Die Abkalbung ist ein sensibler Punkt im Laktationszyklus. Durch ein gut strukturiertes Geburtsmanagement lässt sich die Totgeburtenrate deutlich unter fünf Prozent absenken.
Die gut vorbereitete Kuh wird mit der passenden Körperkondition von 3,25 bis 3,75 entweder einige Tage vor der Kalbung oder kurz vorher („just in time“) in den...
Die Abkalbung ist ein sensibler Punkt im Laktationszyklus. Durch ein gut strukturiertes Geburtsmanagement lässt sich die Totgeburtenrate deutlich unter fünf Prozent absenken.
Die gut vorbereitete Kuh wird mit der passenden Körperkondition von 3,25 bis 3,75 entweder einige Tage vor der Kalbung oder kurz vorher („just in time“) in den Abkalbebereich umgestallt. Typische Geburtsanzeichen sind: eingefallene Beckenbänder, Euterödem, glänzende Zitzen, tropfende Milch und eine rote Scham mit zäher Schleimspur. Einzeln betrachtet sind das unsichere Geburtsanzeichen: Die Geburt kann in wenigen Stunden beginnen oder aber erst Tage später. Die Genauigkeit der Vorhersage der Abkalbung lässt sich sicherer einschätzen, sofern der errechnete Geburtstermin mitbetrachtet wird.
Nur kurz in der Abkalbebox
Das „just in time“-Umstallen in den Abkalbebereich (erst unmittelbar vor Beginn der Geburt) spart Abkalbeplätze und reduziert den Stress für die Kuh durch längere Abwesenheit von der Herde. Diese Methode kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Geburtsüberwachung so engmaschig ist, dass weder zu früh noch zu spät umgestallt wird. Eine geplatzte Fruchtblase und blutiger Schleim sind das Signal zum stressfreien Umtreiben. Sind bereits die Kälberbeine sichtbar, ist die Kuh in der Geburt und das Umstallen kommt zu spät. Die Geburt wird unterbrochen. Die Kunst ist es, den richtigen Moment abzupassen zwischen geplatzter Fruchtblase und bereits sichtbaren Beinen des Kalbes.
Hygienemängel machen krank
Der Abkalbebereich muss hygienisch einwandfrei und ausnahmslos frisch eingestreut sein. Denn kurz nach der Geburt sind neugeborene Kälber und Kühe mit weit offenen Geburtswegen besonders anfällig für Infektionen mit Umweltkeimen. Bei Kälbern führen Infektionen mit Rota-, Corona-Viren, E. Coli- Bakterien und Kryptosporidien zu Durchfällen. Kühe bekommen bei unzureichenden hygienischen Bedingungen oft Nachgeburtsverhaltungen, Metritis oder Mastitiden.
Eckdaten Abkalbebox:
- Platzbedarf: 10 bis 12 m2 pro Kuh
- Sichtkontakt zur Herde
- Täglich 8 bis 12 kg Stroh pro Tier einstreuen
- Fixiermöglichkeit zur Untersuchung
- Nicht als Krankenstall nutzen
- Platzbedarf: 10 bis 12 m2 pro Kuh
- Sichtkontakt zur Herde
- Täglich 8 bis 12 kg Stroh pro Tier einstreuen
- Fixiermöglichkeit zur Untersuchung
- Nicht als Krankenstall nutzen
Geburtshilfliche Untersuchung
Idealerweise kalben Färsen und Kühe allein ab. Ist die Fruchtblase geplatzt, sollten Färsen innerhalb von vier Stunden, Kühe innerhalb von zwei Stunden abkalben. Eine gynäkologische Untersuchung ist nur dann nötig, wenn die genannten Zeiten überschritten werden, die Kuh unruhig trippelt, Wehen sichtbar sind, die Geburt aber nicht voran geht. Jede gynäkologische Untersuchung der Kuh stellt ein hygienisches Risiko dar, kann aber andererseits auch Kälberleben retten. Deshalb sollte stets kritisch abgewogen werden, ob die Untersuchung nötig ist oder nicht.
Materialkiste Kalbung
Es spart Arbeit und Zeit, wenn im Abkalbebereich eine Kiste vorhanden ist, die bestückt ist mit Gleitgel, langen und kurzen Untersuchungshandschuhen, Jodseife, Geburtshilfestricken oder -ketten, Papierhandtüchern zum Reinigen der Scham.
Wichtig bei der gynäkologischen Untersuchung ist absolute Sauberkeit. Die Kuh muss stehen und fixiert sein, dass erspart Tier und Mensch Stress. Bevor die Lage des Kalbes in der Kuh beurteilt wird, muss die äußere Scheide mit Jodseife gewaschen werden. Lange Einmalhandschuhe schützen die Kuh vor Krankheitskeimen auf der Haut und den Untersucher vor dem Kontakt mit Fruchtwasser. Zieht man dann noch ein paar kurze Handschuhe darüber, hat man mehr Griff in der Kuh und am Kalb. Unter Verwendung von viel Gleitgel werden nun vorsichtig folgende Positionen kontrolliert:
- Wie weit ist der Muttermund auf?
- Wo ist der Kopf des Kalbes?
- Liegt der Rücken oben? Lebt das Kalb?
