Wenn alle Kühe so gefüttert und betreut würden, wie es notwendig wäre, hätten wir keine Diskussion um „Turbokühe“. Leider passt das Management nicht immer zur Genetik im Stall.
Das Thema Tierwohl beschäftigt unsere Gesellschaft. 85 Prozent der Bundesbürger wünschen sich, dass Landwirte verantwortungsvoll mit ihren Tieren umgehen – so das Ergebnis einer repräsentativen Emnid-Studie. Durch abstoßende Berichte in Zeitungen und im TV werden viele Verbraucher jedoch gegen die Nutztierhaltung aufgebracht. Zunehmend sehen sich Milcherzeuger denn auch öffentlicher Kritik ausgesetzt. Unterstellt wird ihnen, dass sie die Milchproduktion nur durch hohe Abgangsraten („Wegwerfkuh“) und einen massiven Medikamenteneinsatz („Doping“) aufrechterhalten können.
Innerhalb der Milchbranche, besonders von Seiten der Veterinärmedizin, wird die Schuld an der Misere im Stall gerne der Rinderzucht zugeschrieben. Diese sei zu einseitig auf die Milchleistung („Turbokuh“) ausgerichtet, die Kühe seien immer weniger belastbar.
Hohe Milchleistungen sind erforderlich
Tatsache ist, dass in den letzten Jahrzehnten die Milchleistungen unserer Kühe deutlich angestiegen sind. Mittlerweile melken viele Holsteinkühe mehr als 10.000 kg Milch jährlich. Auch etliche Braunvieh- und Fleckviehkühe tummeln sich inzwischen in diesem Leistungsbereich. In Israel werden im Landesdurchschnitt sogar bereits 12.000 kg Milch gemolken. In den USA und in Kanada machen vermehrt Spitzenbetriebe mit Herdenleistungen von 13.000 kg Milch und mehr auf sich aufmerksam. Diese hohen Milchleistungen sind Wasser auf die Mühlen derjenigen, die glauben, dass durch die extreme Ausrichtung der Zucht auf Milchleistung die Kühe zu krankheitsanfälligen und medikamentenabhängigen Produktionsmaschinen diskreditiert werden.
Hohe Milchleistungen sind kein Selbstzweck, sondern unter den derzeitigen marktpolitischen Rahmenbedingungen eine, wenn nicht sogar „die“ wichtigste Voraussetzung, um wirtschaftlich Milch zu produzieren. Eine lange Nutzungsdauer seiner Kühe in Verbindung mit einer hohen Leistung sollte jeder Milcherzeuger anstreben, denn es hat deutliche ökonomische Vorteile! Schließlich lassen sich so die während der Aufzucht anfallenden Kosten auf mehrere Lebensjahre bzw. Laktationen umlegen.
Aus ökonomischer Sicht ist eine Lebensleistung von mindestens 30.000 kg, besser von 40.000 kg Milch anzustreben – ermolken in 3,5 bis vier Laktationen. Die aktuelle Lebensleistung der deutschen Holsteinkühe bleibt mit durchschnittlich rund 27.600 kg noch deutlich hinter der Zielvorgabe zurück. Auch erreicht die überwiegende Mehrheit der deutschen Milchkühe im Mittel keine 3,5 Laktationen. Bei einer Aufzuchtphase von 27 bis 28 Monaten verbleibt die Durchschnittskuh bei dem aktuellen Abgangsalter von 5,4 Jahren gerade mal 3,1 Laktationen im Stall.
Ein Abgangsalter von knapp 5,5 Jahren ist natürlich wenig im Vergleich zur natürlichen Altersgrenze von Rindern, die bei rund 12 bis 15 Jahren liegen dürfte. (Milchkühe sind aber Nutz- und keine Kuscheltiere, weshalb es auch nicht zielführend ist, sie wie Haustiere von der Geburt bis zum natürlichen Ableben „durchzufüttern“.)
