Das Klauenhorn ist der Datenschreiber einer Kuh. Werden die Befunde bei der Klauenpflege dokumentiert, verraten sie viel über die Situation Ihrer Milchkühe. Ein Ansatzpunkt zur Optimierung!
Stoffwechselprobleme, gestörte Pansenfunktion, Stress durch hektisches Treiben, schlechte Liegeboxen – all das sind Ursachen, die sich negativ auf die...
Das Klauenhorn ist der Datenschreiber einer Kuh. Werden die Befunde bei der Klauenpflege dokumentiert, verraten sie viel über die Situation Ihrer Milchkühe. Ein Ansatzpunkt zur Optimierung!
Stoffwechselprobleme, gestörte Pansenfunktion, Stress durch hektisches Treiben, schlechte Liegeboxen – all das sind Ursachen, die sich negativ auf die Klauengesundheit auswirken und die nicht einfach von heute auf morgen entstehen. Um solche Ursachen abzustellen, müssen sie zunächst erkannt und akzeptiert werden (wollen)! Dazu braucht es handfeste Fakten. Davon, dass sich als ein solch beweisstarkes Material die dokumentierten Befunde der Klauenpflege eignen, sind der Fachagrarwirt und Instrukteur Heino Westermann und sein Team aus Krummhörn, Ostfriesland, überzeugt. Die ausgebildeten Klauenpfleger sagen, dass sich jeglicher Stress, dem eine Kuh ausgesetzt ist, auf bestimmte Weise in der Klauengesundheit abzeichnet.
Weiß man, welcher Stress sich in welchen Anzeichen niederschlägt, liest sich der Klauenbefund einer Kuh bzw. Herde fast wie ein Datenschreiber!
Wertvolle Informationen gratis
Seit Juli 2007 sind alle gewerblich tätigen Klauenpfleger verpflichtet, ihre Arbeit zu dokumentieren (Viehverkehrsverordnung, § 23 Klauenpflegekontrollbuch): also alle Befunde und Behandlungen jeder gepflegten Kuh. Praktisch für den Milchkuhhalter ist es zudem, wenn auch der allgemeine Zustand der Kühe mitbewertet wird (Zustand des Fells, fehlende Ohrmarken, Räude, Abschürfungen etc.). Aufgrund der Pflicht zur Dokumentation müssten diese Daten mindestens für alle Milcherzeuger verfügbar sein, die nicht selbstständig die Klauenpflege durchführen. Das Team Westermann stellt jedoch immer wieder fest, dass Tierhalter und bestandsbetreuende Berater bzw. Tierärzte kaum Interesse an den Daten haben.
Es lohnt sich aber, wenn Sie den Daten mehr als nur einen Platz in der Schublade gewähren, denn:
- Zahlen lügen nicht: Die Daten sind objektiv. Sie bieten Ihnen damit eine ungeschönte Chance, Schwachstellen im Betrieb aufzudecken! Ein extremes, aber eingängiges Beispiel: Wenn erfasst wurde, dass die Hälfte der Herde aufgescheuerte, verdickte Sprunggelenke hat, ist es nicht möglich, zu leugnen, dass das Material der Liegeflächen schlecht ist!
- Optimierungsansatz: Um die Ursachen der Schwachstellen zu finden, prüfen Sie am besten gemeinsam mit Ihrem Berater/Tierarzt, wie die Befunddaten mit den vorhandenen Bedingungen in Stall und Fütterung in Verbindung stehen. Dafür braucht es Kuhverstand, denn krankhafte Veränderungen am Klauenhorn werden oft von mehr als einem Faktor verursacht. Haben Sie die Schwachstelle gefunden, lässt sich dort gezielt mit verbessernden Maßnahmen ansetzen. Mit den Ergebnissen der folgenden Termine kontrollieren Sie, wie erfolgreich Ihre Optimierungsmaßnahmen sind. Sprich, ob sich der Anteil an problematischen Befunden reduziert hat.
