Immer mehr Zuchtverbände „erfinden“ neue Fitness- und Gesundheitszuchtwerte. Sorgt das für gesündere, langlebigere Milchkühe oder sind diese Vorstöße lediglich Marketing-Gags?
Moderne Milchkühe haben kein Leistungsproblem. In beinahe jeder modernen Milchkuh schlummert das genetische Potenzial für mindestens 10.000 kg Milch. Leider...
Immer mehr Zuchtverbände „erfinden“ neue Fitness- und Gesundheitszuchtwerte. Sorgt das für gesündere, langlebigere Milchkühe oder sind diese Vorstöße lediglich Marketing-Gags?
Moderne Milchkühe haben kein Leistungsproblem. In beinahe jeder modernen Milchkuh schlummert das genetische Potenzial für mindestens 10.000 kg Milch. Leider erreichen nur wenige Herden diese Leistung, weil sie durch Euterentzündungen, Klauenläsionen oder Fruchtbarkeitsprobleme ausgebremst werden. Einige Zuchtverbände versprechen, mithilfe von Gesundheits- und Fitnesszuchtwerten die leistungsstarke, gesunde und langlebige „Superkuh“ zu züchten. Doch was ist dran am Heilsversprechen?
Genau hinschauen: Worum geht es?
Zuerst sollte man unterscheiden, um was genau es sich bei den Programmen handelt. Ein Zuchtwert entsteht, wenn anhand der Abstammungs- und Leistungsinformationen bzw. einer Genotypisierung die wahrscheinlichste Entwicklung eines Tieres vorhergesehen wird. Zuchtwerte sind aufwendig, weil für eine korrekte Schätzung genomische und töchtergeprüfte Werte der gleichen Merkmale von tausenden Bullen vorliegen müssen. Nur so lässt sich ein Zusammenhang zwischen genetischem Potenzial und der realisierten Leistung herstellen. Zuchtwerte werden zentral berechnet, damit sie überregional vergleichbar sind.
Ein Zucht- oder Selektionsindex bezeichnet eine Gruppe von Zuchtwerten, die entsprechend ihrer (wirtschaftlichen) Bedeutung zusammengefasst und gewichtet werden. Auch für einen Index ist Entwicklungsarbeit nötig. Man nutzt jedoch die bereits veröffentlichten, offiziellen Zuchtwerte und kombiniert sie nach eigenem Ermessen neu. Indizes nehmen Milchviehhaltern Auswahlarbeit ab, denn der Fokus liegt immer auf einem bestimmten Bereich: Wirtschaftlichkeit (RZG) oder z. B. Robotertauglichkeit (RZRobot).
Manche Angebote beruhen aber auch auf der direkten Messung eines Parameters. Dies muss bei jedem Tier einzeln geschehen.
Umfangreiches Angebot
- Der DHV (Deutscher Holstein-Verband) veröffentlicht auf Basis der offiziellen Zuchtwerte den Fitnessindex RZFit sowie eine Entscheidungshilfe für Herden mit Melkroboter (RZRobot). Der RZFit setzt sich aus den Zuchtwerten für Töchterfruchtbarkeit (20 % Gewichtung), Kalbeverlauf (20 %), Nutzungsdauer, Fundament (je 15 %), Euter, Eutergesundheit und Milchleistung (je 10 %) zusammen. Er wird von den meisten Landeszuchtverbänden veröffentlicht.
- Für Fleckvieh und Braunvieh sind sogar echte Gesundheitszuchtwerte etabliert. Seit 2006 werden die Datenbanken in einem umfassenden Gesundheitsmonitoring mit Informationen für folgende Merkmale gefüllt: Mastitishäufigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen, Zysten, Milchfieber. Seit 2010 (Fleckvieh) bzw. 2013 (Braunvieh) sind die Zuchtwerte in Deutschland und Österreich anerkannt und werden alleine sowie als Indizes (Fruchtbarkeit FRW, Eutergesundheit EGW) veröffentlicht.
- Der DHV (Deutscher Holstein-Verband) veröffentlicht auf Basis der offiziellen Zuchtwerte den Fitnessindex RZFit sowie eine Entscheidungshilfe für Herden mit Melkroboter (RZRobot). Der RZFit setzt sich aus den Zuchtwerten für Töchterfruchtbarkeit (20 % Gewichtung), Kalbeverlauf (20 %), Nutzungsdauer, Fundament (je 15 %), Euter, Eutergesundheit und Milchleistung (je 10 %) zusammen. Er wird von den meisten Landeszuchtverbänden veröffentlicht.
- Für Fleckvieh und Braunvieh sind sogar echte Gesundheitszuchtwerte etabliert. Seit 2006 werden die Datenbanken in einem umfassenden Gesundheitsmonitoring mit Informationen für folgende Merkmale gefüllt: Mastitishäufigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen, Zysten, Milchfieber. Seit 2010 (Fleckvieh) bzw. 2013 (Braunvieh) sind die Zuchtwerte in Deutschland und Österreich anerkannt und werden alleine sowie als Indizes (Fruchtbarkeit FRW, Eutergesundheit EGW) veröffentlicht.
