- Neugeborene Kälber sind in den ersten Lebenstagen anfällig für die Infektionen mit Rota- und Coronaviren. Die Viren schädigen den Darm, selbst bei guter Therapie dauert es mindestens eine Woche bis die Kotkonsistenz wieder normal ist. Der damit einhergehende Flüssigkeits- und Mineralstoffverlust trocknet die Kälber aus und lässt sie apathisch festliegen (Blutazidose). Häufig kommt eine bakterielle Infektion mit E.coli-Bakterien dazu. Diese Bakterien haben, genau wie die Clostridien, die negative Eigenschaft, Toxine (Giftstoffe) zu bilden, die die Darmzotten zerstören und das Durchfallgeschehen verstärken.
- Clostridium perfringens ist ein weltweit verbreiteter Erreger, welcher auch im Darmtrakt gesunder Kälber regelmäßig anzutreffen ist. Infektionen treten bei Kälbern bis zum zehnten Lebenstag und bei Mastkälbern von ein bis vier Monaten auf. Clostridien können unterschiedliche Toxine bilden, und diese greifen die Darmzotten an. Die Zotten werden regelrecht abrasiert. Dadurch können massiv Toxine in den Organismus gelangen (Toxämie) und zum schnellen und plötzlichen Tod des Kalbes führen. Vorher zeigen Kälber Appetitlosigkeit, Koliksymptome und sind leicht aufgebläht. Der Durchfall ist blutig.
- Kryptosporidien-Durchfälle sind in fast allen Problembetrieben nachweisbar. Sie sind in den meisten Fällen aber nicht das eigentliche Problem. Die einzelligen Parasiten sind in der Umgebung sehr widerstandsfähig und mit normaler Reinigung und Desinfektion nur schwer zu eliminieren. Zusammen mit Viren und Bakterien können sie zu schweren, tödlich verlaufenden Durchfällen führen. Kälber sind im Alter von zwei bis 30 Tagen für den Erreger empfänglich. Nach der oralen Aufnahme heften sie sich im Darm an und entwickeln sich massenhaft. Sie durchlaufen mehrere Entwicklungsstufen, um dann durch Zerstörung der Darmzotten in das Darmlumen zu gelangen und massiv mit dem Kot ausgeschieden zu werden. Die Infektion und die Schwere des Verlaufes sind im entscheidenden Maß von Abwehrlage und äußeren betrieblichen Umständen und der Hygiene im Stall abhängig.
- Kokzidien sind ebenfalls Parasiten, die allerdings etwas später im Leben der Kälber auftreten. Der Durchfall tritt meist während des Absetzens ab der dritten Lebenswoche oder bis zu einem Alter von zwei Jahren auf. Der einzellige Darmparasit verursacht erst dünnflüssigen, später breiigen Durchfall, der blutig werden kann. Auffällig ist das starke Drängen auf Kot (Pressreiz). Meist erkranken jüngere Tiere, wenn sie zu älteren umgestallt werden. Der Hygiene und Sozialstress hat großen Einfluss auf diese sogenannte Faktorenkrankheit. Die Infektionsdosis und die Immunabwehr der Kälber spielen eine erhebliche Rolle.
Diagnostik ist weisend
Mithilfe von Schnelltests kann man herausfinden, ob Rota-, Coronaviren, E. coli Bakterien oder Kryptosporidien im Kot der durchfallkranken Kälber vorhanden sind. Die anderen hier im Text erwähnten Erreger können nur in einem Labor nachgewiesen werden.
Nicht jeder Erregernachweis führt zwingend zu einer Therapie. Denn zum Beispiel kann man auch im gesunden Darm eine geringe Menge Clostridien und Kryptosporidien finden, mit denen die kälbereigene Immunantwort gut zurecht kommt. Tierärzte stellen sich dann eher die Frage, warum sich bestimmte Erreger so massiv vermehren konnten. Sie fragen sich, wer sind die Wegbereiter für die Infektion? Viren? Kolostrummanagement? Fütterung? Tränketechnik? Wasser? Und da wären wir beim Gesundheitsmanagement, dessen Ziel es sein muss, behandlungswürdige Durchfälle im Betrieb auf ein Minimum zu reduzieren.
Elektrolyt ist Pflicht
Grundsätzlich werden alle Durchfälle je nach Austrocknungsgrad mit Elektrolyttränken zwischen den Milchmahlzeiten behandelt. Sinnvoll ist es immer, die Tränkemengen zu reduzieren und gleichzeitig die Frequenz zu erhöhen, mit dem Ziel acht bis zehn Liter Flüssigkeit in das Kalb zu bekommen. Unterstützend ist die orale Gabe von Natriumbicarbonat-enthaltenden Pillen, wenn der Saugreflex noch vorhanden und die Flüssigkeitsaufnahme gewährleistet ist. In schweren Fällen intravenöse Infusion von Bicarbonat und Glucose durch den Tierarzt, wenn das Kalb keinen Saugreflex mehr hat. Zusätzliche orale Gaben von Ergänzungsfuttermittel mit Kaolinit und Magnesiumoxid.
