Viele Antibiotika, die im Kuhstall eingesetzt werden, dienen der Behandlung von Euterentzündungen. Aktuelle Studien aus Deutschland zeigen, dass in bestimmten Fällen ganz auf Antibiotika verzichtet oder alternativ auf Entzündungshemmer – sogenannte NSAIDs – gesetzt werden kann.
Wenn eine Kuh im Melkstand Flocken oder veränderte Milch...
Viele Antibiotika, die im Kuhstall eingesetzt werden, dienen der Behandlung von Euterentzündungen. Aktuelle Studien aus Deutschland zeigen, dass in bestimmten Fällen ganz auf Antibiotika verzichtet oder alternativ auf Entzündungshemmer – sogenannte NSAIDs – gesetzt werden kann.
Wenn eine Kuh im Melkstand Flocken oder veränderte Milch zeigt, wird das betroffene Viertel oft unmittelbar mit antibiotischen Eutertuben behandelt. Nach Abschluss der Behandlung von zwei bis drei Tagen, sieht die Milch dann in vielen Fällen wieder normal aus. Diese Art der Therapie beinhaltet, dass die Kuh aufgrund der Wartezeit noch mehrere Tage in die Kanne gemolken werden muss. Bei 30 kg Tagesgemelk summiert sich so ein Milchgeldverlust von ca. 80 € pro Tier plus Arzneimittelkosten. Dazu kommen die zusätzlichen Arbeiten, die die Behandlung im Melkstand und das Milchumleiten in die Kanne mit sich bringen. Nicht zu vergessen das Risiko, dass die Sperrmilch versehentlich in den Tank gemolken werden könnte. Alles Gründe, die gewohnte Therapie-Routine zu überdenken.
Kein blinder Antibiotikaeinsatz
Zur guten tierärztlichen Praxis gehört, dass vor jeder antibiotischen Euterbehandlung eine Erregerbestimmung steht und in regelmäßigen Abständen auch ein Antibiogramm angefordert wird. Denn nur so kann ein wirksames Antibiotikum für den Erreger ausgewählt und die ideale Behandlungsdauer bestimmt werden. Zum Beispiel empfiehlt sich beim Nachweis von Streptococcus uberis eine verlängerte Behandlungszeit bei Erstinfektion von fünf Tagen, um die Ausheilung zu verbessern und Rezidive zu verhindern. Bei dem genannten Erreger und anderen Streptokokken-Mastitiden helfen vorranigig Penicillin oder bei Resistenzen halbsynthetische Penicilline wie Oxa-oder Cloxacillin. Cephalosporine der ersten bis vierten Generation sind bei Streptokokken-Mastitiden zwar wirksam, entsprechend der Kriterien für die Auswahl eines geeigneten Antibiotikums sind jedoch die Penicilline als Wirkstoffe mit einem schmalen Spek-trum gegenüber Breitspektrum-Antibiotika zu bevorzugen.
Bei coliformen Keimen werden häufig Fluorchinolone wie Enrofloxacin oder Marbofloxacin sowie ebenfalls Cephalosporine der dritten und vierten Generation eingesetzt. Auch hier ist wieder die breite Wirksamkeit und ihre Einstufung als Reserveantibiotikum als Kritikpunkt anzumerken.
Die geforderte Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes kommt nicht nur dem kritischen Verbraucher entgegen, Milchkuhhalter können auch Arzneimittelkosten sparen, haben weniger Milchgeldverluste und weniger Arbeit im Melkstand.
Nach heutigem Kenntnisstand gibt es zwei Ansatzpunkte zur Antibiotikareduktion bei klinischen Mastitiden innerhalb der Laktation:
- Mastitisfälle ohne bakteriologischen Befund,
- chronisch unheilbare, euterkranke Tiere.
- Mastitisfälle ohne bakteriologischen Befund,
- chronisch unheilbare, euterkranke Tiere.
Um Antibiotika zur Euterbehandlung einzusparen, muss man allerdings etwas genauer hinsehen.
Keine Antibiotika bei negativer BU
Eine antibiotische Euterbehandlung macht nur Sinn, wenn auch Bakterien im Euter sind, die bekämpft werden können. Die bakteriologische Untersuchung (BU) von Milchproben kann hier brauchbare Informationen liefern. Immer vorausgesetzt, dass die Milchproben steril entnommen wurden. Ist das Ergebnis negativ bedeutet das, dass die Kuh keine antibiotische Behandlung erhält.
Dringen Bakterien in das Viertel ein und vermehren sich, wird die körpereigene Abwehr aktiviert. Die Zahl der Abwehrzellen in der Milch nimmt zu (Zellzahlanstieg). Die Bakterien werden von den Abwehrzellen „gefressen“ (Phagozytose) und unschädlich gemacht. Neben dem Zellgehaltsanstieg kann es zu Sekretveränderungen in Form von Flocken kommen, die beispielsweise auf abgestorbenen Bakterien, Abwehrzellen und Euterepithel bestehen können. Spätestens wenn also Flocken in der Milch sichtbar werden, sollten Viertelgemelksproben zum Zweck der Erregeridentifizierung gezogen werden, denn mit jeder Stunde, die die Mastitis andauert, kann die Nachweisrate sinken (Übersicht 1).
