Tierarzt Dr. Stefan Borchardt erklärt das Management der ersten Besamung als Basis für ein effizientes Fruchtbarkeitsmanagement.
Eine hohe Fruchtbarkeitsleistung hat entscheidenden Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg im Betrieb. Die objektive Beurteilung der Fruchtbarkeitsleistung eines Betriebes ist nicht einfach und kann auf...
Tierarzt Dr. Stefan Borchardt erklärt das Management der ersten Besamung als Basis für ein effizientes Fruchtbarkeitsmanagement.
Eine hohe Fruchtbarkeitsleistung hat entscheidenden Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg im Betrieb. Die objektive Beurteilung der Fruchtbarkeitsleistung eines Betriebes ist nicht einfach und kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Am besten geeignet ist die 21 Tage Trächtigkeitsrate. Das ist der relative Anteil an zur Besamung zugelassenen Kühen (nach Ablauf der freiwilligen Wartezeit, die in einem 21 Tage Intervall tragend werden. Sie wird im Wesentlichen von der Brunstnutzungsrate (Anteil an Kühen, die in einem 21 Tage Intervall besamt werden) und dem Besamungserfolg (Anteil an besamten Kühen, die tragend werden) beeinflusst.
21 Tage Trächtigkeitsrate
In nordamerikanischen Milchkuhherden lag die durchschnittliche 21 Tage-Trächtigkeitsrate im Jahr 2016 bei 19% mit einer großen Streuung (5 bis 40%)innerhalb der Herden. Gut gemanagte Herden erreichen Trächtigkeitsraten von mehr als 25%. Die Herden mit der besten Fruchtbarkeitsleistung zeichneten sich insbesondere durch außerordentlich hohen Besamungserfolg aus (s. Übersicht 1). Die Erhöhung der 21 Tage Trächtigkeitsrate ist bares Geld. In einem Betrieb mit 200 Kühen kann durch die Erhöhung der 21 Tage-Trächtigkeitsrate von 16 auf 20% mit einem Profit von 8.800 € pro Herde gerechnet werden. Dieser Wert ergibt sich aus einer Zusammenstellung von Produktionskennzahlen, wie sie derzeit für deutsche Herden typisch sind (z.B. Herdenleistung 9.800 kg; Aufzuchtkosten 1.500 €/Färse; Merzungsrate 35%; Milchpreis 25 ct/kg; Futterkosten 17 ct/kg TM). Hierbei ist ein größerer Gewinn bei der Verbesserung von sehr schlechten Fruchtbarkeitsleistungen zu erwarten. Der Gewinn ergibt sich in erster Linie durch ein höheres Einkommen (Milchgeld - Futterkosten), geringere Reproduktionskosten und einer effizienteren Merzung.
Fünf Praxistipps
Zum Erreichen einer hohen Fruchtbarkeitsleistung gilt es fünf Schlüsselpunkte zu beachten:
So früh wie möglich besamen
Eine ungenügende Brunstnutzungsrate nach Ablauf der freiwilligen Wartezeit ist häufig eine Hauptursache für eine schlechte Fruchtbarkeitsleistung. Die Ursachen dafür sind sehr vielfältig. Es konnte gezeigt werden, dass die Intensität und Dauer der Haupt-brunst bei Kühen mit hoher Leistung (40 kg/Tag; 6,4 Stunden) deutlich herabgesetzt ist im Vergleich zu Kühen mit einer geringen Leistung (40 kg/Tag; 11,9 Stunden). Die Ursache liegt vermutlich darin begründet, dass die weiblichen Sexualhormone (Östrogen), die im Wesentlichen für die Ausprägung der Brunst verantwortlich sind, bei Kühen mit einer hohen Leistung und Trockenmasseaufnahme schneller in der Leber verstoffwechselt werden. Diesen Anforderungen müssen moderne Herdenmanager gerecht werden, indem sie entweder die visuelle Brunstbeobachtung intensivieren oder auf Hilfsmittel (z.B. Schwanzkreide, automatische Brunstbeobachtung) zurückgreifen. Häufig besteht das Management der ersten Besamung darin, Kühe in Brunst zu besamen und nur dann einzugreifen, wenn eine Kuh ohne Besamung einen bestimmten Laktationstag überschritten hat. Die Intervention bestand in der Regel aus einer rektalen Untersuchung und die Therapie basierte auf der Eierstocksdiagnose durch den Tierarzt oder Besamungstechniker.
Diese Methode kann auch erfolgreich sein, dennoch ist das Risiko groß, dass es zu einer großen Streuung (Variation) in der Rastzeit kommt. Ziel eines proaktiven und systematischen Fruchtbarkeitsmanagements ist es hingegen, diese Variation in der Rastzeit möglichst gering zu halten. Häufig sind Programme zur Ovulationssynchronisation integraler Bestandteil dieser Systeme.
