkmalen: Der RZD korreliert negativ mit dem Zuchtwert für die somatische Zellzahl (RZS), für Eutergesundheit (RZEuterfit) und für Strichlänge. Positiv auf die Melkbarkeit wirkt sich dagegen die Eutergesamtnote aus.
- Der Milchfluss einer Kuh wird mit dem Alter, d.h. in späteren Laktationen, sehr wahrscheinlich schneller. Daher: Eutergesundheit berücksichtigen!
Übrigens: In den USA gibt es den Begriff „milking speed”, aber weder ein Zuchtmerkmal zur Melkbarkeit, noch werden entsprechende Daten erfasst. Soll ein in Deutschland angebotener US-Bulle einen Zuchtwert für Melkbarkeit bekommen, geht das nur über die deutsche Typisierung. So unterschiedlich ist die Bedeutung: In den USA aber auch in anderen europäischen Ländern spielt die Melkgeschwindigkeit kaum bis keine Rolle, während es in Deutschland eine teils akribische Fixierung bzw. einen Hype darauf gibt.
Herdentypisierung als Hilfsmittel
Auch wenn die Spannweiten im tatsächlichen Minutengemelk insgesamt nicht so groß sind, zeigen die KuhVisions-Daten doch merkliche Unterschiede in den genomischen Zuchtwerten der weiblichen Tiere auf (von gRZD 69 bis zu 130). Besonders Extremwerte im gRZD spiegeln sich im DMG wider. Das belegen auch die Zahlen einer Beispielherde (Übersicht 2). Hier wurden die gRZD-Werte (vor Abkalbung) mit den gemessenen DMG-Werten verglichen. Die Herdentypisierung kann also ein Hilfsmittel sein, um sich einen Überblick über die Herde zu verschaffen und so gezielt zu selektieren und anzupaaren.
Bei aktuellen Holsteinbullen mit einem genomischen Gesamtzuchtwert (gRZG) über 150 liegt der gRZD zwischen 88 und 118. Einen festen RZD-Grenz-wert, anhand deren Bullen nicht in den Besamungseinsatz gehen, gibt es nicht. Rein aus vermarktungstechnischer Sicht lohnt es aber kaum noch, Bullen mit einem RZD unter 95 anzubieten. Aus züchterischer Sicht ist ein Aussortieren von Bullen mit knappem RZD allerdings nicht sinnvoll. Denn besonders in Typisierungs-Betrieben, wo jedes Tier seinen individuellen gRZD hat, ist ein vielfältiges Bullenangebot wichtig, um gezielt anpaaren zu können. Liegt der gRZD einer Kuh deutlich über 100, ist es von Vorteil, diese mit einem Bullen mit knapperen RZD anzupaaren. Bei einem gRZD unter 100 können wiederum Bullen mit höheren RZD-Werten eingesetzt werden. Grundsätzlich gilt: Nach oben sind so lange keine RZD-Grenzen gesetzt, so lange hohe Zuchtwerte im RZS und vor allem im RZEuterfit einhergehen!
In die Auszeichnung RZRobot (= Robotertauglich) fließt der RZD zu 20% ein. Als Grenzkriterium gilt hier ein minimaler RZD von 94, damit ein Bulle überhaupt mit dem RZRobot ausgewiesen wird.
Tipp für die Praxis
Mithilfe der Herdentypisierung können Tiere mit geringem gRZD schon frühzeitig verkauft bzw. bereits zum ersten Kalb hin gezielt angepaart werden (unter Berücksichtigung des RZS und RZEuterfit!). So lässt sich die Melkbarkeit in der Herde mittel- bis langfristig verbessern, ohne dass die Eutergesundheit leidet. Besonders im Hinblick auf die Ergebnisse aus dem KuhVisions-Projekt sollte das Anstreben sehr hoher Melkbarkeitszuchtwerte jedoch gut bedacht und knappere RZD-Werte nicht als so problematisch eingeschätzt werden. Oft hilft es auch schon, das Management rund um das Melken zu optimieren.-khk-
Mithilfe der Herdentypisierung können Tiere mit geringem gRZD schon frühzeitig verkauft bzw. bereits zum ersten Kalb hin gezielt angepaart werden (unter Berücksichtigung des RZS und RZEuterfit!). So lässt sich die Melkbarkeit in der Herde mittel- bis langfristig verbessern, ohne dass die Eutergesundheit leidet. Besonders im Hinblick auf die Ergebnisse aus dem KuhVisions-Projekt sollte das Anstreben sehr hoher Melkbarkeitszuchtwerte jedoch gut bedacht und knappere RZD-Werte nicht als so problematisch eingeschätzt werden. Oft hilft es auch schon, das Management rund um das Melken zu optimieren.-khk-
In Zusammenarbeit mit Hartwig Meinikmann und Christoph Niehues-Pröbsting, Rinder-Union West eG