Heu wird häufig in den ersten Laktationstagen zur Prophylaxe gegen Stoffwechselentgleisungen eingesetzt. In einem Fütterungsversuch wurde die Wirkung von Heu jetzt untersucht. Die Ergebnisse lassen aufhorchen.
In den ersten Tagen der Laktation ist es für einen erfolgreichen Laktationsstart wichtig, eine Balance zwischen drohendem Faser- oder...
Heu wird häufig in den ersten Laktationstagen zur Prophylaxe gegen Stoffwechselentgleisungen eingesetzt. In einem Fütterungsversuch wurde die Wirkung von Heu jetzt untersucht. Die Ergebnisse lassen aufhorchen.
In den ersten Tagen der Laktation ist es für einen erfolgreichen Laktationsstart wichtig, eine Balance zwischen drohendem Faser- oder Energiemangel zu meistern. Nur durch eine ausgewogene Versorgung mit Strukturkomponenten und Energieträgern gelingt es, sowohl das Azidose- als auch das Ketoserisiko zu minimieren. Um diesen Spagat bewältigen zu können, wird in TMR-Betrieben häufig eine energiereiche Mischration gefüttert und manchmal zusätzlich noch Heu – dann oft zur freien Aufnahme – angeboten. Verschiedene Praktiker berichteten uns jedoch, dass sich gesundheitliche Probleme verschärften, sofern Heu in dieser Phase ad libitum gefüttert wurde. Diesen Beobachtungen wollten wir mit einem Fütterungsversuch auf den Grund gehen.
Heu zur Stoffwechselprophylaxe?
In der Milchviehherde der LLFG Sachsen-Anhalt in Iden wird eine Frischmelker-Ration direkt nach der Kalbung im Abkalberabteil angeboten, in dem die Kühe in der Regel die erste Laktationswoche verbleiben. Die Strukturwirksamkeit dieser TMR wird durch die Rationskomponenten Luzerneheu und Stroh – beide kurz gehäckselt – unterstützt. Beide Komponenten zusammen machen einen Anteil von acht bis zehnProzent an der Gesamttrockenmasse aus. Ein zusätzliches Angebot an langem Heu erfolgt nicht.
Heu in begrenztem Umfang (ca. 300 g je Gabe bzw. Tag) erhalten nur die frisch abgekalbten Kühe, die in den täglichen Kontrollen der ersten Woche mit beeinträchtigter Pansenfunktion auffällig werden (Pansenfüllung, Pansenmotorik).
Im beschriebenen Versuch erhielten alle Kühe im Abkalberabteil des Idener Kuhstalls die Standard-TMR für Frischmelker. Diese war in ihrer Zusammensetzung in diesem Zeitraum durch einen relativ hohen Maissilageanteil und Pressschnitzeleinsatz charakterisiert (Übersicht 1). Nach geltenden Kennwerten war die Ration als wiederkäuergerecht zu bewerten. Die Gehalte an Stärke und Zucker lagen durch den Pressschnitzeleinsatz sogar im unteren Bereich der Empfehlungen.
Die stichprobenartig durchgeführten Kontrollen der Partikelgrößenverteilung ergaben für den Versuchszeitraum eine sehr fein strukturierte TMR mit relativ wenig längeren und vielen kürzeren Futterbestandteilen (Obersieb 5%, Empfehlung 5 bis 10%; Untersieb 60%, Empfehlung 40 bis 60%). Kurz gehäckselte Silagen sind ein Teil der Strategie zum Erreichen hoher Futteraufnahmen.
Das Abkalberabteil wurde für den Versuch geteilt und die Mehrkalbskühe nach der Kalbung zwei Gruppen zugeteilt. Beide Gruppen befanden sich im Durchschnitt in der vierten Laktation und wiesen eine vergleichbare mittlere Vorlaktationsleistung von 12.500 kg auf. Auch die Körpermasse (700 kg) und die Rückenfettdicke (20 mm) waren nahezu identisch. Vor der Kalbung erhielten die Kühe eine auf Milchfieberprophylaxe ausgerichtete Vorbereitungs-TMR mit viel Maissilage und Stroh, aber kein Heu. Neben der Vorlage der TMR für beide Gruppen erhielt die eine Hälfte der Kühe freien Zugang zu einer Raufe mit langem Wiesenheu. Es wurde ein faserreiches, energieärmeres, aber sensorisch sehr gutes Heu angeboten. Die Heufütterung „traf“ die Tiere der betreffenden Gruppe jedoch völlig unvorbereitet (kein Heu in der Vorbereitung).