Ovsynch: Mutter aller Protokolle
Vor mehr als 20 Jahren wurde an der Universität in Wisconsin, USA, das erste systematische Protokoll zur Ovulationssynchronisation (Eisprungssynchronisation) entwickelt und der Name „Ovsynch“ geprägt. Dieses Programm gilt als Mutter der Hormonprogramme und wurde ursprünglich entwickelt, um die Brunstnutzungsrate zu steigern. Das erste Protokoll umfasste eine Verabreichung von GnRH zu einem zufälligen Zeitpunkt des Zyklus, die Gabe von Prostaglandin sieben Tage später sowie eine erneute Gabe von GnRH 48 Stunden nach der Gabe von Prostaglandin F2α. Eine terminierte Besamung erfolgte 16 bis 20 Stunden nach der zweiten Verabreichung von GnRH. In der Zwischenzeit sind zahlreiche Varianten und Ergänzungen zu diesem ursprünglichen Protokoll entwickelt worden, um die zunächst unbefriedigenden Besamungsergebnisse durch eine Vorsynchronisation zu steigern. Mittlerweile sind Protokolle zur Ovulationssynchronisation und terminorientierten Besamung (v. a. in den USA) weit verbreitet, um die Fruchtbarkeitsleistung einer Milchkuhherde zu verbessern. Unter Berücksichtigung der Abläufe bei der Follikelentwicklung ist es gelungen, die Fruchtbarkeitsergebnisse nach terminorientierter Besamung deutlich zu verbessern. Es werden vergleichbare, zum Teil sogar höhere, Konzeptionsraten erreicht, wie bei Kühen, die nach spontaner Brunst besamt worden sind. Der beste Konzeptionserfolg ist dann zu erwarten, wenn die Kühe zu Beginn eines Ovsynch-Programms einen funktionellen Gelbkörper und einen dominanten Follikel aufweisen. Hier sind Konzeptionserfolge von mehr als 40% zu erwarten. Umgekehrt verhält es sich, wenn azyklische Kühe in ein solches Programm aufgenommen werden. Das sind meistens die Kühe mit herabgesetzter Fruchtbarkeit, die auf einem Betrieb mit guter Brunstnutzungsrate übrig bleiben. Diese Kühe werden in einem normalen Ovsynch-Programm auch nur durchschnittliche Ergebnisse (zwischen 20 und 30%) erzielen. Wichtig zu wissen ist, dass diese Programme nicht in der Lage sind, grobe Fehler in der Haltung und im Management zu kompensieren.
Vorsynchronisation mit Prostaglandin
Eine zweimalige Gabe von Prostaglandin im Abstand von 14 Tagen auf die ein Ovsynch-Programm nach 11 bis 14 Tagen folgt, wird als Presynch-Ovsynch bezeichnet. Diese Vorsynchronisation kann den Besamungserfolg im Ovsynch-Programm um ca. 10% steigern. Die zweite Injektion von Prostaglandin erfolgt in der Regel zeitgleich mit dem Ende der freiwilligen Wartezeit (z.B. Tag 50 nach der Kalbung) und bietet dem Landwirt die Möglichkeit, Kühe, die sich daraufhin in Brunst zeigen, zu besamen (im engl. „Cherry Picking“). Die anderen Tiere werden terminorientiert im Ovsynch-Programm besamt. Dieses Programm ist sehr populär, da es dem Landwirt die Möglichkeit eröffnet, die Brunstnutzung gezielt (zwei bis sieben Tage nach der zweiten Prostaglandin Gabe) zu intensivieren. In Herden mit einem hohen Anteil an azyklischen Tieren ist die Erfolgsaussicht allerdings gering, da das Prostaglandin nur bei den Kühen seine Wirkung erzielt, die vorher schon einmal gerindert und einen Gelbkörper haben.
G6G, Double-Ovsynch
Die Vorsynchronisation mit GnRH und Prostaglandin bietet den Vorteil, dass sie auch bei Kühen funktioniert, die vorher nicht zyklisch waren. Der erste Teil dieser beiden Programme (beim G6G PG-GnRH bzw. beim Double-Ovsynch GnRH-PG-GnRH) dient dazu, erstmal eine Ovulation auszulösen.
Daraufhin wird die Kuh allerdings noch nicht besamt, sondern erst am Ende des zweiten Teils (das eigentliche Ovsynch zur Besamung). Der Nachteil dieser Programme ist, dass sie sehr komplex sind, eine hohe Disziplin erfordern und Kühe ausschließlich terminorientiert besamt werden.
Ein weiterer Grund für einen schlechten Besamungserfolg während der Ovulationssynchronisation ist eine nicht vollständige Auflösung des Gelbkörpers nach der einmaligen Prostaglandingabe. Dies kann bis 15% der Kühe betreffen und ist vor allem Problem bei den Mehrkalbskühen. Man sieht das in der Regel den Kühen nicht an, wenn man allerdings eine Blutprobe zur Besamung entnimmt, kann man feststellen, dass der Gelbkörper sich nicht komplett aufgelöst hat und noch geringe Mengen an Progesteron (Hormon des Gelbkörpers) im Blut der Kuh zirkulieren. Neuere Untersuchungen von Milo Wiltbank, dem Erfinder des Ovsynch-Programms, konnten zeigen, dass eine zweifache Prostaglandinapplikation (24 h nach der ersten Gabe) in einem Ovsynch-Programm den Besamungserfolg bei Mehrkalbskühen um fast 4% steigern konnte.
Erfolg nur mit Disziplin
Voraussetzung für den Erfolg dieser Programme ist die sogenannte Compliance. Dabei geht es um die exakte Einhaltung der Vorgaben („das richtige Arzneimittel in der exakten Dosierung zum richtigen Zeitpunkt in die richtige Kuh“) in einem Programm.
Als Beispiel, wenn von 100 Kühen auf einer Liste 95 Kühe in der Gruppe angetroffen und richtig behandelt werden, dann ist die Compliance für diese Maßnahme bei 95%. Besteht ein Programm aus drei Maßnahmen mit jeweils einer Compliance von 95%, dann sind es am Ende 86 von 100 Kühen (Rechnung: (0,95x0,95x0,95=0,86), die das komplette Programm so durchlaufen haben.
Wichtige Faktoren für eine gute Compliance sind zuverlässige Arbeitslisten und Mitarbeiter, eine gute Tiererkennung, Selektion und Fressgitter.