Eine exakt geplante Kälberaufzucht und -gesundheit ist der beste Schutz vor Leistungseinbußen, hohen Infektionsraten und Tierverlusten.
Der folgende 15-Punkte-Plan basiert auf den Praxiserfahrungen von Tierarzt Dr. Michael Kreher. Sein Praxisteam betreut Betriebe von 180 bis 1.450 Kühen im südlichen...
Eine exakt geplante Kälberaufzucht und -gesundheit ist der beste Schutz vor Leistungseinbußen, hohen Infektionsraten und Tierverlusten.
Der folgende 15-Punkte-Plan basiert auf den Praxiserfahrungen von Tierarzt Dr. Michael Kreher. Sein Praxisteam betreut Betriebe von 180 bis 1.450 Kühen im südlichen Brandenburg.
1. Wenig Stress vor der Kalbung
Die Kälbergesundheit beginnt mit der hochtragenden Kuh. In der Transitphase findet man in gut laufenden Betrieben:
- hohe Grundfutteraufnahme 10 kg Trockenmasse,
- Körperkondition BCS 3,25 bis 3,5 und
- stressfreie Kalbevorbereitung (kein Gruppen- und Stallwechsel, Kalbung aus Abkalbegruppe).
- hohe Grundfutteraufnahme 10 kg Trockenmasse,
- Körperkondition BCS 3,25 bis 3,5 und
- stressfreie Kalbevorbereitung (kein Gruppen- und Stallwechsel, Kalbung aus Abkalbegruppe).
Wenn eine Vorbereitungsgruppe drei Wochen vor der Geburt zusammengestellt wird, hat es sich bewährt, die Tiere aus dieser Gruppe heraus im gleichen Stallabteil abkalben zu lassen. Jede Kuh, die neu in diese Gruppe eingestallt wird, erhöht drei Tage lang die Konzentration an Stresshormonen bei allen Tieren der Gruppe. Lediglich ein ruhiges Abtrennen eines Einzeltieres in eine Geburtsbox mit Sichtkontakt zur Gruppe ist stressfrei.
2. Kein Fremdkolostrum
Das Tränken von drei Liter mütterlichen Erstkolostrums innerhalb von drei Stunden nach der Geburt bleibt der Goldstandard. Auch die zweite Mahlzeit sollte von der Kuh stammen. Wichtig: Innerhalb von sechs Stunden nach der Geburt tränken, denn anschließend werden nicht mehr genug Antikörper über den Darm aufgenommen. Deshalb ist es günstig, ab der dritten Mahlzeit auf Mischkolostrum der Gruppe oder auf einen hochwertigen Milchaustauscher (MAT) umzustellen.
3. Antikörper bestimmen
Für die Kontrolle der Kolostrumversorgung im Betrieb hat sich die Totalproteinbestimmung im Blut von zehn Kälbern zwischen zweitem und achtem Lebenstag etabliert. Es sollten mindestens bei sieben Kälbern Werte von über 55 g/Liter im Serum nachzuweisen sein. Die Messung erfolgt mithilfe eines Refraktometers.
4. Eisenspiegel messen
Die orale Eisengabe ist in den meisten unserer Betriebe nötig. Überprüfen kann man den Eisengehalt anhand des Hämoglobin-Wertes im Vollblut. Haben mehrere Kälber HB-Werte unter 6,2 mmol/l muss Eisen ergänzt werden.
5. Viel Energie
Für Tageszunahmen der wachsenden Kälber von über 800 g benötigen wir eine tägliche Tränkeaufnahme von mindestens zehn Liter Milch. Das ist unter zweimal täglicher Tränke schwer zu erreichen. Besonders im Winter werden schon circa zwei Liter für die Wärmeproduktion benötigt.