In den Diskussionen um die Nutzungsdauer werden häufig Antagonismen zwischen der Milchleistung und Gesundheit/Fruchtbarkeit postuliert. Nicht zu leugnen ist, dass mit steigenden Milchleistungen der (metabolische) Stress zunimmt. Stress belastet das Immunsystem und kann letztlich Gesundheitsstörungen Vorschub leisten. Kritiker der „Leistungszucht“ verweisen denn auch gerne auf eine Abnahme der Nutzungsdauer bei steigenden Milchleistungen. Zahlreiche Untersuchungen belegen jedoch, dass auch Hochleistungskühe fit sein können, denn die genetischen Antagonismen zwischen der Milchleistung und einzelnen Fitnessmerkmalen sind überwiegend schwach ausgeprägt.
Bis zu 13.000 kg lassen sich erfüttern
Die Frage ist, wie viel Milch eine Kuh bzw. eine Herde melken kann, ohne dass die Tiergesundheit Schaden nimmt? Für eine tägliche Milchleistung von 45 kg benötigt die Kuh täglich rund 3,2 kg Glukose zur Bildung von Milchzucker und Fettsäuren in der Milchdrüse. Diese relativ großen Mengen an Glukose werden, anders als bei Monogastriern, nicht direkt aus dem Dünndarm aufgenommen, sondern zu etwa zwei Drittel aus Propionat gebildet (Glukoneogenese). Eine ausreichende Propionat-Bildung setzt eine optimal funktionierende Fermentation im Pansen voraus. Aber auch selbst wenn der Pansen so richtig rund läuft, stellt sich bei hohen Milchleistungen zu Laktationsbeginn infolge der begrenzten Glukose-Bereitstellung eine mehrwöchige energetische Unterversorgung ein. Dadurch kann sich die Anfälligkeit gegenüber Stoffwechselstörungen erhöhen. Daraus zu folgern, dass das „System Wiederkäuer“, das sich während der Evolution auf die Verwertung faserreicher Pflanzen spezialisiert hat, an seine Grenzen stößt, wäre falsch. Denn interessanterweise finden sich in vielen Herden Kühe, die trotz der hohen Milchleistungen nicht erkranken. Diese Kühe zeichnen sich durch sehr hohe Futteraufnahmen aus. Nicht selten fressen Hochleistungskühe in der Laktationsspitze bis zu 27 kg Trockenmasse (TM). Grundsätzlich gilt, dass ein Anstieg der Futteraufnahme um zehn Prozent (plus 2,5 kg TM/Tag) die Toleranzgrenze hinsichtlich einer maximalen Milchleistung theoretisch um etwa 15% nach oben verschiebt. Solche Fressertypen könnten aus physiologischer Sicht theoretisch bis zu 13.000 kg Milch geben und dabei gesund bleiben (50% Kraftfutteranteil in der Ration).
Milch macht nicht krank
Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten: Es lässt sich nicht zwangsläufig ein direkter Zusammenhang zwischen einer hohen Milchleistung und Erkrankungsraten ableiten. Leistungsstarke Kühe (über 10.000 kg Milch) müssen nicht zwangsläufig erkranken.
Wo liegen dann aber die Ursachen der geringen Nutzungsdauer? Warum werden dann so viele Kühe zwangsweise gemerzt? Wenn die Genetik nicht „Schuld“ ist, dann sind die Ursachen von Erkrankungen bzw. vorzeitiger Abgänge in einer der Milchleistung nicht angepassten Fütterung- und/oder im Herdenmanagement zu suchen. Für diese These spricht auch, dass die allermeisten Behandlungen in den ersten sechs Laktationswochen zu verzeichnen sind. Als Ursache allen „Übels“ wird immer wieder die negative Energiebilanz (NEB) genannt. Diese leistet einer Immunsuppression Vorschub und gilt somit als Risikofaktor für Entgleisungen des Stoffwechsels und/oder weiterer Erkrankungen, u.a. Ketose, Mastitis, Lahmheit, Fruchtbarkeitsstörungen.