Einigen Organisationen geht dies jedoch nicht weit genug. Ihnen fehlen Berechnungen zu Futteraufnahme und Effizienz, manche können durch den Vertrieb ausländischer Bullen auf amerikanische oder niederländische Zuchtwerte zurückgreifen. Sie haben daher eigene Indizes entwickelt (Übersicht 1):
- Alta weist mit HealthPlus einen Zuchtindex für Gesundheitsmerkmale aus. Basierend auf den US-Zuchtwerten erhalten Alta-Bullen nach jeder Zuchtwertschätzung einen Indexwert. Die höchste Gewichtung erhält das Merkmal Productive Life (PL), gefolgt von Töchterfruchtbarkeit (DPR), Zellzahl und dem Euterindex. Zudem spielen Fundamente, Befruchtungsfähigkeit, Milchcharakter, Kalbeverlauf, Totgeburten, Inzuchtgrad und Melkbarkeit eine Rolle (Basis US-Zuchtwerte).
- CRI zielt auf eine nicht zu große, aber wirtschaftliche Kuh. Aus diesem Grund wurde der ICC$ (Ideal Commercial Cow Index) entwickelt. Dieser Index besteht aus fünf Unterindizes: Produktionseffizienz (46 %; Milchleistung, Inhaltsstoffe, Futterkosten), Gesundheit (24 %; BCS, Nutzungsdauer, Bewegung, Zellzahl), Fruchtbarkeit und Fitness (15 %; Töchterfruchtbarkeit, Konzeptionsrate, Hornlosigkeit), Melkeigenschaften (10 %; Eutermerkmale, Mastitisresistenz, Melkbarkeit, Temperament) und Abkalbeeigenschaften (5 %; Kalbeverlauf, Totgeburtenrate). Der Index soll sich künftig auf veränderte Situationen anpassen lassen: Der Anteil der Subindizes am Gesamtindex bleibt gleich, die Subindizes können jedoch verändert werden. Der ICC$ rangiert alle Bullen mit US-amerikanischem Zuchtwert nach dem zu erwartenden Mehrerlös.
- CRV vermarktet gleich ein ganzes Bündel Spezialzuchtwerte. In Zusammenarbeit mit der Uni Wageningen wurde ein Zuchtwert für Futteraufnahme entwickelt (Sicherheit 55 bis 60 %). Derjenige für Ketose wird aufgrund von Daten aus der Milchleistungsprüfung ermittelt und basiert auf dem Fett-Eiweiß-Verhältnis sowie Ketonkörpern in der Milch. Mit Klauenpflegedaten, erhoben auf rund 1.000 Milchviehbetrieben, werden Einzelzuchtwerte für Mortellaro, Klauenfäule, Tylom/Limax, Sohlenblutung und -geschwür und Weiße-Linie-Defekt berechnet und im offiziellen niederländischen Zuchtwert Klauengesundheit gebündelt.
- Alta weist mit HealthPlus einen Zuchtindex für Gesundheitsmerkmale aus. Basierend auf den US-Zuchtwerten erhalten Alta-Bullen nach jeder Zuchtwertschätzung einen Indexwert. Die höchste Gewichtung erhält das Merkmal Productive Life (PL), gefolgt von Töchterfruchtbarkeit (DPR), Zellzahl und dem Euterindex. Zudem spielen Fundamente, Befruchtungsfähigkeit, Milchcharakter, Kalbeverlauf, Totgeburten, Inzuchtgrad und Melkbarkeit eine Rolle (Basis US-Zuchtwerte).
- CRI zielt auf eine nicht zu große, aber wirtschaftliche Kuh. Aus diesem Grund wurde der ICC$ (Ideal Commercial Cow Index) entwickelt. Dieser Index besteht aus fünf Unterindizes: Produktionseffizienz (46 %; Milchleistung, Inhaltsstoffe, Futterkosten), Gesundheit (24 %; BCS, Nutzungsdauer, Bewegung, Zellzahl), Fruchtbarkeit und Fitness (15 %; Töchterfruchtbarkeit, Konzeptionsrate, Hornlosigkeit), Melkeigenschaften (10 %; Eutermerkmale, Mastitisresistenz, Melkbarkeit, Temperament) und Abkalbeeigenschaften (5 %; Kalbeverlauf, Totgeburtenrate). Der Index soll sich künftig auf veränderte Situationen anpassen lassen: Der Anteil der Subindizes am Gesamtindex bleibt gleich, die Subindizes können jedoch verändert werden. Der ICC$ rangiert alle Bullen mit US-amerikanischem Zuchtwert nach dem zu erwartenden Mehrerlös.