Wenn Kälber Fieber oder Zeichen eine Blutvergiftung haben, muss ausnahmsweise antibiotisch behandelt werden. Auch bei massiven Befall von Clostridien wird zusätzlich oral antibiotisch behandelt. Gegen die Koliksymptome helfen entkrampfende Schmerzmittel. Gegen Kryptosporidien gibt es nur ein Arzneimittel (Halocur), das zur Behandlung zugelassen ist. Bei der Anwendung muss man auf die exakte Dosierung achten, denn in zu hohen Dosen wirkt das Produkt toxisch und die Kälber reagieren mit Bauchschmerzen durch Darmreizung. In Einzelfällen kann das auch zu langanhaltenden negativen Schädigungen des Einzeltieres führen. Werden Kokzidien nachgewiesen, sollte in jeden Fall mit einem antiparasitären Mittel therapiert werden. Die orale Anwendung erfolgt idealerweise vor dem Umstallen und Ausbruch der Krankheit.
Kontrollpunkte Durchfall
Sind die durchfallkranken Kälber erst einmal versorgt, gibt es Raum für die ganzheitliche Sicht auf die Kälberaufzucht. Es kommt darauf an, dass alle Kälber die gleichen standardisierten Prozeduren bei Tränke, Fütterung und Umstallung durchlaufen. Aus tierärztlicher Sicht empfehlen wir die Überprüfung folgender Kontrollpunkte:
- Mutterschutzimpfung für Kalbinnen zum Schutz vor Neugeborenendurchfall.
- Biestmilchmanagement: Kontrolle des Gesamteiweißes mittels Refraktometer ( 55 g/Liter Serum).
- Umstellung auf Milchaustauscher, sobald die mütterliche Biestmilch nicht mehr zur Verfügung steht.
- In Problembetrieben mittägliche Zwischentränke mit Elektrolyten.
- Jedes Kalb hat einen eigenen Nuckeleimer, welcher gereinigt wird und über Kopf vor dem Kalb hängt.
- Kontrolle der Position des Nuckels. Wenn sie nicht als Kreuz richtig montiert sind, ist der Milchfluss aus dem Nuckel verlangsamt und der Schlundrinnenreflex gestört. Bei verkehrter Montage (als X) verlängerte Trinkzeiten und die Milch kühlt ab. Die Milchtemperatur ist auch entscheidend für einen guten Schlundrinnenreflex.
- Ab der zweiten Lebenswoche muss täglich frisches Wasser in einer Tränkeschale und Kälberfutter angeboten werden.
- Kein Vertränken von Sperrmilch (Frischmelkermilch; Mastitismilch). Sie führen aufgrund der schwankenden Inhaltsstoffe der Milchtränken zu fütterungsbedingten Durchfall. Damit einhergehend ist eine Vermehrung von Durchfallerregern. Typische Befunde in der Praxis bei Tränkefehlern ist ein hochgradiger Clostridienbefall.
- Zusätzliche orale Gabe von Eisen (fast alle Kälber befinden sich zum Zeitpunkt der Geburt in einer Mangelsituation).
- Mit der Tränke eines MAT bei sachgemäßem Gebrauch (Anrührtemperatur, -zeit, Konzentration) und zeitlicher Konstanz (Kälbertränke losgelöst vom Melken).
- Erst Abtränken, wenn die Futteraufnahme von zwei Kilogramm Kälberfutter täglich erfolgt. Erst dann auf die Mischrationen umstellen.
- Nicht alles auf einmal. Stallwechsel, Gruppenwechsel, Abtränken und Futterwechsel halten Darm und das Immunsystem nicht aus. Nie mehr als eine Sache zur gleichen Zeit verändern.
Biofilme in den Rohrleitungen
Wasser ist das wichtigste Futtermittel, da es hohen Einfluss auf physiologische Prozesse im Kalb hat. Um ausreichende Versorgung sicherzustellen, sollten Sie auf Folgendes achten:
- Anlagentechnische Mängel können zu Hygieneproblemen führen. Begünstigende Faktoren hierfür können ein zu geringer Wasseraustausch, niedrige Fließgeschwindigkeiten, tote Rohrenden und ungeeignete Materialien sein.
- Bei den Tränkenippeln ist auch ein rückwärtsgerichteter Keimeintrag durch das Kalb in die Leitung möglich. Biofilme bilden sich in Leitungen immer, ob sie gut oder schlecht im Hinblick auf die Wasserqualität sind, hängt von vielen Faktoren ab. Dieser „Schleim“ in den Leitungen enthält u. U. Bakterien, die über die Wasseraufnahme in das Kalb gelangen.
- Bei bakterieller Verunreinigung des Tränkewassers kann mithilfe von Chlordioxid der Biofilm im belegtem Stall reduziert werden. Es kommt dadurch zu einer Verminderung des Keimeintrages über das Wasser und somit zu schrittweisen Reduzierung des Schleimes in den Leitungen.
- Des Weiteren gibt es die technische Möglichkeit mittels Ultraschall eine langsam reinigende Wirkung im Hinblick auf den Biofilm zu erreichen. Diese Technik vermeidet alle Anhaftungen und hat eine Tiefenwirkung. Somit gelangt sie auch in jede Spalte der Wasseranlage.