- Sind die Beine gestreckt oder gebeugt?
- Wie weit ist der Muttermund auf?
- Wo ist der Kopf des Kalbes?
- Liegt der Rücken oben? Lebt das Kalb?
- Sind die Beine gestreckt oder gebeugt?
Zughilfe darf man nur dann leisten, wenn der Muttermund ganz auf ist und das Kalb mit dem Rücken nach oben liegt. Bei Haltungsfehlern, die nicht innerhalb von 15 Minuten zu korrigieren sind, sollte man den Tierarzt/-ärztin anrufen, um das Leben des Kalbes und die Gesundheit der Kuh nicht zu gefährden.
Erst das Kalb, dann die Kuh
Ist das Kalb geboren, wird die Vitalität geprüft. Gut ist, wenn das Kalb in den ersten zwei Lebensminuten den Kopf hebt und in Brustlage liegt. Die Nasenatmung ist regelmäßig und tief. Atmet das Kalb unregelmäßig oder schwer, kann eine Absaug- und Beatmungspumpe helfen, die Atemwege freizulegen.
Das Aufhängen an den Hintergliedmaßen bringt nichts, denn die abfließende Flüssigkeit und der Schleim kommen nachweislich aus dem Labmagen, nicht aus der Lunge. Außerdem drücken die Bauchorgane in dieser Position auf die Lunge, sodass die Atmung eher behindert wird. Ein Kaltwasserguss auf den Hinterkopf stimuliert ebenfalls die Atmung. Weiterhin kann ein zentrales Atemstimulanz (Doxapram) unterstützend intravenös vom Tierarzt gespritzt oder ins Maul unter die Zunge geträufelt werden.
Sofort vier Liter Biestmilch
Kälber sollen aus hygienischen Gründen sofort umgestallt werden. In der Kälberbox bekommen sie sofort (innerhalb der ersten vier Lebensstunden) Biestmilch angeboten. Wenn weniger als 2,5 Liter aufgenommen wurden, kann man das Kalb auch schonend drenchen. Bereits kleine Mengen Biestmilch induzieren das Schließen der Antikörperkanäle im Dünndarm. Darum sollte die erste Biestmilchportion gleich drei bis vier Liter betragen. Bereits nach sechs Lebensstunden können die Antikörper den Kälberdarm nicht mehr ausreichend passieren. Das systematische Drenchen von vier Litern Erstkolostrum kann ein sicherer Weg sein, eine ausreichende Biestmilchversorgung sicherzustellen.
Genug Antikörper im Blut
Erstkolostrum muss immer von bester Qualität sein. Mithilfe einer Biestmilchspindel kann die Qualität kostengünstig und einfach grob eingeschätzt werden. Die Spindel sinkt je nach spezifischem Gewicht mehr oder weniger tief in die Biestmilch ein. Rot auf der Spindel bedeutet, dass zu wenig Antikörper vorhanden sind. Gelb signalisiert, dass die Biestmilch mit gefriergetrocknetem Kolostrum aufgewertet werden sollte. Grün steht für gute Kolostrumqualität. Achten Sie bei der Benutzung darauf, dass die Biestmilch bei der Messung eine Temperatur von 20°C hat. Sonst sind die Ergebnisse ungenau.
Bei Problemen mit der Kälbergesundheit wie Neugeborenendurchfall im Bestand kann die Antikörperkonzentration im Blutserum kontrolliert werden. Mehr als 70% der Kälber sollten einen Gesamteiweißgehalt im Blutserum haben von 55 g/l. Getestet werden sollten nur gesunde Kälber, die zwischen 24 und 48 Stunden alt sind.
Zweites Kalb?
Nach der Erstversorgung des Kalbes erfolgt die Nachuntersuchung des Muttertieres: Folgende Fragen sollten geklärt werden:
- Nimmt die Kuh Ihre Umgebung wahr?
- Kann sie aufstehen?
- Hat die Kuh kalte Ohren (Milchfieber)?
- Nimmt die Kuh Ihre Umgebung wahr?
- Kann sie aufstehen?
- Hat die Kuh kalte Ohren (Milchfieber)?
Vor der Untersuchung des Scheidenraumes unbedingt die Genitalregion gründlich wie vorher beschrieben reinigen und lange Einmalhandschuhe tragen. Jetzt wird geklärt, ob sich ein weiteres Kalb in der Gebärmutter befindet und ob diese verletzt ist bzw. Blutungen fühlbar oder sichtbar sind.
Zur Stoffwechselstabilisierung erhält die Kuh nach der Kalbung sofort mindestens 40 Liter temperiertes Wasser oder einen Energietrunk. Zusätzliche Kalziumgaben sind sinnvoll für Kühe mit Milchfieberrisiko bzw. Fortsetzung der Behandlung von Kühen mit Wehenschwäche. Bei Gefahr des Ausgrätschens können Fußfesseln angelegt werden.
Wer Abkalbungen gut beobachtet und den Umgang mit Kuh und Kalb systematisch angeht, erspart den Tieren und den Geburtshelfern unnötigen Stress. Das wird sich positiv auf die Tiergesundheit und die nachfolgende Laktation auswirken.
-mt-
Tierärztin Kathrin Nieland, Hofheim