- CRV vermarktet gleich ein ganzes Bündel Spezialzuchtwerte. In Zusammenarbeit mit der Uni Wageningen wurde ein Zuchtwert für Futteraufnahme entwickelt (Sicherheit 55 bis 60 %). Derjenige für Ketose wird aufgrund von Daten aus der Milchleistungsprüfung ermittelt und basiert auf dem Fett-Eiweiß-Verhältnis sowie Ketonkörpern in der Milch. Mit Klauenpflegedaten, erhoben auf rund 1.000 Milchviehbetrieben, werden Einzelzuchtwerte für Mortellaro, Klauenfäule, Tylom/Limax, Sohlenblutung und -geschwür und Weiße-Linie-Defekt berechnet und im offiziellen niederländischen Zuchtwert Klauengesundheit gebündelt.
Aus den bestehenden Zuchtwerten werden die Indizes Effizienz und Gesundheit errechnet. In dem Effizienzindex spielen Milchleistung, Persistenz, Entwicklungspotenzial, Lebensdauer, Zwischenkalbezeit, Körpergewicht und Futteraufnahme eine Rolle. Der Gesundheitsindex errechnet sich aus den Zuchtwerten Eutergesundheit, Klauengesundheit, Kalbeverlauf, Lebensfähigkeit, Töchterfruchtbarkeit und Ketose.
- Die RinderAllianz arbeitet mit Testherden zusammen, in denen ein umfangreiches Gesundheitsmonitoring betrieben wird. Gemeinsam mit der Universität Halle und vit Verden soll daraus der Index ProFitPlus entstehen. Bisher gibt es einen Zuchtwert für Mastitisresistenz (MastitisPlus) sowie einen erweiterten Zuchtwert für Leichtkalbigkeit (KalbungPlus). Sie werden aus Töchterinformationen der Testherden errechnet und für die eigenen Bullen veröffentlicht.
- Semex hält das Patent auf einer Methode, mit der sich die genetisch angelegte Immunität (Erblichkeit 30 %) testen lässt. Durch Blut- und Gewebeproben kann man im Labor nach einer Gensequenz suchen, die dafür sorgt, dass die Kühe eine stärkere Immunreaktion gegenüber Krankheitserregern zeigen. Den HIR-Test (high immune response) muss ein potenzieller Besamungsbulle einmal durchlaufen, danach ändert sich sein Status nicht mehr. Daraus resultiert die Einstufung der Bullen als Immunity+.
- Die RinderAllianz arbeitet mit Testherden zusammen, in denen ein umfangreiches Gesundheitsmonitoring betrieben wird. Gemeinsam mit der Universität Halle und vit Verden soll daraus der Index ProFitPlus entstehen. Bisher gibt es einen Zuchtwert für Mastitisresistenz (MastitisPlus) sowie einen erweiterten Zuchtwert für Leichtkalbigkeit (KalbungPlus). Sie werden aus Töchterinformationen der Testherden errechnet und für die eigenen Bullen veröffentlicht.
- Semex hält das Patent auf einer Methode, mit der sich die genetisch angelegte Immunität (Erblichkeit 30 %) testen lässt. Durch Blut- und Gewebeproben kann man im Labor nach einer Gensequenz suchen, die dafür sorgt, dass die Kühe eine stärkere Immunreaktion gegenüber Krankheitserregern zeigen. Den HIR-Test (high immune response) muss ein potenzieller Besamungsbulle einmal durchlaufen, danach ändert sich sein Status nicht mehr. Daraus resultiert die Einstufung der Bullen als Immunity+.
Leider sind die verschiedenen Indizes und Zuchtwerte untereinander nicht zu vergleichen.
- Alta, CRV, Rinderallianz und Semex veröffentlichen die Informationen ausschließlich für ihre eigenen Bullen. Ein Züchter kann also nicht vergleichen, wie Vererber anderer Anbieter sich in dieser Berechnung rangieren würden.
- CRI veröffentlicht den ICC$ für alle Bullen, die einen amerikanischen Zuchtwert besitzen. Dies sind jedoch in erster Linie Holsteins. Jerseys und Fleckvieh bleiben bisher außen vor.
- Alta, CRV, Rinderallianz und Semex veröffentlichen die Informationen ausschließlich für ihre eigenen Bullen. Ein Züchter kann also nicht vergleichen, wie Vererber anderer Anbieter sich in dieser Berechnung rangieren würden.
- CRI veröffentlicht den ICC$ für alle Bullen, die einen amerikanischen Zuchtwert besitzen. Dies sind jedoch in erster Linie Holsteins. Jerseys und Fleckvieh bleiben bisher außen vor.
Verbesserungen sind möglich
Es ist richtig und wichtig, Tiergesundheit auch in der Zucht verstärkt in den Fokus zu rücken und die Milchleistung als vorherschendes Zuchtziel abzulösen. Doch leider werden alle Gesundheitszuchtwerte und -indizes in Einzelprojekten errechnet, es gibt bei Holsteins keine deutschlandweite Zuchtwertschätzung für Gesundheitsmerkmale. Schauen Sie genau hin, welches Angebot Ihre Prioritäten am besten widerspiegelt. Der Einsatz dieser Bullen kann durchaus Verbesserungen bei den Töchtern ermöglichen, sofern Sie den Weg fortsetzen und auch künftig konsequent Vererber mit „besserer Fitness“ auswählen.
C. Stöcker