Wie bereits erwähnt, tritt ein Energiedefizit in den ersten Laktationswochen zwangsläufig auf, da die Futteraufnahme nicht mit der Milchleistung der Kühe Schritt hält. Durch den Abbau von Körpersubstanz kann ein Teil dieses Energiedefizits kompensiert werden.
Solange dieser Körpersubstanzabbau im physiologischen Rahmen erfolgt – in den ersten 60 Laktationstagen der Kühe sollten maximal zehn Prozent der Körpermasse (5 bis 6 kg Körperfett) eingeschmolzen werden – verläuft dieser Prozess ohne wesentliche Komplikationen.
Besser werden!
Milchkühe mit sehr hohen Leistungen stellen deutlich höhere Anforderungen an das gesamte Management. Leistungsstarke Kühe haben einen intensiveren Stoffumsatz und sind demnach auch anfälliger gegenüber Stoffwechsel-Imbalancen als Tiere mit niedrigerer Milchleistung. Das Fütterungs-, Gesundheits- und Haltungsmanagement in vielen Kuhställen scheint aber (noch) nicht immer dem genetischen Leistungspotenzial der Kühe (aller Rassen!) zu entsprechen.
Viele Milchviehhalter scheinen bei hohen Leistungen ihrer Kühe an die Grenze ihrer Möglichkeiten zu stoßen. Vielfach werden leistungsstarke Kühe (noch) nicht so gefüttert und betreut, wie es entsprechend ihrer Stoffwechselbeanspruchung notwendig wäre.
Besonderes Augenmerk sollte im geburtsnahen Zeitraum (Transitphase) dem Gesundheits- und Fruchtbarkeitsmanagement gelten:
- Einstellung einer optimalen Körperkondition bereits während des letzten Laktationsdrittels.
- Über die gesamte Transitperiode hinweg (auch den Trockenstehern!) qualitativ hochwertiges, schmackhaftes Futter vorlegen. In den letzten Wochen vor der Kalbung sollten Holsteinkühe 13 bis 14 kg Trockenmasse aufnehmen, in der letzten Trächtigkeitswoche mindestens noch 12 kg. „Risikotiere“ (Kühe mit geringeren Futteraufnahmen) müssen erkannt und intensiv beobachtet werden. Bei Jungkühen beruhen geringe Trockenmasse-Aufnahmen vor der Kalbung oft auf einer mangelnden körperlichen Entwicklung. In diesem Fall gilt es, die Aufzuchtphase kritisch zu durchleuchten.
- Von entscheidender Bedeutung ist aber auch der Kuhkomfort, denn die Komfortansprüche einer Milchkuh bestimmen bis zu 25% ihres Leistungsvermögens (keine Überbelegung).
- Maximale Hygiene in der Abkalbebucht.
- Intensive Betreuung (unter anderem Beobachtung des Fressverhaltens), um Probleme und Erkrankungen der Tiere rechtzeitig zu erkennen.
- Einstellung einer optimalen Körperkondition bereits während des letzten Laktationsdrittels.
- Über die gesamte Transitperiode hinweg (auch den Trockenstehern!) qualitativ hochwertiges, schmackhaftes Futter vorlegen. In den letzten Wochen vor der Kalbung sollten Holsteinkühe 13 bis 14 kg Trockenmasse aufnehmen, in der letzten Trächtigkeitswoche mindestens noch 12 kg. „Risikotiere“ (Kühe mit geringeren Futteraufnahmen) müssen erkannt und intensiv beobachtet werden. Bei Jungkühen beruhen geringe Trockenmasse-Aufnahmen vor der Kalbung oft auf einer mangelnden körperlichen Entwicklung. In diesem Fall gilt es, die Aufzuchtphase kritisch zu durchleuchten.
