Das frühzeitige korrekte Erkennen von Krankheiten rund um die Geburt hat eine Schlüsselfunktion im Gesundheitsmanagement. Das Vorgehen sollte von Tierärzten angeleitet und überprüft werden.
Kühe vollbringen Höchstleistungen, wenn sie nach der Kalbung in die Laktation eintreten. Sie müssen Rations- und Stallwechsel bewältigen und sind...
Das frühzeitige korrekte Erkennen von Krankheiten rund um die Geburt hat eine Schlüsselfunktion im Gesundheitsmanagement. Das Vorgehen sollte von Tierärzten angeleitet und überprüft werden.
Kühe vollbringen Höchstleistungen, wenn sie nach der Kalbung in die Laktation eintreten. Sie müssen Rations- und Stallwechsel bewältigen und sind durch den Stress rund um die Geburt besonders anfällig für Krankheiten. Nicht immer sind Infektionen wie Mastitis, Metritis oder Stoffwechselstörungen (Ketose, Labmagenverlagerung) durch gutes Management zu verhindern.
Gutes Frischabkalber-Management zielt darum darauf ab, Krankheiten frühzeitig zu erkennen, effektiv zu therapieren und den Erfolg der Maßnahme anhand von Kennzahlen zu kontrollieren. Besonders bei den Frischabkalbern arbeiten Landwirte und Tierärzte eng zusammen. Der Landwirt sollte in der Lage sein, die wichtigsten Krankheiten frühzeitig und korrekt zu erkennen. Je nach Organisation der Zusammenarbeit werden erste Behandlungen gemäß Behandlungsprotokoll ausgeführt. Der Tierarzt stellt ebenfalls Diagnosen und therapiert. Die wichtigste Aufgabe für den Hoftierarzt ist aber das Controlling. Dazu sollte er regelmäßig bei den Routineuntersuchungen im Frischabkalberstall dabei sein.
Prof. Gary Oetzel von der Universität Wisconsin empfiehlt, dass Tierärzte ab einer Herdengröße von 1.000 Kühen, mindestens einmal wöchentlich dabei sind, wenn der Herdenmanager Kühe untersucht und Diagnosen stellt. In einem Workshop beim vergangenen AABP-Kongress stellte er eine umfangreiche Checkliste vor, die Tierärzten und Herdenmanagern helfen soll, das Gesundheitsmanagement in den von ihnen betreuten Herden zu evaluieren. Die Liste finden Sie hier übersetzt, gekürzt und an das deutsche System angepasst (Übersicht 1).
Frischabkalber-Kontrolle
Die Überwachung von Frischabkalbern sollte in den ersten zehn Tagen nach der Abkalbung durchgeführt und Teil der täglichen Arbeitsroutine im Stall werden. Hierbei hat es sich bewährt, die Kühe nacheinander von vorne und von hinten zu beurteilen. Das können zwei Mitarbeiter erledigen oder nur einer. Der geht erst auf dem Futtertisch entlang und beurteilt alle Kühe von vorne, danach im Stall von hinten. Auffällige Kühe (z.B. schlechter Appetit, Nasen- oder Augenausfluss) können beispielsweise mit Futter auf dem Fressgitter markiert werden, um diese besser von hinten zu identifizieren und genauer zu untersuchen. Von hinten wird Fieber gemessen, Ausfluss kontrolliert, die Körperkondition und Pansenfüllung beurteilt und im Verdachtsfall der Labmagen auf korrekte Lage hin untersucht. Mit verschiedenfarbigen Kuhzeichenstiften kann zum Beispiel direkt auf der Kuh dokumentiert werden, oder die Diagnosen und Behandlungen werden in ein Herdenmanagementsysten eingegeben. Die Energiesituation der Kuh wird mithilfe eines Bluttests (ß-Hydroxibutyrat) direkt im Stall erledigt. Je nach Auftreten der subklinischen Ketose wird der Test ein- oder zweimalig (z.B. Tag 5 und 10) innerhalb der ersten zwei Laktationswochen durchgeführt. Die Fixierung im Fressgitter für diese Routinekontrollen und -behandlungen sollte nicht länger als eine Stunde pro Tag betragen.
Vor dem Festliegen reagieren
Klinisches Milchfieber verläuft nach Oetzel in mehreren Stadien. Betroffen sind meistens Kühe ab der dritten Laktation im Zeitraum kurz vor oder bis 48 Stunden nach der Kalbung. Das Milchsekret ist normal (dieses wichtige Unterscheidungsmerkmal zur Blutvergiftung sollte immer kontrolliert werden).
