Weide zählt zu den wiederkäuergerechtesten Haltungssystemen und ist gesellschaftlich gewünscht. Entscheidend für den Erfolg ist, dass das Weidesystem und die Genetik harmonieren.
Befasst man sich mit dem Gedanken, die laktierenden Kühe weiden zu lassen, dann steht die Entscheidung an, was man damit möchte: Futteraufnahme auslagern oder den Kühen etwas Wellness gönnen? Ersteres gelingt nur erfolgreich – also...
Weide zählt zu den wiederkäuergerechtesten Haltungssystemen und ist gesellschaftlich gewünscht. Entscheidend für den Erfolg ist, dass das Weidesystem und die Genetik harmonieren.
Befasst man sich mit dem Gedanken, die laktierenden Kühe weiden zu lassen, dann steht die Entscheidung an, was man damit möchte: Futteraufnahme auslagern oder den Kühen etwas Wellness gönnen? Ersteres gelingt nur erfolgreich – also ohne extreme Leistungseinbußen und Folgeschäden wie starken Konditionsabbau und schlechte Fruchtbarkeit – wenn die Weideführung an die Bedürfnisse der Genetik der vorhandenen Herde angepasst ist. Sprich, wenn die Kombination aus Qualität und Masse des Aufwuchses, standortbedingt möglicher Weidezeit und Zufütterung dem Bedarf der Kühe gerecht wird.
Holsteins nicht in restriktive Systeme
Kühe, die über Jahrzehnte darauf gezüchtet wurden, aus der TMR-Fütterung Milch zu produzieren, können ihr Leistungspotenzial in weidebasierten Systemen nicht aufrechthalten. Dazu gehören auch die auf nordamerikanischer Genetik basierenden Holstein- und Brown Swiss-Kühe. So erreichen nordamerikanische Holsteins mit hohem genetischen Potenzial für Milchleistung im Vergleich zu anderen Rassen zwar auch in Vollweidesystemen ohne Kraftfutterzulage noch die höheren Milchleistungen, sie verzeichnen jedoch die größeren Körperkonditionsverluste (siehe Übersicht 1) und die schlechtesten Reproduktionsleistungen. Unterschiedliche hohe Zulagen von Kraftfutter beeinflussen ihre Fruchtbarkeitsleistung dabei nicht – aus einem Mehr an Kraftfutter wird eher ein Mehr an Milch produziert (durchschnittlich 1 kg Milch/kg Kraftfutter bei max. 10 kg KF/Tag). Pro Kilogramm Kraftfutter reduziert sich jedoch das Grasen um 12 Minuten pro Tag (Verdrängung des Grundfutters! Max. 5 bis 6 kg/Tag Kraftfutter aus energiereichen, pansenstabilen Komponenten).
Um ihre Körperkondition in Weidesystemen stabiler zu halten und aufzubauen, benötigen Holsteins des nordamerikanischen Typs wesentlich höhere Ergänzungen als andere Abstammungen oder Rassen. In einer Studie in Pennsylvania hatten Holstein-Kühe Weidegang und wurden entweder mit Kraftfutter oder mit TMR zugefüttert. Die Gruppe mit Kraftfutterzulage verlor im Body Condition Score (BCS -0,20), Kühe die dagegen mit TMR zur Weide ergänzt wurden, legten im BCS zu (+0,01). Kühe, die nur TMR ohne Weidegang erhielten, steigerten ihren BCS um +0,19.
Fazit: Stark auf Milchleistung gezüchtete Genetik eignet sich für Weidesysteme
- mit ganzjähriger Abkalbung und limitiertem Weidegang (max. Halbtagsweide) mit einer mittleren bis hohen Kraftfutterzulage,
- bzw. Weide, die nur zusätzlich zu der Basis einer TMR-Fütterung angeboten wird. Etwa als stundenweise, der Witterung angepassten (bei Hitze spät abends oder gar nicht!) „Jogging-Weide“ mit freiem Zugang zur TMR im Stall.
- mit ganzjähriger Abkalbung und limitiertem Weidegang (max. Halbtagsweide) mit einer mittleren bis hohen Kraftfutterzulage,
- bzw. Weide, die nur zusätzlich zu der Basis einer TMR-Fütterung angeboten wird. Etwa als stundenweise, der Witterung angepassten (bei Hitze spät abends oder gar nicht!) „Jogging-Weide“ mit freiem Zugang zur TMR im Stall.
Auch andere Rassen oder Kreuzungen passen in ein solches System, wenn durch gutes Management verhindert wird, dass sie exzessiv an Körpermasse zulegen (Spätlaktation). Möglich ist es hier, die Herde nach Laktationsstand zu splitten: Die frischlaktierenden, hochleisten Kühe bleiben im Stall, um das Energiedefizit sowie Folgen nicht zu provozieren und damit im Sinne des Tierwohls zu handeln. Für ein bisschen Wellness können sie stundenweise auf eine „Siesta-Weide“. Die niedrig und altmelkenden ( 25 kg Milch) bekommen ganz- oder halbtägigen Weidegang mit Zufütterung.
Zur Vollweide geeignet
Milchkühe, die es schaffen höhere BCS aufrechtzuhalten, haben Vorteile in Weidesystemen mit niedriger Futterzulage. Als dazu fähig haben sich neben fleischbetonteren Rassen wie Fleckvieh und Montebiliarde auch Jerseys sowie die Kreuzungen aus verschiedenen Holstein-Genetiken (Neuseeländische x Nordamerikanische), aus Holsteins mit Jersey, Montebiliarde, Brown Swiss sowie anderen Rassen, erwiesen. Interessant sind auch reinrassige Linien, die in weidebasierten Systemen gezüchtet wurden (z.B. die neuseeländischen Holsteins).
Der Heterosis-Effekt liefert den Kreuzungen Vorteile, insbesondere in der Aufrechterhaltung der Körperkondition, der Fruchtbarkeit, den Milchinhaltsstoffen und der Langlebigkeit. Die Milchleistung von Kreuzungskühen kann dabei durchaus mit denen der reinrassigen Kreuzungspartner konkurrieren, gerade bei der Anpaarung von Holstein mit Jersey.
Die höheren Fruchtbarkeitsleistungen machen die robusteren Rassen und Kreuzungen interessant für Weidesysteme mit saisonaler Abkalbung, bei der das Zeitfenster zur erfolgreichen Trächtigkeit stark begrenzt ist (kurzes Kalbeintervall). Dabei muss auch das Erstkalbealter der nachrückenden Färsen bedacht werden, das etwa bei Braunvieh höher liegt. Letztere passen besser in Systeme mit nicht-saisonaler Abkalbung. Achtung: Bei den zwei bis drei Rassenkreuzungen ist es entscheidend die Folgegenerationen über die richtigen Anpaarungen im Griff zu haben, damit die Leistungen der Töchter einheitlich bleiben. K. Berkemeier