- Von entscheidender Bedeutung ist aber auch der Kuhkomfort, denn die Komfortansprüche einer Milchkuh bestimmen bis zu 25% ihres Leistungsvermögens (keine Überbelegung).
- Maximale Hygiene in der Abkalbebucht.
- Intensive Betreuung (unter anderem Beobachtung des Fressverhaltens), um Probleme und Erkrankungen der Tiere rechtzeitig zu erkennen.
Unzureichende Tierbetreuung?
Aus einer in Mecklenburg-Vorpommern in 21 Milchkuhbetrieben (759 Kühe pro Herde; 8.477 bis 11.515 kg Milch) durchgeführten Studie ist bekannt, dass die meisten Behandlungen in den ersten Laktationstagen erfolgen (Römer, 2011). Von allen Behandlungen erfolgten 44% innerhalb der ersten 30 Laktationstage. Oberstes Ziel muss deshalb immer die Optimierung aller Managementfaktoren im geburtsnahen Zeitraum sein.
Passt das Herden-Management in der Transitphase, lässt sich auch bei hohen Milchleistungen gute Herdengesundheit erreichen. Eine besondere Aufmerksamkeit muss den Jungkühen gelten. Dazu gehören die tägliche (trainierte) Tierbeobachtung, damit Krankheitssymptome rechtzeitig erkannt werden und bei Bedarf schnell und wirkungsvoll eingegriffen werden kann. Dazu sind Kenntnisse über Gesundheitsstörungen bei Kühen (Anzeichen, Ursachen und Therapiemöglichkeiten) von großer Bedeutung.
Betrachtet man in der Praxis die Abgänge in den unterschiedlichen Herdengrößen, fällt ins Auge, dass in der Größenklasse 80 bis 150 (200) Kühe prozentual die meisten Kühe gemerzt werden (siehe auch Kasten auf Seite 28: „Hochleistungskühe“ können gesund und fruchtbar sein). Dies lässt auf einen Mangel an der erforderlichen Betreuungsintensität in den typischen „Wachstumsbetrieben“ vermuten. Vermutlich ist das Herdenmanagement hier nicht mit der Herde mitgewachsen. Hingegen sinken in den größeren Betrieben (mehr als 150 Kühe), die Erkrankungs- und Abgangsraten wieder. Zurückzuführen dürfte dies auf die ausgefeilten Herden-Managementstrategien sein, die oftmals in „Großbetrieben“ (mehrere hundert Kühe) vorzufinden sind.
Fressertypen bevorzugen
Die meisten Tierzuchtexperten sehen die geringe Nutzungsdauer denn auch in einem ungenügenden Herden-Management begründet. Viele Milcherzeuger wiederum sehen sich zu Unrecht am Pranger. Die Milchkühe würden immer anfälliger. Das glaubt auch Prof. Wilfried Brade von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Seiner Auffassung nach führe die aktuelle RZG-Bewertung aufgrund der sehr engen Beziehung zwischen der Einsatz- und Gesamtmilchleistung unmittelbar zu einer weiteren Steigerung der Milcheinsatzleistung zu Laktationsbeginn. Auch wenn sich bei Holsteins die Futteraufnahme der Jungkühe genetisch bedingt in den ersten 90 Tagen nach der Abkalbung stetig verbessere, sei der Zuchtfortschritt deutlich geringer als die Steigerung der Milchleistung im ersten Laktationsstadium, so Brade. Dadurch nehme das Ausmaß der NEB in der Frühlaktation kontinuierlich zu (Hinweis: Ziel des RZG ist es, bei gleichzeitiger Selektion auf mehrere Merkmale, den maximalen monetären Gesamtzuchtfortschritt zu erzielen).
