Kühe sowie deren neugeborene Kälber haben nach Schwergeburten oft große gesundheitliche Probleme. Tipps, wie sich Spätfolgen verhindern lassen!
Ein erfolgreicher Startschuss fürs Leben, das sollte die Geburt eines Kalbes sein. Leider gleicht sie all zu oft eher einer Fehlzündung. Denn Schwergeburten (Dystokie) sind keine Seltenheit und ihre...
Kühe sowie deren neugeborene Kälber haben nach Schwergeburten oft große gesundheitliche Probleme. Tipps, wie sich Spätfolgen verhindern lassen!
Ein erfolgreicher Startschuss fürs Leben, das sollte die Geburt eines Kalbes sein. Leider gleicht sie all zu oft eher einer Fehlzündung. Denn Schwergeburten (Dystokie) sind keine Seltenheit und ihre Folgen sind immens für Kuh und Kalb. Umso wichtiger ist es, die Hauptverursacher für Schwergeburten zu erkennen und diese im Betrieb abzustellen. In einer groß angelegten Untersuchung der FU Berlin konnten die wichtigsten Faktoren, die zu schweren Kalbeverläufen bei Färsen und Mehrkalbskühen führen, aufgedeckt werden.
Kälber entwickeln sich schlechter
Schwergeburten lassen sich zu Beginn der Kalbung nur sehr schwer erkennen. Denn außer einer verlängerten Austreibungsphase gibt es ansonsten nur kleine, kaum messbare Verhaltensunterschiede bei den Tieren. Werden diese Unterschiede nicht frühzeitig erkannt und wird nicht gegengesteuert, können die Folgen verheerend sein:
Verstärkter Geburtsschmerz bei der Kuh und dadurch schlechteres Allgemeinbefinden. Nach der Kalbung liegen diese Kühe mehr und nehmen weniger Futter auf.
Verletzungen des Reproduktionstraktes. Bereits nach einer leichten Geburtshilfe werden die Kühe im Schnitt später und seltener tragend.
Milchleistungsdepressionen und Folgeerkrankungen wie z.B. Metritis, Ketose oder Gebärparese treten häufiger auf.
Nach einer Schwergeburt (stark unterstützende Geburtshilfe) geben Kälber in ihrer ersten Laktation im Schnitt 710 kg (kumuliert, bezogen auf 305 Tage) weniger Milch als spontan geborene Färsen (Eaglen et al., 2011).
Die Kälber sind weniger vital und dadurch empfänglicher für Durchfälle etc.
Je intensiver die Geburtshilfe erfolgen muss, desto höher steigt das Risiko von Totgeburten.
Nach einer Schwergeburt liegen die Abgangsraten sowohl der Kühe als auch der Kälber höher.
Betreuung rund um die Uhr
Diese negativen Folgen sind Grund genug, um mögliche Auslöser ausfindig zu machen und auszuschalten. In einer Untersuchung auf einem Milchviehbetrieb wurden deshalb die Kalbeverläufe von insgesamt 1.949 Färsen und Mehrkalbskühen erfasst und dann daraus statistisch signifikante Ursachen ermittelt.
Auf dem Milchviehbetrieb lag im Untersuchungszeitraum das Erstkalbealter bei durchschnittlich 23 Monaten. Die mehrlaktierenden Kühe kommen am 265. Trächtigkeitstag, die Färsen spätestens ab dem 264. Tag in die Vorbereitergruppe (Close up). Hier erhalten sie eine energiereichere TMR, Propylenglykol zur Ketose- und anionische Salze zur Gebärparese-Prophylaxe. Im Durchschnitt verweilen die Mehrkalbskühe zehn Tage, die Färsen elf Tage in der Close-up-Gruppe.
Bei deutlichen Geburtsanzeichen (abgestellter Schwanz, Milchfluss, Ausfluss, sichtbare Fruchtblase) stallen die Mitarbeiter die Tiere in frisch eingestreute Einzelboxen um (just in time). Die Überwachung der hochträchtigen Tiere erfolgt 24 Stunden am Tag. Dabei machen die Mitarbeiter alle halbe Stunde einen Rundgang durch die Gruppe. Die Beurteilung der Geburtsverläufe erfolgt mithilfe eines fünf-stufigen Scoring-Systems (Score 0 bis 4), ab dem Score 2 gilt die Kalbung aus arbeitsmethodischen Gründen als Schwergeburt:
Score 0: Unbeobachtet in der Gruppe.
Score 1: Leichte Geburt ohne Hilfe, beobachtet.
Score 2: Mäßig schwere Geburt, Anwendung manueller Geburtshilfe durch eine Person.
Score 3: Sehr schwere Geburt, Einsatz des mechanischen Geburtshelfers, Hilfe durch mindestens 2 Personen.
