Eine Nutzungsdauer von nur drei Jahren ist unwirtschaftlich. Wie lange Kühe mindestens auf dem Betrieb bleiben sollten, beleuchtet eine Modellberechnung.
Die Durchschnittsleistung deutscher Milchkühe ist von 1950 (2.500 kg) bis 2013 (7.400 kg) um jährlich knapp 78 kg gestiegen. Gleichzeitig beträgt jedoch das Durchschnittsalter nur 4,6 Jahre....
Eine Nutzungsdauer von nur drei Jahren ist unwirtschaftlich. Wie lange Kühe mindestens auf dem Betrieb bleiben sollten, beleuchtet eine Modellberechnung.
Die Durchschnittsleistung deutscher Milchkühe ist von 1950 (2.500 kg) bis 2013 (7.400 kg) um jährlich knapp 78 kg gestiegen. Gleichzeitig beträgt jedoch das Durchschnittsalter nur 4,6 Jahre. Bei längerer Nutzungsdauer könnten die Kosten sinken, da ein kleinerer Jungviehbestand mit geringerem Futter- und Arbeitsbedarf zur Bestandsergänzung benötigt würde. Doch geht diese Rechnung auf?
Um herauszufinden, wie sich die Nutzungsdauer auf das Betriebsergebnis auswirkt, wurde ein Berechnungsmodell entwickelt, das die Entwicklung eines Betriebes mit 180 Kühen unter standardisierten Bedingungen simuliert (Übersicht 1, mehr Infos zu den Modellannahmen und Rahmenbedingungen: ElitePLUS). Nach einer Durchschnittsleistung in der ersten Laktation (8.000 bis 12.000 kg, siehe Übersicht 2 und 3) zeigen die Kühe in dem Modell in der zweiten Laktation eine um zwölf, in der dritten und in allen nachfolgenden Laktationen eine um 17 Prozent höhere Milchleistung.
Der Leistungsanstieg der letzten Jahrzehnte basiert jedoch nicht nur auf besserer Genetik, sondern spiegelt auch die Fortschritte in Fütterung und Haltung wider. Um die Verbesserungen in der Genetik von jenen im Management zu trennen, wurden im Modell zwei Varianten durchgerechnet.
- Variante A: Der Leistungsanstieg von 75 kg Milch (bis 2010) je Kuh und Jahr ist allein auf den züchterischen Fortschritt zurückzuführen.
- Variante B: Der genetische Fortschritt beträgt 37,5 kg Milch je Kuh, weitere 37,5 kg Milch werden auf die Produktivitätssteigerung beim Futterbau, Haltung, Management etc. zurückgeführt.
- Variante A: Der Leistungsanstieg von 75 kg Milch (bis 2010) je Kuh und Jahr ist allein auf den züchterischen Fortschritt zurückzuführen.
- Variante B: Der genetische Fortschritt beträgt 37,5 kg Milch je Kuh, weitere 37,5 kg Milch werden auf die Produktivitätssteigerung beim Futterbau, Haltung, Management etc. zurückgeführt.
Leistungszenit nutzen
Bei Variante A steigt der Milchertrag in der zweiten und dritten Laktation, bis die Kuh ihr endgültiges Gewicht und Leistungsvermögen erreicht hat. Aus Übersicht 2 ist zu ersehen, dass die mittlere Leistung der Herde mit zunehmender Nutzungsdauer fällt, weil der Anteil älterer Kühe zunimmt. Eine langlebige Kuh weist durch den Zuchtfortschritt ein geringeres genetisches Leistungspotenzial auf als eine jüngere Kuh. Natürlich gibt eine ältere Kuh mehr Milch – verglichen wird hier jedoch die potenzielle Milchleistung aufgrund der zugrundeliegenden Genetik. Bei einem jährlichen Anstieg der Milchleistung um 75 kg verfügt eine Milchkuh nach der zehnten Kalbung über ein um 750 kg geringeres Potenzial im Vergleich zur Färse.
Bei Variante B (Übersicht 3) fällt dieser Umstand nur zur Hälfte ins Gewicht, weil hier die schlechtere Genetik durch besseres Management und Futterqualität „aufgefangen“ wird. Gibt es gleich viele Kühe in jeder Altersklasse, beträgt der Unterschied bei dieser Variante 400 bis 600 kg Milch je Kuh der Herde. Eine Herde, die aus Kühen mit nur drei Laktationen besteht, ist zudem einer Herde mit Kühen in der sechsten und neunten Laktation unterlegen, weil die Milchleistungen der Kühe in der zweiten und dritten Laktation ansteigen.