Ins gleiche Horn bläst auch Prof. Holger Martens, Physiologe und ehemaliger Hochschullehrer aus Berlin. Die sich über mehrere Laktationsmonate erstreckende negative Energiebilanz ist seiner Ansicht nach ganz klar der Ausrichtung des Zuchtzieles Milchleistung geschuldet. Die typischen Produktionskrankheiten seien quasi der einzige Fluchtweg der Hochleistungskuh aus der Milchleistung. „Doch der endet meist auf dem Schlachthof.“ Martens fordert denn auch, auf weitere Steigerungen der Milchleistungen zu verzichten.
Auch Tierzüchter Brade will sich nicht mit der aktuellen Situation abfinden. Er empfiehlt aus züchterischer Sicht zum Gegensteuern:
- Verzicht auf einen genetisch bedingten Anstieg der Milchmenge im ersten Laktationsdrittel, sofern damit eine weitere Ausdehnung der NEB verbunden ist (geringere Gewichtung der Milchleistung im RZG);
- züchterische Verbesserung der Futteraufnahme, vor allem im ersten Laktationsdrittel;
- Selektion auf eine generell flachere Laktationskurve;
- Senkung des Milchfettgehaltes bei weiterer Steigerung des Milcheiweißgehaltes vor allem im ersten Laktationsdrittel.
- Verzicht auf einen genetisch bedingten Anstieg der Milchmenge im ersten Laktationsdrittel, sofern damit eine weitere Ausdehnung der NEB verbunden ist (geringere Gewichtung der Milchleistung im RZG);
- züchterische Verbesserung der Futteraufnahme, vor allem im ersten Laktationsdrittel;
- Selektion auf eine generell flachere Laktationskurve;
- Senkung des Milchfettgehaltes bei weiterer Steigerung des Milcheiweißgehaltes vor allem im ersten Laktationsdrittel.
Der Tierzüchter fordert zudem, Besamungsbullen, die zu Laktationsbeginn überproportional Körpermasse verlieren, entsprechend zu kennzeichen. In den Niederlanden wurden diese Aspekte bereits in der Holsteinzucht berücksichtigt. Dort gibt es in der Zuchtwertschätzung bereits das zusätzliche Merkmal „Futteraufnahme“. Der Zuchtwert für Futteraufnahme gibt an, wie viel Kilogramm Trockensubstanz die Töchter eines Bullen mehr oder weniger fressen als der Durchschnitt.
Bewusst auf Milch verzichten?
Viele Milcherzeuger fragen sich denn auch, ob es nicht sinnvoller ist, die Milchleistung quasi einzufrieren und zunächst alles daranzusetzen, (stoffwechsel-)stabile Kühe zu züchten? Ist das überhaupt möglich?
Theoretisch lässt sich das Milchleistungspotenzial der Kühe einfrieren. Konkret müsste sich die Gewichtung der Merkmalsblöcke ändern, zugunsten der Bereiche Fitness umgestellt werden (bei Fleckvieh auch in Richtung Fleisch). Würde die Milch komplett herausgenommen, könnte das Leistungsniveau der Herde absinken, da zu den meisten Fitness-Merkmalen eine negative Korrelation besteht.
Ein Umstieg auf eine andere Rasse mag kurz- bis mittelfristig eine „Besserung“ bringen, aber auch Fleckvieh und Braunvieh haben sich in der Milchleistung vergleichbar weiterentwickelt! Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, bis sich hier ähnliche Probleme einstellen werden.
Gleiches gilt im Grundsatz auch für Gebrauchskreuzungen. Diesen wird unterstellt, dass sie enorme Vorteile bieten, da die Kühe seltener krank und deutlich fruchtbarer sind. Im Vergleich zu Holsteins scheinen die „bunten Kühe“ etwas robuster, sie verzeihen eher Fehler. Durch Gebrauchskreuzungen wird ein schlechtes Herden-Management aber nicht besser! Auch der Erfolg bei Gebrauchskreuzungen steht und fällt, ebenso wie reinrassigen Herden mit den Managementqualitäten.
