Wann und ob Festlieger wieder aufstehen, entscheidet die vollständige, klinische Untersuchung und gute Versorgung.
Die Gründe für das Festliegen sind vielfältig: Neben den typischen Milchfieberkühen mit zu niedrigen Blutkalzium- und Phosphorspiegeln können auch Nerven- oder Muskelschäden Ursache sein. Dr. Poulton, praktischer Tierarzt aus...
Wann und ob Festlieger wieder aufstehen, entscheidet die vollständige, klinische Untersuchung und gute Versorgung.
Die Gründe für das Festliegen sind vielfältig: Neben den typischen Milchfieberkühen mit zu niedrigen Blutkalzium- und Phosphorspiegeln können auch Nerven- oder Muskelschäden Ursache sein. Dr. Poulton, praktischer Tierarzt aus Australien, hat in einer Studie Ursachen und Krankheitsverläufe untersucht. Hier die auf Deutschland anwendbaren Ergebnisse: Kühe, die mehr als 24 Stunden festlagen, hatten zu 17% ein Milchfieberproblem und bei knapp der Hälfte der Tiere wurde eine Nervenschädigung nach Schwergeburt festgestellt. Ob eine Kuh nach dem Festliegen wieder aufsteht oder nicht, war in seiner Untersuchung von der Grunderkrankung fast unabhängig. Von den 218 untersuchten Tieren konnten 52 Tiere (24%) an Tag 7 selbstständig aufstehen, unabhängig davon, ob die Ursache Milchfieber, geburtsbedingte Lähmungen oder andere Erkrankungen waren. Entscheidend für die Gesundung war vielmehr das Auftreten von Folgeschäden. Um diese zu erfassen, wurden alle Festlieger ein- bis zweimal wöchentlich nachuntersucht. In der Studie konnten bei 84% der untersuchten Tiere Folgeschäden diagnostiziert werden. Es zeigten sich Nervenschädigungen im Bereich der Hinterbeine, die anhand des Kniesehnenreflexes diagnostiziert werden können (siehe Foto). Außerdem kann das Muskelgewebe durch den ständigen Druck des Festliegens leiden. Der eintretende Muskelschaden wird durch eine Erhöhung des Muskelenzyms Creatinkinase (CK) im Blut festgestellt.
Die Heilungsaussichten festliegender Kühe sind maßgeblich abhängig von der Versorgung während des Festliegens. Gute Pflege kann die Entstehung von Folgeschäden effektiv verhindern und dadurch die Überlebenschance der Tiere erhöhen. In der Untersuchung von Dr. Poulton standen 40 bis 45% der Kühe bis zum Tag 10 wieder auf, wenn sie gut (Pflegescore 2) oder sehr gut (Pflegescore 1) versorgt wurden. Sehr schlechte Pflegemaßnahmen (Pflegescore 4) bedeuteten dagegen praktisch den Tod des Tieres, sei es durch Sterben oder Euthanasie (Übersicht 2). Bei guter Versorgung und Unterbringung festliegender Kühe ist das Aufstehen auch noch deutlich nach Tag 7 möglich.
Praxistipps
Bei allen Tieren, die nicht innerhalb von 24 Stunden aufstehen, sollte eine neurologische Untersuchung durch den Tierarzt erfolgen – Kalzium allein ist bei neurologischen Problemen nicht effektiv und die Behandlung muss entsprechend ergänzt werden. Hier ist insbesondere auf Entzündungshemmer zu verweisen, die neben ihrer schmerzstillenden Wirkung auch gegen Folgeschäden wirksam sind.
Bei der Untersuchung von festliegenden Tieren muss das Nervensystem insgesamt stärker berücksichtigt werden. Die Feststellung der Sensorik, d.h. ob die Gliedmaßen noch von Nerven versorgt werden oder die Beurteilung des Kniesehnenreflexes gibt Aufschluss über das Vorkommen von Folgeschäden.Für die Prognose ist dies gegebenenfalls als ungünstig zu werten. Das Auftreten von Folgeschäden muss auch bei einer Entscheidung über eine Euthanasie berücksichtigt werden, die im Sinne des Tierschutzes nicht zu lange hinausgezögert werden sollte.