Durch Stechmücken übertragene Tierseuchen sind schwer zu kontrollieren. Noch ist Deutschland frei von den genannten Infektionen, die sich jedoch gerade in den Nachbarländern ausbreiten.
Vor zehn Jahren (2006) erkrankten mehr als 30.000 Rinder an der Blauzungenkrankheit, die durch das Blue Tongue Virus (BTV) ausgelöst wird. Der Schaden, den die...
Durch Stechmücken übertragene Tierseuchen sind schwer zu kontrollieren. Noch ist Deutschland frei von den genannten Infektionen, die sich jedoch gerade in den Nachbarländern ausbreiten.
Vor zehn Jahren (2006) erkrankten mehr als 30.000 Rinder an der Blauzungenkrankheit, die durch das Blue Tongue Virus (BTV) ausgelöst wird. Der Schaden, den die Tierseuche in Deutschland anrichtete, stieg auf über 250 Mio. Euro. Deutschland ist glücklicherweise inzwischen seit 2009 BTV-frei. In diesem Jahr kam es jedoch in 90 französischen Milchkuhbetrieben zu diagnostizierten Ausbrüchen des BTV 8- Virus. Das Virus verbreitet sich derzeit rasant weiter und ist nur noch 100 km von der deutschen Grenze entfernt.
BTV: 200 Euro Schaden pro Kuh
Das BT-Virus kann alle Wiederkäuer befallen. Betroffene Tiere zeigen neben hohem Fieber auch schmerzhafte Bläschen und Hautveränderungen an Euter, Klauen und Maul. Durch die Veränderungen an der Maulschleimhaut meiden Kühe hartes, strukturreiches Grundfutter und fressen mehr Kraftfutter. Das veränderte Futteraufnahmeverhalten führt dann sekundär zu einer Pansenazidose. Diese tritt subklinisch oder klinisch mit Symptomen wie Durchfall, verminderter Milchleistung und Abwehrschwäche auf. Die finanziellen Verluste durch einen Blauzungenausbruch sind erheblich. „Im Seuchenzug 2006 bis 2008 entstanden finanzielle Schäden von fast 200 Euro pro erkrankter Kuh in den betroffenen Betrieben“, erklärt Dr. Peter Heimberg, Fachbereichsleiter des Tiergesundheitsdienstes der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Die Erkrankungsrate der Rinder beim genannten Ausbruch lag bei 2% mit einer Mortalitätsrate von 13%. Eine Therapie gegen BTV gibt es nicht. Es kommt nur die symptomatische Behandlung, also das Lindern der Symptome mit Infusionen und Schmerzmitteln, infrage.
Da es sich um eine anzeigepflichtige Tierseuche handelt, muss bereits bei bestehendem Verdacht der Amtstierarzt informiert werden. Der Nachweis der Krankheit erfolgt dann über eine Blutprobe, in der der Erreger bis zu drei Monate nach der Infektion nachweisbar ist. Bei positivem Befundergebnis folgt die Einrichtung von Sperrzonen und Verbringungsverbot (kein Tierhandel). Die Bekämpfung von BTV ist schwierig, weil das Virus durch Gnitzen (2 mm große Stechmücken) weiterverbreitet wird, deren Flugbahnen nicht genau vorher bestimmt werden können.
Herden wieder empfänglich
Der BTV-Ausbruch erfasste 2007 fasst die ganze Bundesrepublik und wurde durch eine Impfpflicht erfolgreich eingedämmt. Alle Rinder-und Schafhalter mussten ihre Tiere impfen lassen. Die Impfdecke erreichte 83%. Das reichte, um Deutschland Ende 2012 für BTV-frei zu erklären. Daraufhin wurde ein Impfverbot ausgesprochen, dass erst 2015 durch Ausnahmegenehmigungen gelockert wurde. In den folgenden Jahren fiel die Impfabdeckung durch die Freiwilligkeit deutlich zurück, sodass man davon ausgehen muss, dass die Herden in Deutschland jetzt wieder voll empfänglich für BTV-8 sind.
Vor einem Jahr traten dann zusätzliche Fälle von BTV-4 mit mildem Verlauf in Österreich auf. Bei diesem BTV 4 -Stamm handelt es sich um eine Mutation des schon lange im Mittelmeerraum vorhandenen Virus, das sich perfekt an die Übertragung durch die mitteleuropäische Gnitze (Culicoides obsoletus) angepasst hat. Nach einer Risikobewertung durch das Friedrich Löffler Institut (FLI), dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, startete man eine räumlich begrenzte Impfung für Schafe und Rinder in den zu erwartenden Eintragsregionen im Südosten der Freistaaten Bayern und Sachsen, sowie im Südwesten Baden-Württembergs. Die Kosten der Impfungen werden von den Tierseuchenkassen in den Ländern übernommen.
Keine Kreuzimmunität
Die Impfung schützt vor Erkrankung und unterbindet die Weiterverbreitung des Virus. Für Letzteres braucht man eine Impfabdeckung von mehr als 80%, die aber bei der freiwilligen Impfung nicht erreicht wurde. Es besteht keine Kreuzimmunität zwischen den einzelnen Serotypen (z.B. BTV-4 und BTV-8) des Blauzungenvirus, sodass bei gleichzeitigem Auftreten verschiedener Serotypen auch gegen beide Serotypen geimpft werden muss. Es gibt mehrere Impfstoffe gegen BTV-8 und nur einen mit BTV-4 für das Rind (Übersicht 3). Nach einer zweilmaligen Grundimmunisierung besteht Impfschutz für ein Jahr. Im Zuge der verpflichtenden Impfung im Jahr 2008 kam es zu zahlreichen Meldungen von Nebenwirkungen. Nach Auswertung der Beschwerden durch das Paul Ehrlich Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe, konnte die Mehrzahl der beschriebenen Symptome aber nicht auf den Impfstoff zurückgeführt werden. Darum empfiehlt die Ständige Impfkommision Veterinärmedizin: „Die Impfung vermittelt einen sicheren Schutz, sie ist weitgehend nebenwirkungsfrei und daher uneingeschränkt empfehlenswert.“ Dr. Heimberg rät je nach Region gegen BTV-8 und/oder 4 zu impfen. Es sind vor allem die Betrieb gefährdet, die 2007 deutliche klinische Probleme hatten, also ein Zielgebiet für den Vektor Gnitze darstellten“, so der Tierarzt.