Score 4: Geburtshilfe durch den Tierarzt, Kaiserschnitt.
Färsen: Nicht zu lange vorbereiten
Die Auswertung der Untersuchungsdaten zeigte, dass sich die Ursachen für Schwergeburten bei Färsen von denen bei Mehrkalbskühen deutlich unterscheiden. Bei Färsen:
Schwergeburten traten doppelt so häufig auf (56,8%) wie bei Mehrkalbskühen (28,4%).
Die Auswahl des Besamungsbullen hat den stärksten Einfluss. Das Risiko für eine Schwergeburt war je nach Bulle bis zu siebenfach erhöht.
Das Risiko für eine Schwergeburt bei den Färsen steigt bei einem toten Kalb um das Fünffache an.
Weitere Faktoren für eine hohe Schwergeburtenrate sind das Geschlecht des Kalbes (erhöhtes Risiko bei Bullenkälbern) und die Höhe des Geburtsgewichtes (Optimum 30 kg).
Auch eine verlängerte Trächtigkeits- (Optimum 260 bis 265 Tage, Übersicht 1) und Vorbereitungsdauer (Close up) beeinflussen geringgradig die Schwergeburtenrate.
Das durch die intensive Aufzucht erreichte niedrige mittlere Erstkalbealter von knapp 23 Monaten hat wider Erwarten keinen nachweisbaren Effekt auf die Dystokierate.
Empfehlung: Ein erfolgversprechender Ansatz zur Reduzierung der Schwergeburtenrate bei Färsen ist die Auswahl des Besamungsbullens anhand töchtergeprüfter Zuchtwerte für den Kalbeverlauf und die Nutzung gesexten Spermas zur Erhöhung des Anteils an weiblichen Kälbern. Daneben sollte die Trächtigkeitsdauer (Optimum 260 bis 265 Tage) überwacht und gegebenenfalls die Kalbung bei Überschreitung der physiologischen Tragezeit eingeleitet werden. Auch durch eine Begrenzung der Intensität und Dauer der Vorbereitungsphase lässt sich die Schwergeburtenrate positiv beeinflussen.
Mehrkalbskühe: Viel Ruhe im Stall
Die Hauptfaktoren für Schwergeburten bei Mehrkalbskühen sind:
Mehrlingsträchtigkeiten, das Risiko steigt um das 42-Fache.
Eine Totgeburt hat den zweitstärksten Effekt auf die Schwergeburtenrate.
Das Risiko für schwere Kalbeverläufe steigt bei Bullenkälbern deutlich an.
Die Tageszeit der Kalbung übt einen signifikanten Einfluss auf die Schwergeburtenrate bei den Kühen aus. In der Nachtschicht (22.00 bis 06.00 Uhr) waren die Kalbeverläufe unauffälliger als in den Morgenstunden.
Auch bei den mehrkalbigen Kühen beeinflusst der Anpaarungsbulle die Dystokierate. Der Effekt ist jedoch deutlich geringer als bei erstkalbenden Kühen.
Ebenso ist der Effekt der Trächtigkeitsdauer ≥260 Tage bei den Mehrkalbskühen geringer (Optimum 271 bis 274 Tage).
Erhöhte Blutserumkonzentrationen an Freien Fettsäuren (NEFA) zeigen bereits zu Beginn der Vorbereitungsphase ein erhöhtes Risiko für einen schweren Kalbeverlauf an.
Letztlich beeinflusst auch das Geburtsgewicht der Kälber die Schwergeburtenrate der älteren Kühe.
Empfehlung: Mehrkalbskühe mit einer Mehrlingsträchtigkeit (regelmäßige Ultraschalluntersuchung) sollten speziell gemanagt werden. Dazu gehört ein früheres Umstallen in die Vorbereitungsgruppe (Close up) und eine deutlich intensivere Geburtsüberwachung.
Achtung bei hohen NEFAs
Weitere Maßnahmen wie die Bullenauswahl bei der Anpaarung, die Kontrolle der Trächtigkeitsdauer (gegebenenfalls Geburtseinleitung) oder der Einsatz von gesextem Sperma kann helfen, die Schwergeburtenrate bei Mehrkalbskühen zu senken. Im Vergleich zu Färsen sind die Erfolge dieser Maßnahmen jedoch geringer.
Kühe leiden in den Nachtstunden seltener unter einem schweren Geburtsverlauf. Das zeigt, wie wichtig Ruhe und ein stressfreies Umfeld im Abkalbestall für die Kühe sind. Erhöhte Konzentrationen an Freien Fettsäuren (NEFAs) bei den Tieren bereits zu Beginn der Vorbereitungszeit (Close up) können einen Hinweis auf eine bevorstehende Schwergeburt liefern.-os-