6. MAT-Konzentrationen überprüfen
Fehler in der Herstellung des Milchaustauschers (MAT) können zu einer verringerten Verdaulichkeit der Milch und zum fütterungsbedingten Durchfall führen. Nur korrekte Anrührtemperaturen (Herstellerangaben) führen dazu, dass sich die Milchkomponenten zu einer stabilen und verdaulichen Flüssigkeit vermischen. Gerade im Winter passiert es häufig, dass der umgebungskalte Milchaustauscher in das vorgewärmte Wasser eingerührt wird und die Mischtemperatur unterhalb der Vorgaben ist. Auch bei der anzurührenden Menge gibt es oft Fehler in der Dosierung. Wenn 130 g Milchaustauscher in 1 l Tränkemilch gemischt werden sollen, dann sind dafür 870 ml Wasser nötig. Um eine ausreichende Energieversorgung zu garantieren, kann man generell 160 g MAT in 1 l Tränke empfehlen (840 ml Wasser zugeben). Bei höheren Dosierungen beginnen besonders bei qualitativ minderwertigen Milchaustauschern die fütterungsbedingten osmotischen Durchfälle. Vor allem in den ersten vier Lebenswochen ist ein MAT ohne pflanzliche Eiweißträger (z.B. Soja) und mit hohem Magermilchanteil zu empfehlen. Beim Stehenlassen des angerührten MAT in einem Glas sollten sich nach einer Stunde keine Bestandteile absetzen oder aufschwemmen lassen. Die Homogenität des MAT soll konstant bleiben. Die Kontrolle des richtig angerührten MAT erfolgt mit dem digitalen Refraktometer.
7. Sauertränke ad libitum
Um sich den physiologischen Gegebenheiten anzupassen, müssten die Kälber mindestens zehn Mal pro Tag kleine Mengen trinken, die über einen oben hängenden Nuckel per Schlundrinnenreflex direkt in den Labmagen gelangen, sodass sie im sauren pH-Bereich enzymatisch vorverdaut werden können. In der Praxis lässt sich dies durch die ad libitum Sauer-Kalt-Tränke (pH-Wert 5,3 bis 5,6) annähernd erreichen. So geht’s: Ameisensäure 1:10 mit Wasser verdünnen, davon 20 ml pro l Milch. Die Kälber nehmen so zwischen acht und 14 Liter Milch auf. Dadurch können Zunahmen bis zu 800 g/Tag erreicht werden. MAT sollten über 50% aus Magermilchpulver bestehen, denn Kälber unter sechs Wochen können nur tierische Proteinquellen nutzen. In der Tränke ist ein Gesamtproteingehalt von 22% und Fettgehalt von 18% anzustreben. Weizen- und Sojagehalte sind in den ersten sechs Lebenswochen kritisch zu sehen.
8. Muttertiervakzination
Wir empfehlen flächendeckend Muttertierimpfungen, die die Kälber gegen Rota- und Coronaviren sowie E. coli-Infektionen schützen sollen. Die Impfungen geben den Kälbern eine belastbare Immunität, wenn die Kolostrumversorgung gut ist. Ebenso zu empfehlen ist die Grippeschutzimpfung. Geimpfte Kälber erreichen ihren aktiven Schutz jedoch meist erst fünf Wochen nach der Geburt. In Problemherden sollten auch die Mütter eine Grippeschutzimpfung bekommen, denn sie geben dann ihre Antikörper über die Biestmilch an die Kälber weiter. Die pünktliche Kolostrumversorgung ist für den Übertritt der Antikörper dabei Voraussetzung.
9. Elektrolyt und Bikarbonat
Die Kryptosporidien treten meist mit hellem Durchfall ab dem sechsten Lebenstag auf. Prophylaktisch spielen die Tränk- und Igluhygiene, die lokale Abwehr im Darm sowie eine ausreichende energetische Versorgung der Kälber eine Rolle. In der Therapie haben sich neben Elektrolyttränken (zwei Liter als zusätzliche Zwischentränke, nicht als Ersatzmahlzeit für Milch) auch Bikarbonatpillen (gegen die Blutazidose) bewährt. Sowohl bei fütterungs-, als auch kryptosporidienbedingten Durchfällen kann auf den Einsatz von Antibiotika verzichtet werden. Der Einsatz von Hefen, Pektinen oder anderen Zellwandbestandteilen als Stabilisatoren der Magen-Darmflora ist hilfreich bei der Verhinderung von Durchfällen. Bei Kryptosporidienbefall können die Kälber mit dem Arzneimittel Halocur vorbeugend behandelt werden.