- Zahlen lügen nicht: Die Daten sind objektiv. Sie bieten Ihnen damit eine ungeschönte Chance, Schwachstellen im Betrieb aufzudecken! Ein extremes, aber eingängiges Beispiel: Wenn erfasst wurde, dass die Hälfte der Herde aufgescheuerte, verdickte Sprunggelenke hat, ist es nicht möglich, zu leugnen, dass das Material der Liegeflächen schlecht ist!
- Optimierungsansatz: Um die Ursachen der Schwachstellen zu finden, prüfen Sie am besten gemeinsam mit Ihrem Berater/Tierarzt, wie die Befunddaten mit den vorhandenen Bedingungen in Stall und Fütterung in Verbindung stehen. Dafür braucht es Kuhverstand, denn krankhafte Veränderungen am Klauenhorn werden oft von mehr als einem Faktor verursacht. Haben Sie die Schwachstelle gefunden, lässt sich dort gezielt mit verbessernden Maßnahmen ansetzen. Mit den Ergebnissen der folgenden Termine kontrollieren Sie, wie erfolgreich Ihre Optimierungsmaßnahmen sind. Sprich, ob sich der Anteil an problematischen Befunden reduziert hat.
Abfragen lässt sich auch, wie sinnvoll durchgeführte Behandlungs-Strategien sind (z. B. Klotz bei Sohlengeschwüren ja oder nein, Verband mit oder ohne Salicylsäure-Paste). Also auch, wie gut die Arbeit der Klauenpfleger ist. Den Klauenpflegern bieten die historischen Befunddaten eine Grundlage, um Heilungschancen von vornherein abschätzen zu können. Im unglücklichsten Fall sollte eine Kuh besser nicht mehr belegt werden bzw. abgehen.
- Sicherheit: Für den Klauenpfleger selbst sowie für den Milchkuhhalter bedeutet die Dokumentation ebenso eine Absicherung über die geleistete Arbeit. Im Falle einer nicht ausheilenden Erkrankung oder einem Verlust kann eher nachvollzogen werden, bei wem die Schuld liegt, als ohne die Daten.
- Sicherheit: Für den Klauenpfleger selbst sowie für den Milchkuhhalter bedeutet die Dokumentation ebenso eine Absicherung über die geleistete Arbeit. Im Falle einer nicht ausheilenden Erkrankung oder einem Verlust kann eher nachvollzogen werden, bei wem die Schuld liegt, als ohne die Daten.
Aus dem Horn gelesen
Seit über vier Jahren dokumentieren die Klauenpfleger von Westermann auf elektronischem Weg die Befunde aller von ihnen gepflegten Kühe. Das Team betreut über 120 Kuhbetriebe. Grundsätzlich kontrollieren und pflegen sie alle vier Füße. Um Schlüsse aus den Befunden zu ziehen, gehört für den Chef des Trios, Heino Westermann, auch immer ein Blick in den Stall und in die Ergebnisse der Milchleistungsprüfung dazu. Über die Jahre kristallisierten sich so für sie viele Zusammenhänge zwischen den Umweltbedingungen der Kühe und ihren Klauenerkrankungen heraus:
- Mortellaro z. B. ist für Westermann auch eine Folge von allgemeinem Stress, dem die Kühe ausgesetzt sind. Als Auslöser von Stress nennt er vor allem Überbelegung, zu geringe Liegezeiten, in denen die Klauen abtrocknen können, nass-schmutzige Laufgänge, schlecht durchlüftete Ställe und schlechte Fütterung. Das Immunsystem der Kühe werde so stark beansprucht. „In Ställen, die den Kühen optimale Bedingungen bieten, ist Mortellaro gut auf einem gesunden Level zu halten“, sagt er. Therapiert wird Mortellaro bei Westermann im Grad 1 mit Blauspray (Wirkstoff: Chlortetracyclin). Ab Grad 2 wird Salicylsäure-Paste auf die Wundfläche aufgetragen und für drei Tage ein dünner Verband (Kunstfaserbinden, immer ohne Polsterung) angelegt.