- Stadium 1: kalte Ohren, leise, beschleunigte Herz-töne, Untertemperatur, wenig/kein Tonus in Schwanz oder After, reduzierte Futteraufnahme, Trippeln
- Stadium 2: schwerer Gang und Festliegen in Brust-/Bauchlage
- Stadium 3: Festliegen auf der Seite, Koma
- Stadium 1: kalte Ohren, leise, beschleunigte Herz-töne, Untertemperatur, wenig/kein Tonus in Schwanz oder After, reduzierte Futteraufnahme, Trippeln
- Stadium 2: schwerer Gang und Festliegen in Brust-/Bauchlage
- Stadium 3: Festliegen auf der Seite, Koma
Klinisches Milchfieber sollte idealerweise vom Landwirt erkannt werden, bevor die Kuh festliegt. Dann ist die Therapie noch mit zwei Boli im Abstand von 12 Stunden möglich. Sobald die Kuh festliegt, ist eine Infusion mit 500 ml 23% Kalziumgluconat nötig. Bei der intravenösen Kalziumgabe „schießt“ der Blutwert schnell und deutlich nach oben. Die körpereigenen Regulationsmechanismen der Kuh steuern so stark gegen, dass es im Anschluss direkt zu einem Kalziummangel kommt. Darum sollte man nach jeder Infusion zusätzlich mit einem Bolus behandeln. Dabei ist ein ungestörtes Allgemeinbefinden Grundvoraussetzung. Einen zweiten Bolus kann man nach 12 Stunden verabreichen lassen. Das Kalzium wird innerhalb von 30 Minuten aus dem Bolus absorbiert. Von der subkutanen Kalziumanwendung rät Oetzel ab, denn die Lösung brennt unter der Haut (Gewebsnekrosen) und die verabreichten Mengen sind relativ groß.
Euterkontrolle ist Pflicht
Nicht jeder Festlieger hat Milchfieber, sondern es kommt u.a. die Toxämie (Blutvergiftung) infrage. Sie geht mit Dehydratation (Hautfalte verstreicht langsam), beschleunigter Herzfrequenz und Fieber über 39,5°C einher. Zum Milchfieber abgrenzen lässt sich die Blutvergiftung durch Symptome wie verändertes Sekret (schwere Mastitis), stinkender Ausfluss (schwere Metritis) oder wässriger Durchfall. Für die sichere Abgrenzung sollten Sie als Landwirt den Unterschied kennen. Die systemischen Zeichen der Toxämie werden nach Oetzel mit hypertoner Kochsalzlösung und nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) behandelt. Sobald das Allgemeinbefinden der Tiere sich bessert, können 30 bis 60 Liter körperwarme Flüssigkeit langsam gedrencht werden. Weiterhin muss die Grunderkrankung behandelt werden. Ist die Ursache eine Metritis, tritt diese in der Regel am fünften bis zehnten Tag in Milch auf. Kühe haben rot-braunen, stinkenden Ausfluss sowie Milchleistungs- und Futteraufnahmerückgang und Fieber (39,5°C). Oetzel weist darauf hin, dass nicht jeder Ausfluss krankhaft ist und das Stallpersonal darin geschult werden sollte, immer mehrere Symptome zu benennen, bevor die Diagnose eindeutig gestellt wird. Die Therapie basiert auf der Injektion von Ceftiofur (Excenel, Generika) oder Naxcel (am Ohrgrund). Von der rektalen oder vaginalen Untersuchung auf vorhandenen Ausfluss rät er ab.
Labmagenverlagerung
Die Berufskrankheit der Hochleistungskuh ist die Labmagenverlagerung. Erste Symptome, die Sie erkennen sollten, sind ein Rückgang der Futteraufnahme, reduzierte Milchleistung, fehlende Pansenfüllung, geringe/keine Pansenmotorik. Der Verdacht bestätigt sich, wenn beim Abhören das typische „Ping“-Geräusch hörbar ist. Je früher der Tierarzt den Labmagen operiert, desto besser sind die Heilungsaussichten. Auch hier kommt es wieder auf gute Zusammenarbeit an: Der Landwirt, der die Symptome der Labmagenverlagerung frühzeitig erkennt und zu deuten weiß, und der Tierarzt, der zeitnah und erfolgreich operiert. Krankheiten nach der Kalbung wie die Labmagenverlagerung, aber auch Infektionen wie Metritis und Mastitis, gehen oft mit einer sekundären Ketose einher, die sich durch reduzierte Futteraufnahme, Milchleistung und Körperkonditionsverlust ankündigt. Dazu kommen die primären Ketosen, die durch eine ausgeprägte negative Energiebilanz beim Eintritt in die Laktation entstehen. Das Monitoring der BHB-Werte der Frischabkalber ist deshalb eine gute Methode, Tiere mit subklinischer und klinischer Ketose sicher zu erkennen und umgehend je nach Höhe des Wertes oral oder mittels Infusion zu behandeln. Die hier abgedruckte Checkliste (Übersicht 1) hilft, sich einen Eindruck des Frischabkalbermanagements auf einem Betrieb zu machen und Schwachstellen aufzudecken. Die Dokumentationshilfe (Übersicht 2) dient der systematischen Untersuchung der Frischabkalber und kann als (ausbaufähige) Vorlage genutzt werden.M. Weerda
Quelle: AABP-Seminar 2016 in North Carolina, USA: Gary Oetzel, Terri Ollivett, John Wenzel