Ein neues Auswertungstool mit Ampelsystem ermöglicht es, auf der Basis von Zellzahlen und Laborbefunden den Antibiotikaeinsatz beim Trockenstellen deutlich zu reduzieren.
Die antibiotische Euterbehandlung zum Trockenstellen ist ein wichtiger Baustein in der MastitisBekämpfung. Die Langzeittherapie bewirkt zufriedenstellende Heilungsraten von 80...
Ein neues Auswertungstool mit Ampelsystem ermöglicht es, auf der Basis von Zellzahlen und Laborbefunden den Antibiotikaeinsatz beim Trockenstellen deutlich zu reduzieren.
Die antibiotische Euterbehandlung zum Trockenstellen ist ein wichtiger Baustein in der MastitisBekämpfung. Die Langzeittherapie bewirkt zufriedenstellende Heilungsraten von 80 bis 90 Prozent. Das ist sicher auch ein Grund dafür, warum immer noch fast 90 Prozent der Kühe antibiotisch Trocken gestellt werden. 10 Prozent davon mit Cephalosporinen der dritten und vierten Generation, die zu den sogenannten Reserveantibiotika gehören.
Der Einsatz von Antibiotika in der Nutztiermedizin gerät aber zunehmend in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Als Folge daraus werden seit 2011 die abgegebenen Antibiotika in der Nutztiermedizin erfasst. Ein Überschreiten der vorausberechneten Therapiehäufigkeiten wird gemaßregelt. Bisher ist im Rinderbereich nur die Mast betroffen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass auch der Arzneimitteleinsatz im Milchkuhbereich in Zukunft stärker überwacht wird. Der Tierhalter steht somit vor dem Problem, dass er einerseits Mastitiden behandeln und anderseits weniger Antibiotika einsetzen möchte.
MLP-Daten nutzen
Eine Lösung bietet das Informationsbasierte Tiergesundheitsmanagement (IBT). Das Tool wurde von Dr. Peter Klocke und Dr. Christian Fidelak, Bovicare Potsdam, in Zusammenarbeit mit einer deutschen Molkerei entwickelt. Diese startete ein Eutergesundheitsprogramm mit dem erklärten Ziel, neben der Verbesserung der Eutergesundheit den Einsatz von antibiotischen Trockenstellern deutlich zu reduzieren und nur auf die Kühe zu beschränken, bei denen eine antibiotische Behandlung Sinn macht. Erfolgsversprechend ist nämlich die antibiotische Trockenstehbehandlung nur dann, wenn euterpathogene Keime (z. B. Streptokokken, Staphylokokken) nachgewiesen werden. Auf eine antibiotische Therapie verzichten kann man dagegen in einigen Fällen beim Nachweis von wenig krankmachenden Bakterien (C. bovis, einigen KNS-Stämmen), bei GRAM-negativen Bakterien (E. coli, Klebsiellen) oder wenn das Euter chronisch (mehr als dreimal über 700 Tsd. ZZ/ml in der MLP) infiziert ist. Basis für die Therapieentscheidung ist also die Zellzahl und der Befund aus dem Labor. In Zukunft sollen weitere Kriterien der Behandlungswürdigkeit, wie Zahl der Mastitis-Behandlungen, Wert der Kuh und andere Gesundheitskriterien einbezogen werden.
Rot, orange, gelb, grün
Um herauszufinden, welche Kuh mit Zellzahlerhöhung behandlungswürdig ist, entwickelten die Tierärzte ein Analysetool. In einem ersten Schritt werden die MLP-Daten so aufbereitet, dass für jede abgekalbte Kuh ein aktueller Ampelwert errechnet und angezeigt wird. Zugrunde liegen die Zellzahlen der letzten drei Probegemelke. Kühe erhalten bei einer Zellzahl unter 200 Tsd./ml den Monatswert Null. Bei Zellzahlen zwischen 200–700 Tsd./ml den Wert Eins und über 700 Tsd. pro ml den Wert Zwei, die dann über die letzten drei MLP-Prüftage addiert werden.
Rückblickend für drei Kontrollen, bekommt die Kuh folgende Ampelphasen zugewiesen: GRÜN (null Punkte), GELB (ein bis zwei Punkte), ORANGE (drei bis vier Punkte), ROT (fünf bis sechs Punkte).
Nur beim Bakteriennachweis antibiotisch
Während die Behandlungswürdigkeit mit der Ampel ausgewiesen wird, bestimmt das Laborergebnis die Art der Therapie. Zu diesem Zweck werden nach Möglichkeit 14 Tage vor dem geplanten Trockenstellen Viertelgemelksproben zytobakteriologisch untersucht und das Ergebnis in der monatlichen Eutergesundheitsanalyse mit ausgewiesen. Die Behandlungsempfehlung reicht dann von der antibiotischen Trockenstellbehandlung über den Einsatz eines antibiotikafreien Zitzenversieglers bis hin zum Therapieverzicht bei gesunden oder unheilbar kranken Kühen, bei denen aufgrund ihrer chronischen Erkrankung auch mittels Antibiotika keine Heilung mehr zu erwarten ist. Ausnahmen bestätigen hierbei die Regel.
Differenzierte Trockenstellempfehlung
Zum Trockenstelltermin reicht ein Blick in die Eutergesundheitsanalyse. Das Tierärzteteam empfiehlt bei Kühen mit negativem bakteriologischen Befund je nach Ampelergebnis entweder alle vier Viertel antibiotikafrei mit einem externen Zitzenversiegler oder bei roter Ampelphase ohne Therapie trocken zu stellen. Ist nur ein Viertel positiv, kann das bei unauffälligem Zellgehalt der anderen Viertel selektiv mit einer Eutertube behandelt werden.
Die restlichen Viertel werden versiegelt. Ist die Zellzahl auffällig (200 – 700 Tsd. ZZ) oder mehr als ein Viertel infiziert, bekommen alle betroffenen Tiere eine antibiotische Behandlung auf allen vier Vierteln. Nur die Tiere mit rotem Ampelergebnis sind davon ausgenommen (Übersicht 3).
42 Prozent weniger Antibiotika
Im Rahmen eines Versuches mit 1.000 Kühen konnten 229 Trocken gestellte Tiere ausgewertet werden. Die Landwirte hielten sich zu 80 Prozent an die so ermittelten Empfehlungen der Tierärzte.
Diese ersten Ergebnisse sind vielversprechend: So konnte bei 42 Prozent der Kühe zum Trockenstellen auf Antibiotika verzichtet werden. Das Ergebnis zeigt, dass es durch die Auswertung einfach möglich ist, infizierte Kühe zu erkennen und Mastitis- Erreger zu eliminieren. Andererseits kann bei Kühen mit geringen Heilungschancen und vollständig eutergesunden Tieren antibiotischer Wirkstoff gespart werden.
Aussichten
Im Ampelsystem steckt viel Wissen rund um die Eutergesundheit. Richtig umgesetzt und konsequent durchgeführt kann der Antibiotikaeinsatz deutlich reduziert werden. Doch wie jedes Beratungstool steht und fällt es mit der fachgerechten Nutzung. Elite fragte Dr. Klocke, einen der Entwickler des Ampelsystems, wie das Tool in der Praxis eingesetzt wird.M. Tischer