Mindestens sechs Laktationen
Übersicht 4 zeigt, dass mit der Nutzungsdauer der gesamtbetriebliche Deckungsbeitrag (DB) steigt. Der DB bei einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von drei Laktationen wird mit 100 Prozent bewertet. Entwickelt sich die durchschnittliche Nutzungsdauer auf sechs bzw. neun Laktationen, fällt der DB des Modellbetriebes zunächst um sieben bzw. acht Prozentpunkte höher aus und nimmt dann bis zur Nutzungsdauer von 15 Laktationen geringfügig ab (Variante A). Hier spielt wiederum das geringere genetische Leistungspotenzial der älteren Kühe eine Rolle. Dies mindert die Herdenleistung und damit den DB.
Bei Variante B steigt der DB, weil die Leistung der Kühe durch die positive Entwicklung der Futterqualität und des Managements weiter steigt.
Bei beiden Varianten schneidet die kürzeste Nutzung am ungünstigsten ab, weil die Kuh erst mit der dritten Laktation die höchstmögliche Leistung erreicht und erst dann die Kosten der Aufzucht „zurückverdient“ hat. Zudem werden weniger Färsen zur Bestandsergänzung benötigt (geringere Kosten, Übersicht 1). Bei sehr langer Nutzungsdauer begrenzt dagegen das zunehmend „veraltete genetische Leistungspotenzial“ der alten Kühe das Leistungsniveau der Herde und den Betriebserfolg.
Dieses Szenario tritt auch ein, wenn der Betrieb durch mehr Stallplätze und eine Personalaufstockung wächst. In allen kalkulierten Alternativen steigt der gesamtbetriebliche Deckungsbeitrag bis zu einer Nutzungsdauer von neun Laktationen kontinuierlich an (Übersicht 5).
Ob ein Verbleib über diesen Zeitraum hinaus (12 bis 15 Laktationen) noch deutliche zusätzliche Gewinne ermöglicht, hängt vor allem von der Bewertung des genetischen Fortschritts ab.
Schlachtkuhpreise ohne Einfluss
Nach nur drei Laktationen wird eine Schlachtkuh einen höheren Preis erzielen als nach 15 Laktationen. Spielt dieser Umstand eine Rolle für die Wirtschaftlichkeit? Der betriebliche DB kalkuliert mit einem Preis von 650 € je Altkuh (1 € je kg Lebendgewicht, Übersicht 6). Die kurze Nutzungsdauer kann trotzdem nach wie vor nicht mit der längeren konkurrieren. Bei einer Nutzungsdauer von drei Laktationen gehen jährlich 60 Altkühe in den Verkauf, bei einer Nutzungsdauer von 15 Zwischenkalbezeiten dagegen nur zwölf Altkühe (Übersicht 1). Selbst wenn die „Altkuh“ nach drei Zwischenkalbezeiten einen Preis von 650 € erzielt und die Altkuh mit 15 Laktationen nur noch 50 € einbringt, erreichen die Alternativen mit langer Nutzungsdauer deutlich höhere Deckungsbeiträge.
Die gleiche Frage stellt sich beim Jungvieh: Bei langer Nutzungsdauer ergibt sich ein hoher Überschuss an weiblichen Kälbern, die aufgezogen und als Färsen vermarktet werden könnten (Übersicht 1). Wenn jedoch alle Milchviehhalter ihre Milchkühe lange im Bestand hielten und einen Färsenüberschuss produzierten, bestünde kaum eine Nachfrage. So ließen sich maximal kostendeckende Preise für Erstkalbinnen erzielen. Daher wird ein Färsenverkauf nicht kalkuliert.
Dies gilt auch für Kälber: Während bei kurzer Nutzungsdauer eine Nachfrage für weibliche Kälber oder Erstkalbinnen zu erwarten ist, muss man bei langer Nutzung von einem Überschuss an weiblicher Nachzucht verbunden mit einem Preisverfall für Kälber ausgehen.
Fazit
Viele Milchkühe gehen ab, bevor sie ihren Leistungszenit in der dritten bis sechsten Laktation erreichen konnten. Damit entgeht den Milchviehhaltern die produktivste Phase der Kühe.
Die ermittelten finanziellen Vorteile von bis zu 10 Prozent bei einer Nutzungsdauer von bis zu 15 Laktationen sind offensichtlich nicht einfach zu realisieren. Neue Ställe mit viel Kuhkomfort, mit modernen Fütterungsverfahren und schonenden Melksystemen sowie Verbesserungen bei der Qualität des Futters, des Managements und des genetischen Potenzials werden langfristig wohl die Nutzungsdauer ansteigen lassen. Kurzfristig stagniert die Nutzungsdauer jedoch immer wieder für einige Jahre.
Daher ergibt sich zusammenfassend nur ein Schluss: Die Suche nach den Ursachen für die kurze Nutzungsdauer muss höchste Priorität haben, damit die Fortschritte künftig schneller vonstatten gehen!
-cs-