Schmallenberg-Viren sind noch da
Ein kleines Dorf in Nordrhein-Westfalen erlangte im Jahr 2011 zweifelhafte Berühmtheit. Denn in einer Blutprobe aus Schmallenberg wurde erstmalig ein neues Virus nachgewiesen, dass nach dem kleinen Ort benannt wurde. Das Schmallenberg-Virus wird durch Gnitzen in Schaf- und Rinderherden verbreitet. Die Erkrankung ist meldepflichtig. Als erstes fielen Milchleistungseinbrüche bei Kühen auf, begleitet von Fieber. Daraufhin wurden u. a. vom Tiergesundheitsdienst NRW Blutproben entnommen und zum FLI geschickt. Das diagnostizierte neue Virus gehörte zur Familie der Orthobunya-Viren. Das FLI sagte damals voraus, dass es in Zukunft zu intrauterinen Missbildungen kommen würde. Und genauso kam es, denn es traten missgebildete Lämmer auf, die auf einen intrauterinen Übertritt des Virus hindeuteten.
Im Kuhstall wurde das Virus ebenfalls nachgewiesen. Infizierte Kühe zeigten hohes Fieber, Durchfall und Milchrückgang. Kälber wurden mit Missbildungen an Hirn und Gliedmaßen geboren, zudem traten bei Kühen Aborte und Totgeburten auf. Auch gegen dieses Virus gibt es keine Therapie, es bleibt nur die Linderung der Symptome. Schmallenberg wird heute deutlich seltener, aber immer wieder nachgewiesen.
Noch im Novemeber 2015 gab es Virusnachweise. Das Virus hat sich inzwischen rasant und europaweit ausgebreitet. Im Moment herrscht Ruhe rund um die Infektion, doch es ist davon auszugehen, dass die Erkrankung wellenförmig zurückkehrt, wenn genug ungeschützte Jungtiere (ohne eigene Antikörper) nachgerückt sind. Aktuell werden immer wieder Antikörper gegen das Virus bei Jungtieren nachgewiesen, die auf aktuelle Infektionsverläufe hindeuten.
Lumpy Skin Disease rückt näher
Die Lumpy Skin Disease (LSD) ist eine anzeigepflichtige Tierseuche des Rindes, die durch Capripox-Viren verursacht wird. Die Infektion ist bisher bei uns noch nicht aufgetreten, aber die Fallzahlen sind im Süden der EU und im gesamten Balkanraum stark angestiegen, sodass man befürchten kann, dass Lumpy Skin Disease auch bald in Deutschland ausbricht. Die LSD kommt schon lange endemisch in Afrika und im Nahen Osten vor. In Südosteuropa sind die Fallzahlen von LSD in den letzten Monaten stark angestiegen, die Krankheit breitet sich vom Balkan stark in nordwestliche Richtung aus.
Die Übertragung findet hauptsächlich über beißende und stechende Insekten oder indirekt über Speichel und Geräte im Stall statt. Klinisch erkrankte Tiere zeigen Fieber und später typische Hautveränderungen. Diese knötchenartigen Veränderungen der Haut sind manchmal unauffällig und nur durch Ertasten feststellbar. Regelmäßig sind auch das Euter und die Zitzen von Hautveränderungen betroffen. Ein Knötchenbefall am ganzen Körper betrifft in der Regel weniger als 30% der Rinder. In solchen massiven klinischen Fällen sind oft auch Verletzungen der Schleimhäute mit typisch rotem Rand und teilweise entzündetem Zentrum zu sehen. Die Lymphknoten in der betroffenen Region sind meist geschwollen. Tragende Tiere können abortieren. Wesentlich ist, dass auch subklinische Verlaufsformen auftreten. Die unauffälligen Tiere erschweren die Früherkennung der Erkrankung und können der Verbreitung der Tierseuche Vorschub leisten. Im Verdachtsfall müssen Proben unverzüglich an das regionale Landesuntersuchungsamt gesendet werden. Von dort werden die Proben an das Nationale Referenzlabor für LSD am Friedrich-Loeffler-Institut geschickt. Obwohl Erkrankungsrate (5 bis 45%) und Mortalität (1 bis 5%) üblicherweise moderat sind, treten erhebliche wirtschaftliche Schäden durch Produktionsverluste bei Milch und Häuten sowie verringerte Gewichtszunahmen bei infizierten Rindern auf. Hinzu kommen die strengen Restriktionsmaßnahmen beim Ausbruch der Erkrankung in einem zuvor freien Gebiet. Die Bekämpfung durch Tötung betroffener Herden, die Einrichtung von Schutz und Überwachungszonen sowie der Einsatz von Ringvakzinierungen haben in Griechenland und anderen Balkanstaaten noch nicht dazu geführt, dass die Tierseuche getilgt werden konnte. Das Ministerium (BMEL) hält eine „Schubladen-Verordnung“ bereit, die es bei einem Erstausbruch ermöglicht, schnell die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.-mt-