Welche Kuhtyp passt?
Die Diskussion um Tierwohl und hohe Leistungen sollten Milcherzeuger (und nicht nur die „Züchter“) zum Anlass nehmen, intensiv über die Frage nachzudenken, welcher Typ Milchkuh in den eigenen Stall bzw. zum eigenen Betriebsmanagement, zum eigenen Know-how passt. Es gilt sich intensiver mit den Kühen und auch ihren Abgangsursachen auseinanderzusetzen! Darauf aufbauend sollte die eigene Zuchtstrategie angepasst werden (Beratung in Anspruch nehmen). Die Zucht sollte als Managementtool verstanden werden. Das Ziel muss eine homogene Herde sein, die dem eigenen Zuchtziel, den eigenen Vorstellungen entspricht. Das bedeutet Arbeit, über Jahre hinweg Konstanz und kein „sich mal eben umentscheiden“, wenn ein günstiger Angebotsbulle oder ein „Superbulle“ mit einem enormen RZG (Holsteins) bzw. GZW (Fleckvieh und Braunvieh) für wenig Geld zu haben ist!
Wie lässt sich eine homogene Herde züchten? Lassen sich die funktionalen Merkmale pushen, die Milchleistung gleichzeitig einfrieren oder nur minimal steigern? Die einseitige Zucht z.B. nur auf Euter-, Klauengesundheit, Stoffwechselstabilität oder Fruchtbarkeit durch den Einsatz von Bullen mit extrem guten Einzelzuchtwerten, dürfte erneut Probleme mit sich bringen. In dieser Einschätzung stimmen die meisten Zuchtexperten überein. Denn Einzelmerkmale korrelieren miteinander, beeinflussen sich positiv oder negativ. Wichtiger ist es, Extreme zu vermeiden! Allerdings ist es möglich, die Milch etwas rauszunehmen. Bei Holsteins finden sich z.B. Bullen, die deutlich weniger als 1.000 kg Milch vererben, gleichzeitig aber stark in den funktionalen Merkmalen sind und letztlich nicht nur die Nutzungsdauer der Herde verlängern, sondern auch die Lebensleistung ansteigen lassen können.
„Wenn Fleckviehhalter die Milchleistung einfrieren wollen, dann müssten sie Bullen mit einem Milchwert von 106 bis 109 besamen. Somit kann bei der Bullenauswahl auf Exterieur und Fitness gezüchtet und das Leistungsniveau in etwa gehalten werden,“ schätzt Bernhard Luntz, Zuchtexperte der LfL Bayern.
Bullen gezielt aussuchen
Stefan Rensing vom VIT in Verden verweist darauf, dass es heute bei Holsteins schon möglich ist, ohne Verzicht auf die Milchleistung, die Gesundheit der Herde züchterisch weiterzuentwickeln. So seien bei annähernd gleichem Milchwert z.B. allein durch die Auswahl der Bullen Unterschiede von bis zu 160.000 Zellen/ml (in der dritten Laktation) möglich, ebenso wie sechs Prozent bei der Non Return Rate. Rensing warnt denn auch davor, bei der Milch Abstriche zu machen. „Die Gewichtung auf weniger Milchleistung ist unwirtschaftlich.“ Zumal führe der Verzicht auf Milchleistung nicht zu einer höheren Nutzungsdauer, so der Zuchtexperte.
Der immer weiter zunehmende Anteil streng selektierter Genomischer Besamungsbullen führe zudem zu einem deutlichen Anstieg der genetischen Veranlagung für Nutzungsdauer, prognostiziert Rensing. „Schon jetzt ist absehbar, dass sich die Lebensleitung der Abgangskühe bei den Holsteins in Deutschland bis zum Jahr 2020 auf 30.000 kg Milch erhöhen wird“ (siehe Übersicht 1, Seite 26).
G. Veauthier, K. Berkemeier