- Treten vermehrt Sohlengeschwüre an den vorderen Klauen auf, hängt das für Westermann nicht nur mit zu großen Abständen zwischen den Pflegeterminen oder falscher Hohlkehlung zusammen, sondern auch mit zu kurzen Liegezeiten. Ein Blick auf die Qualität der Liegeboxen und das Verhalten der Kühe in den Boxen gibt hier Aufschluss. Die Klaue mit dem Sohlengeschwür (gering- und mittelgradig) wird zur Entlastung etwas stärker ausgeschnitten, die Ränder des umgebenden Horns ausgedünnt. Das Gewebe des Geschwürs wird auf keinen Fall bearbeitet! Nur in den seltensten Fällen wird ein Klotz zur Entlastung auf die gesunde Partnerklaue geklebt. Die Wundoberfläche wird mit Blauspray eingesprüht.
- Viele Weiße-Linie-Defekte sind für die Klauenpfleger ein Anzeichen für bereits vorbelastetes Horn. Belastet etwa durch Klauenrehe (Fütterung) oder durch punktuell sehr starke Gewichtseinwirkungen auf das Klauenhorn, die dazu führen, dass sich die Weiße Linie aus dem Hornverbund löst. Die Weiße Linie ist so empfindlich, da ihr Horn weicher ist als das umliegende Sohlen- und Wandhorn. Punktuell stark belastet wird eine Klaue z. B., wenn die Kuh hektisch wendet oder wegknickt. So verhält sich eine Kuh nur unter Stress, etwa wenn sie zu ruppig getrieben wird oder zu dicht gedrängt steht. Beweise für ein falsches Verhalten der Menschen oder zu enge Vorwartehöfe und überbelegte Ställe!
- Wenn Keime und Schmutz in die entstandenen Hohlräume in der Weißen Linie aufsteigen, kann sich die Lederhaut entzünden. Es entstehen Wandläsionen: Eitrig-hohle Wände bis hin zu Wandgeschwüren. Hohle Wände werden geöffnet, die Hornränder ausgedünnt. Haben sich Wandgeschwüre entwickelt, wird bei Westermann grundsätzlich zur Entlastung ein Klotz auf die gesunde Partnerklaue geklebt. Die Geschwüre werden beim Team Westermann nur freigelegt, niemals weggeschnitten! Für sie hat es sich als beste Variante herausgestellt, die Wundfläche mit Blauspray zu behandeln und bei bloßliegender Lederhaut einen einfachen Verband anzulegen. Heilt es gut, ist nach spätestens sechs Wochen nur noch eine „Narbe“ erkennbar.
- Problematisch ist der Heilungsprozess, wenn sich Mortellaro-Erreger in eine Wandläsion oder eine verletzte Afterklaue ansiedeln. Man riecht es, bevor die Klaue gesäubert wird, an der Ammoniak-Note. Erkennbar ist es durch die Mortellaro-typischen Wundflächen. In diesem Fall reinigen sie die Fläche, dünnen die umliegenden Hornränder aus, besprühen die Wundfläche mit Blauspray und legen einen einfachen Verband an. Der bleibt drei Tage drauf, dann sollte nochmals mit Blauspray nachbehandelt werden.
- Mortellaro z. B. ist für Westermann auch eine Folge von allgemeinem Stress, dem die Kühe ausgesetzt sind. Als Auslöser von Stress nennt er vor allem Überbelegung, zu geringe Liegezeiten, in denen die Klauen abtrocknen können, nass-schmutzige Laufgänge, schlecht durchlüftete Ställe und schlechte Fütterung. Das Immunsystem der Kühe werde so stark beansprucht. „In Ställen, die den Kühen optimale Bedingungen bieten, ist Mortellaro gut auf einem gesunden Level zu halten“, sagt er. Therapiert wird Mortellaro bei Westermann im Grad 1 mit Blauspray (Wirkstoff: Chlortetracyclin). Ab Grad 2 wird Salicylsäure-Paste auf die Wundfläche aufgetragen und für drei Tage ein dünner Verband (Kunstfaserbinden, immer ohne Polsterung) angelegt.