Mehr Labmagenverlagerungen
Die durchschnittliche Aufnahme an Wiesenheu aus der Raufe lag für die Kühe der Heu-Gruppe bei ca. 1,0 kg je Kuh und Tag (gemessen und kalkuliert nach Gesamtverbrauch). Dabei muss jedoch von erheblichen Variationen zwischen den einzelnen Kühen ausgegangen werden. Wie viel die einzelne Kuh davon fraß konnte im Abkalberabteil nicht gemessen werden. Dramatische Unterschiede zeigten sich bei der Zahl der Labmagenverlagerungen. In der Gruppe „Heu“ trat diese bei vier Kühen auf, was 18% entspricht! In der Vergleichsgruppe war eine Kuh betroffen (4%). Im Jahr 2015 lag die Rate für die Herde insgesamt bei 1%.
Kühe, die aus dem Abkalberabteil ausgestallt werden, sollen ausreichende Fitness aufweisen. Im Mittel blieben die Heu-Kühe zwei Tage länger dort. Zur täglichen Gesundheitskontrolle in der 1. Laktationswoche gehört auch die Einschätzung der Pansenfüllung. Die Note 1 steht für eine sehr schlechte Füllung. Für laktierende Hochleistungskühe ist das Ziel die Note 3. In den ersten Laktationstagen liegt sie für Einzeltiere jedoch oft tiefer. In der ersten Laktationswoche lagen die Tageswerte für die Gruppe, die nur die TMR erhielt, im Mittel bei 2,4, für die Heu-Gruppe bei 2,3.
Pansen deutlich träger
Regelmäßig wurde auch der Pansen abgehört. In den ersten Tagen nach der Kalbung soll innerhalb einer Minute mindestens eine Pansenkontraktion akustisch gut wahrnehmbar sein, zwei oder mehr wären besser. Im Versuch wurde das Ergebnis (Übersicht 3) des Abhörens in ein einfaches Notensystem übertragen (0 = keine Kontraktion nach einer Minute bis 2 = sehr starke Kontraktion). Auch hierbei wurde wiederum eher ein Nachteil für die Heu-Gruppe festgestellt (Mittelwert in der ersten Woche: 0,8, Vergleichsgruppe: 1,0).
Neben der Bewertung dieser „Kuhsignale“ wurden ergänzend die Stoffwechselwerte im Harn und Blut ermittelt. Der pH-Wert sowie die Netto-Säuren-Basen-Ausscheidung im Harn können Hinweise zum Pansenmilieu geben. Werte von 7,8 (pH) bzw. 100 mmol/l sollten als möglicher Hinweis für eine Pansenübersäuerung nicht auftreten. Erstaunlicherweise fielen auch diese Werte für die Heu-Gruppe in den ersten zwei Wochen signifikant ungünstiger (7,7 und 64 mmol; Übersicht 4) als bei den Vergleichskühen (7,9 und 106 mmol/l) aus. Die Mittelwerte der Gehalte an Ketonkörpern im Blut (BHB) zeigten keine deutlichen Unterschiede und auch keine Grenzwert-überschreitungen, die das gehäufte Auftreten von subklinischen Ketosen anzeigen würden.
In der Laktation gleiche Leistung
Um auch mittelfristige Folgen der ad libitum-HeuFütterung feststellen zu können, wurden nach dem Umstallen in den Liegeboxenlaufstall, wo alle Kühe die Start-TMR aber kein Heu bekamen, Daten erfasst. Hier zeigten sich keine Unterschiede mehr. Die Trockenmasse-Aufnahme stieg in beiden Gruppen von ca. 18 kg TM/Tag in der 2. Woche auf 25 kg zum 50. Laktationstag. Die durchschnittliche Tagesmilchmenge lag in beiden Gruppen über 50 kg. Zu bedenken ist dabei aber, dass nur Kühe in einem guten Zustand aus dem Abkalberabteil umgestallt werden. Die Heu-Gruppe verließen die Kühe deshalb etwas später, zwei gingen nach einer Labmagenverlagerung aus dem Bestand ab.
Bleibt festzuhalten: In der Untersuchung konnten mit dem beschriebenen Heu-Angebot (ad libitum) keine Vorteile für die Gesundheit der Kühe zum Laktationsstart erreicht werden, eher war das Gegenteil der Fall. Scheinbar fressen einige Kühe zu viel von dem faserreichen Heu und verdrängen damit TMR, die Energie und andere notwendige Nährstoffe liefern soll.