Wenn’s schief läuft

Das Wachstumshormon ist Teil eines ganzen Orchesters an Botenstoffen und Hormonen, die das Zellwachstum fördern. Die Hirnanhangdrüse bildet das Wachstumshormon, dieses bindet in der Leber an GH-Rezeptoren und sorgt dafür, dass die Leber IGF1 (Insulin-like growth factor 1) produziert. IGF1 wirkt als „Mittelsmann“ und löst in den Zielorganen die bezweckte Wirkung aus. Im Eierstock z.B. steigert IGF1 die Zellteilung (Follikelproduktion) und macht das Gewebe empfindlicher gegenüber den Brunsthormonen LH und FSH. Wird das IGF1 nicht mehr benutzt, steigt der Gehalt im Blut und die Hirnanhangdrüse weiß, dass sie die Produktion von GH drosseln kann. Info am Rande: Auf diesem Prinzip basiert auch die Wirkung von bST, das in den USA eingesetzt werden darf. bST entspricht dem Wachstumshormon GH. In der Leber wird dadurch mehr IGF1 produziert, was im Euter für eine verstärkte Bildung von Milchzellen sorgt und gleichzeitig einen frühen Zelltod unterbindet.
Hält der Energiemangel länger an, kommt es zu einer „Entkopplung“ dieses Systems. Nach der Kalbung verhindert jedoch die Negative Energiebilanz (NEB, Energiemangel) die Bildung von GH-Rezeptoren in der Leber. Es wird kein GH mehr aufgefangen und deshalb auch kein IGF mehr produziert. Die Hirnanhangdrüse bemerkt den zu geringen Gehalt an IGF1 und stößt noch mehr GH aus, das wieder keine IGF-Bildung auslöst und dem Körper so „genug GH vorhanden“ meldet. Stattdessen zirkuliert immer mehr GH im Blut.
GH vermindert die Wirkung von Insulin und verstärkt in der Leber die energieaufwendige Glukoneogenese (Übersicht 3). Insulin würde auch dies normalerweise dämpfen. Der IGF-Gehalt im Blut ist umso geringer, je länger die NEB andauert (Fenwick et al., 2008).