10. Mikroklima
Das Stallklima beeinflusst vor allem die Häufigkeit der Atemwegserkrankungen, die meist in der ersten Gruppenhaltung und im Kälberstall auftreten. Den Erregeraustausch zwischen Kälbern kann man durch gute Stallventilation (vier Luftumschläge pro Stunde, messbar mit einer Rauchpatrone, dessen Nebel man nach 15 Minuten nicht mehr im Stall sehen sollte) erreichen. Dabei soll die Luftgeschwindigkeit nicht über 15 cm pro Sekunde betragen (Nebelbewegung schätzen oder Windmessgerät – Anemometer). Kälber bis 150 kg benötigen weiterhin ein Mikroklima, welches durch ein Iglu, Raumtrenner oder abgehangene Wände realisierbar ist.
11. Reinigen mit Hochdruck
In Iglus gelten strenge Rein-Raus-Kriterien. Der Neubelegung muss eine gründliche Reinigung mit Hochdruckreiniger und anschließende Desinfektion der abgetrockneten Flächen vorausgehen. Für die Tränkeeimer hat sich im täglichen Gebrauch die Reinigung mit überheißem Wasser empfohlen. Durch den Verbleib des Eimers am Iglu sind viele Risikofaktoren zum Erregeraustausch beim Waschen umgangen. Vor der Neubelegung erfolgt eine gründliche Reinigung und Desinfektion des Iglus und der Nuckeleimer. Trockenheit im Liegebereich ist der wichtigste Faktor zur Abtötung von Keimen!
12. Tägliche Tierkontrolle
Stress entsteht bei Kälbern oft durch Gruppenbildung bei schlechtem Stallklima. Mit jedem neuen Tier in der Gruppe verlängert sich die Stressbelastung um drei Tage. Jedes kranke Tier kann andere anstecken. Kälber im Iglu ohne Berührungskontakt sollten aber zumindest mit Sichtkontakt gehalten werden. Es hat sich daher bewährt, die Kälber erst mit einem Alter von drei bis sechs Wochen in eine Gruppe zu verbringen (so spät wie möglich, damit sie bei der Gruppenbildung ein immunkompetentes Alter haben). Dabei sollten die Gruppen an einem Termin zusammengestellt werden (nicht dreimal pro Woche zwei Tiere dazu stallen). Dafür sind ausreichend Igluplätze vorzuhalten. Ausreichend ventilierte Großraumiglus bieten gute Möglichkeiten, die Keimansammlung in der Luft gering zu halten.
13. Früherziehung zum Wiederkäuer
Neben der geforderten Rohfaserversorgung im Iglu hat sich die Vorlage einer Kälber-TMR (Kraftfutter-Heu-Strohgemisch, gehäckselt) sehr bewährt, um eine frühzeitige Rohfaserversorgung und Pansenzottenentwicklung bei gleichzeitig hohen Tageszunahmen zu sichern.
14. Stressfrei enthornen
Wer Enthornungen bei Kälbern selber durchführt, sollte moderne Anforderungen an das Schmerzmanagement (Sedierung plus Lokalanästhesie und Schmerzmittel) beachten. Die Erfahrungen zur Enthornung durch den Tierarzt unter Vollnarkose sind in unserem Praxisgebiet sehr gut.
15. Motivierte Mitarbeiter
Die Auswahl der richtigen motivierten „Kälberfrau“ ist ein bedeutender Faktor für den Erfolg. Die tägliche Tierbeobachtung muss in allen Fällen trainiert und geschult werden. Hängende Ohren, Nabelinfektionen, eine erhöhte Atemfrequenz und Fieber sind wichtige Früherkennungszeichen. Gerade in erfolgreichen Betrieben findet die gute Dokumentation der Vorsorge- und Gesundheitskennzahlen von der Geburt bis zum 14. Lebenstag statt. Das sind unserer Zielvorstellungen für die Gesundheitskennzahlen in den ersten Wochen der Kälberaufzucht:
- Erkrankungsraten bei Durchfall und Atemwegserkrankungen von jeweils 15%.
- Die Kälberverluste (ohne Totgeburten) sollten in den ersten 4 Lebenswochen 2% und
- bis zur 12. Lebenswoche 1% liegen. -mw
- Erkrankungsraten bei Durchfall und Atemwegserkrankungen von jeweils 15%.
- Die Kälberverluste (ohne Totgeburten) sollten in den ersten 4 Lebenswochen 2% und
- bis zur 12. Lebenswoche 1% liegen. -mw