Im Schnitt ist jede vierte untersuchte Probe bakteriologisch negativ. Viele Landwirte ärgern sich über solche Befunde und das „rausgeschmissene“ Geld für die Untersuchung. So ein Befund ist aber alles andere als ärgerlich, sondern kann sogar die Entscheidung untermauern, bei dieser Kuh auf ein Antibiotikum zu verzichten bzw. die angefangene antibiotische Therapie zu beenden. Letzteres sollte zur Vermeidung von Resistenzbildung nicht vor dem dritten Behandlungstag passieren.
Schnelltests liefern Entscheidungshilfe
Die hier beschriebenen Empfehlungen können dann umgesetzt werden, wenn eine Information über das Vorhandensein von Erregern und Art des Erregers bis zum zweiten Krankheitstag vorliegen. Hier kommen Schnelltests ins Spiel. In Zusammenarbeit mit dem Tierarzt können diese je nach Art des Tests vor Ort/in der Praxis durchgeführt und deren Ergebnis zur Entscheidungsfindung für die weitere Vorgehensweise genutzt werden. Je nachdem, ob ein Erregerwachstum vorhanden ist, kann entschieden werden, ob auf eine antibiotische Behandlung verzichtet werden kann.
Trotzdem sollte die regelmäßige herkömmliche bakteriologische Untersuchung von Viertelgemelksproben im Labor nicht verzichtet werden, da diese das gezielte Anfertigen von Antibiogrammen ermöglicht, d. h. neben dem Erreger auch noch die Information liefert, welche Wirkstoffe zur Behandlung eingesetzt werden können. Denn nur mit der klassischen Untersuchung im Mastitis-Labor kann der Leitkeim im Betrieb bestimmt werden, auf den das Eutergesundheitsmanagement und das passende Antibiotikum abgestimmt werden kann. Aufgrund des Postweges dauert es bei der konventionellen kulturellen Untersuchung aber oft länger bis das Ergebnis vorliegt. Das Ergebnis aus dem Labor hilft dann vielleicht nicht mehr der infizierten Kuh, ist aber als differenzierte Bestandsuntersuchung unverzichtbar.
Euterkranke Kühe mit Fieber brauchen Antibiotika
Hat die euterkranke Kuh neben den Sekretveränderungen ein geschwollenes Euter (Schmerzen) und Fieber muss sie allein schon aus Tierschutzgründen tierärztlich behandelt werden. Die Therapie der schweren Mastitis beinhaltet deshalb immer auch ein Antibiotikum, das systemisch und eventuell lokal eingesetzt wird. Ist zusätzlich zu den Flocken nur das Viertel rot, schmerzhaft und geschwollen, sprechen wir von einer mittelgradigen Mastitis, da reicht dann die lokale antibiotische Therapie. In allen Fällen bewirkt das Spritzen eines NSAIDs einen Rückgang der Entzündungssymptome und eine Vermeidung weiterer Gewebsschäden, die durch die bakterielle Infektion verursacht wurde. Die Kuh wird schneller wieder gesund.
Behandlungswürdigkeit chronisch kranker Kühe prüfen
Die meisten Antibiotika, die zur Behandlung am Euter zugelassen sind, werden bei chronisch kranken Tieren verbraucht. Die Tiere fallen in einer Laktation wiederholt mit Euterentzündungen auf. Oft wird die Therapie dieser Zellzahlkühe kurzfristig intensiviert, d. h. Antibiotika werden lokal, systemisch und über einen längeren Zeitraum angewendet. Nach einer kurzfristigen Besserung wird jeder zweite Chroniker schnell wieder euterkrank. Insgesamt werden diese Kühe zu oft, zu lange und erfolglos therapiert. Was bei dauerhaft hohen Zellzahlen wirklich hilft, ist das antibiotische Trockenstellen. Bis auf Kühe, die sich mit S. aureus infiziert haben, werden bei den meisten Erregern Heilungsraten von 80 – 95 % während der Trockenstehzeit erreicht. Bei S. aureus hilft das nur bei jeder zweiten Kuh.
Fällt eine chronisch kranke Kuh mal wieder in der Laktation durch Veränderung des Milchsekretes auf, reicht eine Injektion mit einem Entzündungshemmer. Der hat einer Studie zur Folge gleich hohe Heilungsraten wie ein Antibiotikum gezeigt. Auf die regelmäßige BU chronisch erkrankter Tiere kann somit verzichtet werden, denn die Heilungsraten sind mit oder ohne Antibiotikum gering (max. 30 %). Empfohlen werden bakteriologische Stichproben, damit man das Herdenerregerspektrum im Auge behält. Generell ist zu überlegen, ob man chronisch Erkrankte im Bestand lässt, denn mit oder ohne Antibiotikum streuen sie immer wieder Erreger und gefährden damit die Eutergesundheit im Bestand.
M. Tischer