Merkmale wie Zellzahlen oder Klauengesundheit sind, anders als die Milchmenge, nur in sehr geringem Ausmaß erblich. Wie lässt sich die Fitness trotzdem züchterisch verbessern?
Merkmale, welche die Leistung einer Kuh beeinflussen (Milchmenge, Fettprozent o.Ä.) sind mit 40 bis 45% relativ gut erblich. Das bedeutet, dass ein verhältnismäßig hoher Anteil der Leistung einer Kuh von ihren Genen und weniger von der...
Merkmale wie Zellzahlen oder Klauengesundheit sind, anders als die Milchmenge, nur in sehr geringem Ausmaß erblich. Wie lässt sich die Fitness trotzdem züchterisch verbessern?
Merkmale, welche die Leistung einer Kuh beeinflussen (Milchmenge, Fettprozent o.Ä.) sind mit 40 bis 45% relativ gut erblich. Das bedeutet, dass ein verhältnismäßig hoher Anteil der Leistung einer Kuh von ihren Genen und weniger von der Umwelt bestimmt ist.
Anders sieht es bei „Fitness“- und Gesundheitsmerkmalen aus: Nutzungsdauer (12%), Zellzahl (15%) oder Fruchtbarkeit (2%) werden viel stärker von Management und Umwelt der Kühe beeinflusst als von der Genetik. Wenn ein Merkmal nur gering erblich ist, lässt sich schwer darauf züchten. Ignorieren ist aber auch keine Lösung, wenn künftig in Zeiten steigender Kosten noch effizientere (d.h. gesündere!) Kühe gefragt sind. Wie aber lässt sich der Gesundheitsstatus züchterisch verbessern?
1. Auf wenige Merkmale konzentrieren
Zu viele Merkmale blockieren den Zuchtfortschritt in Einzelmerkmalen. Daher besser zielgerichtet und intensiv auf ein bis zwei Merkmale konzentrieren und diese alle fünf Jahre wechseln! So ließ sich die Mastitishäufigkeit in einem Selektionsexperiment in Norwegen (Heringstad et al., 2007) in acht Herden (2.700 Kühe) innerhalb von sechs Generationen von 18% auf zwei bis vier Prozent absenken.
Wichtig ist zudem, möglichst direkt auf die Merkmale zu züchten, die man verbessern möchte. Früher konnten bestimmte Merkmale nur über Hilfsmerkmale züchterisch bearbeitet werden (z.B. Klauenrehe-Befunde verringern, indem man auf ein gut gewinkeltes Sprunggelenk und eine ausreichende Trachtenhöhe hinten achtet). Damit das funktioniert, müssen Hilfsmerkmale genau erfasst werden und für alle einheitlich definiert sein! Zudem muss klar sein, welche Umwelteffekte in den Betrieben auf die Kühe einwirken. Das ist häufig nicht gegeben. Daher ist nicht überraschend, dass sich Hilfsmerkmale im Exterieur nur moderat als Anzeiger für Gesundheitsmerkmale eignen. Es gilt, die „richtigen“ Merkmale zu identifizieren, um direkt auf diese zu selektieren! Im alten Zuchtwertschätzsystem waren dafür mindestens 50 Töchterleistungen je Bulle nötig, am besten aus Testherden wegen der umfassenderen Datenverfügbarkeit. Einen modernen „Ausweg“ bietet die genomische Selektion.
2. Genomische Selektion nutzen
Durch die genomische Selektion sind Züchter schon jetzt häufig nicht mehr auf Hilfsmerkmale angewiesen. Auch für Gesundheitsmerkmale sollen mithilfe der Kuhlernstichprobe (siehe Elite 6/17) in den nächsten Jahren direkte Zuchtwerte etabliert werden. Nun ist es möglich, die „Alleskönner“ unter den Bullen zu finden – also solche, die sowohl viel Milch als auch gute Fitnessmerkmale vererben. Dazu ist es allerdings nötig, sich die Zahlen genau anzusehen. Eine Bullenauswahl nach RZG bringt nur wenig Erfolg, gezielt Schwachpunkte der Herde zu verbessern!
Auch die Genotpyisierung der weiblichen Nachzucht kann das genetische Niveau der Herde in Sachen Gesundheitsmerkmale verbessern, weil mehr Informationen über die Tiere bekannt sind:
Anpaarung auf Basis typisierter Kühe
Vermeidung von Erbdefekten
Nutzung von Dominanzeffekten (Heterosis)
Verringerung des Inzuchtgrads
3. Biotechnik nutzen (Spermasexing)
Der Zuchtfortschritt lässt sich steigern, indem nur die besten Kühe und Jungrinder zur Zucht eingesetzt werden. Genetisch weniger wertvolle Tiere könnten z.B. mit einer Fleischrasse besamt oder deren Kälber verkauft werden. Auch dabei hilft Genotypisierung. Tipp: Wer auf eine Rassenkreuzung setzt, sollte strategisch vorgehen (Übersicht 1).
Etwa 70% der Kühe werden mit Holstein-Friesian-Bullen (HF) weiblich gesext besamt. Die daraus entstehenden Kuhkälber erhalten wiederum zu 70% weiblich gesextes, der Rest Fleischrasse- oder männlich gesextes Sperma.
Die restlichen 30% der Kühe werden mit Braunvieh- oder Brown-Swiss-Vererbern belegt, um bei deren Nachzucht 100% Heterosis-Effekt zu nutzen. Diese werden jedoch wiederum ausschließlich mit Fleischrassebullen oder männlichem Sperma belegt, um keine Kälber mehr zur Zucht bereitzustellen.
Leistung lohnt sich!
Fazit: Zucht ist nur ein Baustein neben der Optimierung des Betriebsmanagements (Haltung, Fütterung)! Die Tiergesundheit züchterisch zu verbessern, dauert. Dennoch lohnt es sich, alle verfügbaren Wege zu beschreiten und eben auch über die Zucht in die Zukunft zu investieren. Der Leistungsaspekt sollte dabei keinen negativen Beigeschmack haben.
Tipp: Keine Bullen mit weniger als +1.000 kg Milch einsetzen! Es gibt genügend Bullen, die viel Milch und trotzdem sehr gute funktionale Merkmale aufweisen. Zu viele Merkmale im Zuchtziel blockieren Zuchtfortschritt in Einzelmerkmalen. Daher zielgerichtet auf das Gesundheitsmerkmal züchten, das im eigenen Betrieb die meisten Probleme bereitet. -cs-