- Treten vermehrt Sohlengeschwüre an den vorderen Klauen auf, hängt das für Westermann nicht nur mit zu großen Abständen zwischen den Pflegeterminen oder falscher Hohlkehlung zusammen, sondern auch mit zu kurzen Liegezeiten. Ein Blick auf die Qualität der Liegeboxen und das Verhalten der Kühe in den Boxen gibt hier Aufschluss. Die Klaue mit dem Sohlengeschwür (gering- und mittelgradig) wird zur Entlastung etwas stärker ausgeschnitten, die Ränder des umgebenden Horns ausgedünnt. Das Gewebe des Geschwürs wird auf keinen Fall bearbeitet! Nur in den seltensten Fällen wird ein Klotz zur Entlastung auf die gesunde Partnerklaue geklebt. Die Wundoberfläche wird mit Blauspray eingesprüht.
- Viele Weiße-Linie-Defekte sind für die Klauenpfleger ein Anzeichen für bereits vorbelastetes Horn. Belastet etwa durch Klauenrehe (Fütterung) oder durch punktuell sehr starke Gewichtseinwirkungen auf das Klauenhorn, die dazu führen, dass sich die Weiße Linie aus dem Hornverbund löst. Die Weiße Linie ist so empfindlich, da ihr Horn weicher ist als das umliegende Sohlen- und Wandhorn. Punktuell stark belastet wird eine Klaue z. B., wenn die Kuh hektisch wendet oder wegknickt. So verhält sich eine Kuh nur unter Stress, etwa wenn sie zu ruppig getrieben wird oder zu dicht gedrängt steht. Beweise für ein falsches Verhalten der Menschen oder zu enge Vorwartehöfe und überbelegte Ställe!
- Wenn Keime und Schmutz in die entstandenen Hohlräume in der Weißen Linie aufsteigen, kann sich die Lederhaut entzünden. Es entstehen Wandläsionen: Eitrig-hohle Wände bis hin zu Wandgeschwüren. Hohle Wände werden geöffnet, die Hornränder ausgedünnt. Haben sich Wandgeschwüre entwickelt, wird bei Westermann grundsätzlich zur Entlastung ein Klotz auf die gesunde Partnerklaue geklebt. Die Geschwüre werden beim Team Westermann nur freigelegt, niemals weggeschnitten! Für sie hat es sich als beste Variante herausgestellt, die Wundfläche mit Blauspray zu behandeln und bei bloßliegender Lederhaut einen einfachen Verband anzulegen. Heilt es gut, ist nach spätestens sechs Wochen nur noch eine „Narbe“ erkennbar.
- Problematisch ist der Heilungsprozess, wenn sich Mortellaro-Erreger in eine Wandläsion oder eine verletzte Afterklaue ansiedeln. Man riecht es, bevor die Klaue gesäubert wird, an der Ammoniak-Note. Erkennbar ist es durch die Mortellaro-typischen Wundflächen. In diesem Fall reinigen sie die Fläche, dünnen die umliegenden Hornränder aus, besprühen die Wundfläche mit Blauspray und legen einen einfachen Verband an. Der bleibt drei Tage drauf, dann sollte nochmals mit Blauspray nachbehandelt werden.
Wissenschaftliche Studie geplant
Die Liste an krankhaften Veränderungen am Klauenhorn und umliegendem Gewebe ist lang, ihre Ursachen vielfältig. Um alle in den über Jahre gesammelten Daten steckenden Informationen zu heben und wissenschaftlich abzusichern, strebt Heino Westermann die Zusammenarbeit mit der Klauentierklinik einer veterinärmedizinischen Fakultät an. Die Daten sollen in einer Doktorarbeit ausgewert werden.
„Das Interessante ist, dass es eben ungeschönte Daten aus Praxisbetrieben sind“, erklärt er. Betriebe aller Leistungsklassen und Größenordnungen. Er hofft, dass sich durch die Auswertung bestätigen wird, wie viel die Klauenbefunde wirklich aussagen und beweisen können. Und so endlich das Interesse an den nützlichen Daten geweckt wird, die es ja ohnehin gratis gibt!K. Berkemeier